Print-Ausgabe 6. Oktober 2017
T.A.I.: Die neue ÖVP Liste Kurz hat als Wahlversprechen die Senkung der Mehrwertsteuer auf Logis – die dem Staat Mehreinnahmen von rund 150 Mio. Euro pro Jahr bringt – abgegeben. Wie wollen Sie jenen WählerInnen, die nicht aus der Tourismusbranche sind, angesichts der Nächtigungsrekorde diesen Schritt erklären?
Harald Mahrer: „Es ist Zeit für Neues. Und neue Politik heißt, getroffene Entscheidungen laufend zu bewerten und auch offen zu sagen: ‚Das war keine richtige Entscheidung, hier sollten wir nachjustieren.‘ Es stimmt: Die Nächtigungsrekorde und steigenden Gästezahlen sind sehr erfreulich, allerdings sind dies nicht die einzigen Kennzahlen zur Bewertung der Realitäten der Branche. Wir sehen, dass Umsätze nicht im erforderlichen Ausmaß steigen, was sich für die Branche ertragsseitig negativ auswirkt. Hinzu kommt, dass die Tourismusbranche in einem harten Wettbewerb steht und rund um Österreich niedrigere Steuern gelten.“
T.A.I.: Welches ist realistisch der ehest mögliche Zeitpunkt, zudem die Senkung in Kraft treten kann?
Mahrer: „Mit gutem Willen von allen wäre meiner Meinung nach möglich, dass die Senkung im ersten Halbjahr 2018 in Kraft treten kann.“
T.A.I.: Ist die mehrfach geäußerte Formulierung ‚in breitem Konsens‘ eine Hintertür, um am Ende doch keine Mehrwertsteuer-Senkung durchzuführen oder gilt diese Maßnahme als Koalitionsbedingung?
Mahrer: „Diese Maßnahme hat für uns hohe Priorität und muss von der zukünftigen Bundesregierung auf den Weg gebracht werden, damit diese Senkung im Parlament beschlossen werden kann. Wenn die neue Volkspartei wieder der Bundesregierung angehört, werden wir uns ganz klar dafür stark machen.“
T.A.I.: Themenwechsel: Sie haben im Zuge der „Digitalisierungsstrategie“ 22 Maßnahmen festgelegt. Bis wann werden diese konkret abgearbeitet?
Mahrer: „Es geht um einen laufenden Prozess. Unsere Strategie ist ein lebendiges Papier, das sich kontinuierlich weiterentwickeln wird. Digitalisierung kann nie abgeschlossen sein. Bei den 22 Maßnahmen gibt es Vorhaben, die sehr rasch umgesetzt werden, z. B. das KMU DIGITAL Förderungsprogramm, für das wir bereits den Startschuss gegeben haben. Auch das Förderprogramm ‚Forschungskompetenz für die Wirtschaft‘ wird mit einem Call im 4. Quartal 2017 den Schwerpunkt ‚Digitalisierung im Tourismus‘ setzen. Maßnahmen, wie die Förderung innovativer Leuchtturmprojekte, die Weiterentwicklung touristischer Lehrberufe oder die Erfassung möglichst vieler tourismusrelevanter Daten in einem ÖW-Daten Hub sollen im Jahr 2018 gestartet werden.“
T.A.I.: Digitalisierung ist nur eines von vielen Themen, welche Österreichs Tourismus und Hotellerie unter den Fingernägeln brennt. Die Prodinger Gruppe hat dazu ein Ideenpapier erarbeitet, das mehrere Handlungsfelder definiert. In wieweit wird dieses Ideenpapier in Ihre Arbeit als Minister einfließen?
Mahrer: „Wir nehmen alle Vorschläge ernst. Viele dieser Ideen sind gar nicht so neu, denn sie finden sich schon im Wahlprogramm der neuen Volkspartei. Bei der Mehrwertsteuer auf Übernachtungen treten wir für eine Senkung ein. Außerdem haben Abschreibungsregelungen, die fern dem realen Investitionszyklus wirtschaftlichen Realität waren, die Investitionsfreudigkeit gehemmt. Hier müssen wir Regelungen schaffen, die sich an der wirtschaftlichen Realität orientieren. Bei der Körperschaftssteuer gehen die Vorstellungen der neuen Volkspartei weit über die Forderungen bestimmter Ideenpapiere hinaus.“
T.A.I.: Können Sie uns drei Punkte nennen, warum Österreichs TouristikerInnen gerade diesmal der „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“ ihre Stimme geben sollen?
Mahrer: „Weil Schluss ist mit dem Weiterwursteln – wir müssen neue Wege gehen. Wir wollen den Tourismusstandort mit all seinen Herausforderungen gemeinsam in eine gute Zukunft führen und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe stärken. Dies wollen wir durch Maßnahmen, wie die schon erwähnte Senkung der Mehrwertsteuer, beste digitale Infrastruktur in den Regionen, die Abschaffung der Körperschaftssteuer auf nicht entnommene Gewinne, die Senkung der Lohnnebenkosten, mehr Arbeitszeitflexibilisierung, eine echte Entbürokratisierung und eine praxisnahe Abschreibungsregelung erreichen.“
T.A.I.: Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Haben Sie seit Ihrem Eintritt in die Bundesregierung jemals diesen Schritt bereut? War die eine oder andere Maßnahme, die Sie mitbeschlossen haben, nicht doch ein Fehler?
Mahrer: „Ich habe meine Entscheidung keinen einzigen Tag bereut. Mein Ziel war immer, zu gestalten und ein Teil einer positiven Veränderung für unser Land zu sein. Ich habe viele Dinge auf den Weg gebracht, wie z. B. die erste Open Innovation Strategie Europas, die Innovations-Stiftung für Bildung, die erste Blockchain Austria Roadmap und auch eine klare Gesamtdigitalisierungsstrategie für Österreich. Und ich meine, dass jeder politisch aktive Mensch gut beraten ist, seine Entscheidungen und Maßnahmen laufend zu bewerten, wie das für einen Unternehmer daily business ist. Ich denke da besonders an den schleppenden Breitbandausbau. Da waren die Ambitionen bisher zu gering.“
Erstellt am: 06. Oktober 2017
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