T.A.I. Exklusiv-Interview

„Wir müssen Löcher bohren in die sturen Bretter der Politik“

Print-Ausgabe 24. März 2017

Der Nächtigungsrekord in Österreichs Tourismus (2016 wurde erstmals die 140 Millionen-Marke überschritten) und der im Februar 2017 mit 221.432 Beschäftigten im Tourismus erzielte Bestwert (dies entspricht einem Zuwachs um 25 Prozent in den zurückliegenden zehn Jahren) vermitteln der Politik ein rosiges Bild über die Branche. Doch in den Betrieben sieht die Realität anders aus. Wie genau und welche Maßnahmen heuer die Bundessparte Tourismus in der WKÖ (Wirtschaftskammer Österreich) ergreifen will, um die Branche aus der Belastungsspirale herauszuführen, darüber sprach T.A.I. mit Spartenobfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher.

T.A.I.: Wie ist bei Ihnen die Wintersaison gelaufen?

Nocker-Schwarzenbacher: „Zu Weihnachten waren wir in letzter Minute voll und haben eine gute Woche gehabt. Sonst sind Weihnachten und Neujahr 10 bis 12 Tage voll, der Druck normaler Weise sehr groß, aber heuer waren es durch die Feiertagskonstellation nur sechs bis sieben Tage. In der Region haben wir durch die Vier-Schanzen-Tournee noch einen Vorteil. Danach sind wir in ein Jänner-Loch gefallen. Das war in der ganzen Amadé-Region zu beobachten. Der Februar war wieder gut. Wir konnten aufholen, aber noch keine schwarze Null erreichen. Der März sieht sehr gut aus – durch das Wetter und die Schneelage im Jänner hat es einige Buchungen gegeben, die uns jetzt zugutekommen.“

T.A.I.: Wie sieht es mit der Ertragssituation aus?

Nocker-Schwarzenbacher: „Die Gäste geben weniger aus, als früher. Als Hotelier ist man gefordert, mehr in Pakete zu schnüren, von der Nachmittagsjause bis zur ‚happy hour‘. Das ist nicht alarmierend, aber man spürt es. Generell haben wir hohe Lohn- und Lohnnebenkosten. Der Gast wünscht sich ein tolles Service. Dort wo früher ein Kellner gereicht hat, muss es jetzt ein Sommelier sein. Einige Betriebe haben zudem auf die 5-Tage-Woche umgestellt, das kostet natürlich. Dazu kommen enorme Aufzeichnungspflichten und viel Bürokratie. Wir haben z.B. im Brückenwirt, um Ruhezeiten nicht zu unterschreiten, eine eigene Frühstücksmannschaft installiert. Das bringt zwar eine bessere Arbeitsqualität und kommt den MitarbeiterInnen entgegen, aber sorgt auch für höhere Kosten.“

T.A.I.: Wie sieht es aktuell mit den Kosten für Marketing und Internet aus?

Nocker-Schwarzenbacher: „Wir geben pro Monat zwischen 3.000 und 4.000 Euro für Marketing-Aktivitäten aus. Früher hat man einen Hotelprospekt erstellt und verschickt. Damit war alles erledigt. Seither haben sich die Buchungskosten, um einen neuen Gast anzusprechen, bis er im Haus ist, vervielfacht. Die Portale kosten 15 Prozent. Sie bringen zwar Gäste, die sonst nicht ins Haus gekommen wären, aber eben auch Kosten.“

T.A.I.: Welche Folgen sind bisher durch die Mehrwertsteuer-Erhöhung feststellbar?

Nocker-Schwarzenbacher: „Man kann sie teilweise an den Gast weiter verrechnen, aber im Falle von Pauschalen wird man das nur in kleinen Schritten machen können. Es wird ca. zwei bis drei Jahre dauern.“

T.A.I.: Wann wird die Politik angesichts dieser Entwicklungen zur Einsicht kommen, den Tourismus endlich zu entlasten?

