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Der mühsame Weg zur Digitalisierung

Print-Ausgabe 22. September 2017

Als Premiere einer erstmalig gemeinsam von der Österreich Werbung, dem Wirtschaftsministerium und der Tourismus-Sparte der WKO in Linz durchgeführten Veranstaltung waren die „1. Österreichischen Tourismustage“ ein schöner Erfolg: Die kaum aufgehübschte Industrieleiche der Post-City, die modernistische „voestalpine stahlwelt“ und das futuristische Ars Electronica Center boten einen vielfältigen und interessanten Rahmen für ein Branchenereignis der besonderen Art. Als Experiment für ein neues „Veranstaltungsdesign“ brachten sie eine wertvolle Erkenntnis: So wird es kaum gelingen, ein komplexes Thema wie die „digitale Transformation“ einer sehr breit aufgestellten Branche wirklich nahe zu bringen.

Lichtschalter oder Handy?

Die Idee war, den ersten Tag in Zusammenarbeit mit der Ars Electronica – bekanntlich ein Festival digitaler Kunst – als Themensymposium zu gestalten, das den Stand der technologischen Entwicklung zeigt, und am zweiten Tag diesen auf die Ebene des Tourismus herunter zu brechen. Tatsächlich wurde nach der offiziellen Eröffnung am ersten Tag der Tourismus  bestenfalls von den Moderatoren erwähnt, die ankündigten, dass im nächsten Beitrag (endlich) ein für den Tourismus relevantes Thema behandelt würde, wovon dann allerdings wieder keine Rede war. Dass sie vom Inhalt der von ihnen angekündigten  Vorträge offensichtlich wenig Ahnung hatten, war doch ein wenig peinlich. Es ging um „Deep Learning“, um voneinander lernende Maschinen mit „Artificial Intelligenz“, der künstlichen Intelligenz bis zur Spracherkennung. Wie aufwendig ihre Entwicklung ist, wurde eindrucksvoll dargestellt, warum es offenbar dringend notwendig wäre, den Menschen als Gesprächspartner und Auskunftsquelle durch eine Maschine mit aufgemaltem Gesicht zu ersetzen, eher nicht. Auch nicht, ob es sinnvoll wäre, beim nächsten Investitionsschub noch Lichtschalter vorzusehen oder – das „Internet der Dinge“ macht’s möglich – sich besser gleich darauf einzustellen, dass von der Beleuchtung über die Heizung bis zum Kühlschrank und Fernseher alles per Handy gesteuert wird.

Deutlich zeigte sich, dass die Welt der Digitalisierung für Menschen ohne spezielle Vorbildung immer unzugänglicher wird. „Internationale Top – Speaker“, wie sie in Linz zu Wort kamen, haben ihre eigenen Denkmuster entwickelt und eine eigene Sprache mit spezieller Begriffsstruktur und einem gewöhnungsbedürftigen Idiom: Alles Englisch, aber mit starker ethnischer Prägung. Das Auditorium reagierte erwartungsgemäß: Die Zahl der Aussteiger, die mit ihrem Smartphone spielten oder ihre E-Mail – Korrespondenz am Tablett erledigten, wurde mit der Dauer der Vorträge immer größer. Trotzdem wollte im direkten Gespräch kaum jemand zugeben, dass er eigentlich nur „Bahnhof“ verstand – nicht nur aus Höflichkeit gegenüber den Bemühungen des Veranstalters: Das Gefühl, den Anschluss an eine die Zukunft entscheidende Entwicklung zu verlieren, verunsichert zutiefst. Die Art, wie sich ÖW-Chefin Petra Stolba mehrfach beim Publikum dafür bedankte, dass so viele so lange ausgeharrt haben, ließ erkennen, dass die Botschaft angekommen ist: Man kann damit rechnen, dass die ÖW auf dem Thema Digitalisierung drauf bleibt und dabei eine Flughöhe einhält, auf der ihren Passagieren die Luft nicht zu dünn wird.

Viel Luft nach oben

Der zweite Veranstaltungstag war dem  Tourismus um einiges näher. Im Vordergrund stand Marketing auf der Basis von Big Data: Personalisierte Werbung, bei der die für den Adressaten maßgeschneiderte Botschaft zum richtigen Zeitpunkt über den richtigen Kanal ans Ziel gebracht werden soll. Ob die als sensationell eingeschätzten Möglichkeiten der neuen Technologie auch die entsprechenden Erfolge bringen, muss sich erst zeigen. Aus der Sicht der Beworbenen unterscheidet sich das, was bei ihnen als Botschaft ankommt, noch wenig von dem, was man aus der analogen Steinzeit kennt, wenn man davon absieht, dass  neben Glückwunschpostkarte, Plakat und Inserat nun auch per E-Mail und Facebook übermittelt wird.

Wenn Kunden, die bei Amazon – bekanntlich einer der Größten in der digitalen Welt – einen Damen -Hausanzug gekauft haben, auch noch zwei Jahre nachher bei jedem Kontakt einen solchen angeboten bekommen, dann zeigt das eines deutlich: Nach oben ist noch sehr viel Luft.

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