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Die Wahrheit ist zumutbar – oder?

Print-Ausgabe 14. Juni 2019

Der bereits dritte „R20 Austrian World Summit“ in der Wiener Hofburg verlief so, wie man es von internationalen Klimagipfeln gewohnt ist: Arnold Schwarzenegger, inzwischen ein engagierter internationaler Umweltaktivist, konnte als Gastgeber UN-Generalsekretär Antonio Guterres und Bundespräsident Alexander Van der Bellen begrüßen, es wurde diskutiert, demonstriert und beim ersten „Climate Kirtag“ heimische Spezialitäten verdrückt. Die Vorträge zeigten Übereinstimmung: Um eine bereits spürbare Klimakatastrophe, die Frieden, Sicherheit, Wirtschaft und Wohlstand bedroht, unter Kontrolle zu bringen, muss jetzt die Trendwende bei den Treibhausgas-Emissionen eingeleitet werden. Das war’s dann auch schon, konkrete Maßnahmen sollen beim nächsten UN-Klimagipfel im September vorgelegt werden.

In einem Punkt wich die Konferenz allerdings von der bisherigen Erfolglosigkeits-Routine ab: Bejubelte Teilnehmerin war Greta Thunberg, die sich an einem Freitag im August des Vorjahres vor das schwedische Parlament setzte und mit einem handgemalten Transparent mit dem Aufruf „Schulstreik für das Klima“ die Demonstrationsbewegung „Fridays for Future“ startete. Dass die erst 16-jährige leicht autistische Schülerin offensichtlich von einer professionellen PR-Organisation mit (noch) nicht erkennbarer Zielsetzung gesteuert wird, schränkt ihre Glaubwürdigkeit offenbar nicht ein: Mit schlichtem Outfit und ordentlichen Zöpfen als braves Schulkind gestylt, wirkt sie bei ihren Auftritten authentisch. Dass sie in kürzester Zeit zur wie ein Popstar gefeierten Klimaschutz-Ikone der Jugend wurde, ist leicht erklärbar: Es ist das erste Mal, dass sich jene lautstark zu Wort melden, die von den Folgen des Klimawandels nicht erst im Pensionsalter, sondern voraussichtlich fast ihr ganzes Leben lang betroffen sein werden. Das sichert ihnen Anspruch auf Aufmerksamkeit.

Von Zurückhaltung ist Greta Thunberg nicht geprägt: Den „Erwachsenen“ – insbesondere den PolitikerInnen – wirft sie vor allem vor, die Öffentlichkeit über die Folgen der von ihnen verursachten „größten Krise der Menschheit“ nicht mit der nötigen Dringlichkeit informiert zu haben: „Ihr belügt uns und habt uns unsere Zukunft genommen.“ Was nötig sei, wisse man, nun seien sie dafür verantwortlich, dass es auch geschieht. Insgesamt entstand der Eindruck, es liege vor allem an den unwilligen PolitikerInnen, dass der Klimawandel nicht schon gestoppt ist, es gehe nur darum, ihnen entsprechend Dampf zu machen.

So einfach ist es aber nicht. Die Expertenmeinungen darüber, ob und vor allem wie ein Stopp der Erderwärmung in der Praxis funktionieren könnte, gehen weit auseinander. Der Vorwurf, belogen worden zu sein, ist nicht unberechtigt: Weil man weiß, dass mit spürbarem Verlust an Lebensqualität verbundene Maßnahmen beim Wahlvolk kaum Zustimmung finden, wird seit Jahren in der Öffentlichkeit die Illusion gepflegt, Klimaschutz sei damit nicht zwangsläufig verbunden. Wenn dann Randthemen, die niemandem wirklich weh tun – wie ein Verbot von Kunststoff-Trinkhalmen und Plastiksackerln oder schnellere Fahrt für E-Autos auf Lärmschutzstrecken – von der „Nachhaltigkeitsministerin“ geradezu als Meilensteine für den Klimaschutz gepriesen werden, ist es nicht verwunderlich, dass er als einfache Übung angesehen wird, bei der die Politik endlich weitermachen soll.

Im „profil“ erschien kürzlich der (vermutlich) erste Beitrag, der einen Überblick über die praktischen Auswirkungen einer wirkungsvollen Klimapolitik auf das tägliche Leben versucht. Bezeichnender Titel: „Verzichtserklärung“ – unter vielem anderen auf Flugreisen. Wenn nicht zumindest ganz Europa mitzieht, wäre ein wirtschaftliches Desaster mit einem Heer von Arbeitslosen die Folge. Dafür will niemand die Verantwortung übernehmen.

Also ist die Wahrheit der Öffentlichkeit nicht zumutbar? Doch: In Zukunft wird es mehr darum gehen, mit dem Klimawandel zu leben, als ihn zu verhindern. Dafür ist es notwendig, die noch vielen nicht ausgeschöpften Möglichkeiten zu einer Verbesserung der Klimabilanz zu nutzen. So würde alleine die seit vielen Jahren durch unverständliche bürokratische Hürden verhinderte Zusammenführung des europäischen Luftraumes zu einer „Single Sky“ mehr Emissionen einsparen, als jede Kerosinsteuer. Um für solche Maßnahmen die nötige Unterstützung in der Öffentlichkeit zu finden, ist Wahrheit unverzichtbar.

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