Nocker-Schwarzenbacher: „Solange wir mit Nächtigungs- und Beschäftigungsrekorden kommen, wird’s nicht gehen, denn man glaubt, es ist ohnehin alles in Ordnung. Uns hat die Null-Zins-Politik geholfen, aber wenn sich das ändert, wird es große Probleme geben. Fairer Weise muss man aber auch positive Dinge erwähnen. So hat Minister Mitterlehner mit der Bestpreisklausel in Highspeed gearbeitet, das hat uns wirklich geholfen. Die Registrierkassen hingegen sind ein riesen Problem. Durch Anbindung und Adaptierung entstehen für ein Hotel Kosten von 22.000 Euro, in der Gastronomie sind es 8.000 Euro. Und wofür das alles? Was an Finanzeinnahmen erwartet wurde und was dann herausgekommen ist, liegt um Lichtjahre entfernt. Aber zuvor wurde die ganze Branche als Steuerhinterzieher dargestellt.“

T.A.I.: Ein aktuelles Thema ist die Neuregelung der Nebenrechte rund um den Entwurf zur Gewerbeordnung (GewO) neu. Wie sieht der derzeitige Stand der Dinge aus?

Nocker-Schwarzenbacher: „Es gab einen Ministerrats-Beschluss, aber es wird nach wie vor verhandelt. Die Jahresbetrachtung der 15- bzw. 30-Prozent Regel wäre für die Hotellerie vorteilhafter und uns lieber gewesen. Die sich jetzt abzeichnende Lösung ist auch in Ordnung, aber wir wissen nicht, was da bürokratisch alles auf uns zukommt und wie das geregelt wird. Ich fürchte, da kommt bereits das nächste Monster auf uns zu.“

T.A.I.: Die ursprüngliche Regelung sah die Jahresbetrachtung vor, erst durch die Stellungnahme der WKÖ kam es zur Einzelfallbetrachtung. Das erweckt den Eindruck, dass in der WKÖ die Wünsche der 300.000 Handwerks- und Gewerbebetriebe mehr zählen, als jene 90.000 der Tourismussparte. Stimmt das?

Nocker-Schwarzenbacher: „Ich hoffe nicht, dass das so entschieden wurde. Das Gewerbe hat tatsächlich Probleme, die gelöst gehören. Aber das Gewerbe steht definitiv nicht über dem Tourismus, auch wenn hier der Eindruck entsteht. Es waren auch Handel und Industrie dagegen. Der Tourismus war die einzige Branche, die für die jahresbezogene Betrachtung war.“

T.A.I.: Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihrer Arbeit für 2017?

Nocker-Schwarzenbacher: „Fixpunkte sind die Saisonverlängerung. Wir müssen alles dafür tun, damit wir für Drittstaaten die Saisonnier-Zahlen halten können. Österreichweit sind es im Sommer nur noch 750 und im Winter an die 1.000. Ziel ist die Aufnahme in die Liste der Mängelberufe. Ein weiteres Thema betrifft die Betriebsübergaben. Da gilt es, Löcher in die sturen Bretter der Politik zu bohren. Es geht darum, nicht immer nur Startups zu fördern, sondern auch, dass Betriebe der 4. und 5. Generation übergeben werden können. Generell wollen wir uns bemühen, die Branche für Beschäftigte attraktiver zu machen. Dabei werden wir uns u.a. in den Tag der offenen Hoteltür der ÖHV einklinken und ihn unterstützen. Ebenso wollen wir die Mobilität der Fachkräfte fördern.“

T.A.I.: Wie sehen Sie Ihre Rolle als Obfrau der Bundessparte Tourismus?

Nocker-Schwarzenbacher: „Ich bin zu einem Zeitpunkt Obfrau geworden, als es durch die Steuerreform in der Branche drunter und drüber gegangen ist. Wir haben dann versucht, zu retten, was noch zu retten ist. Wir sind ein Bindeglied zwischen der Branche und den Ministerien sowie zu den Sozialpartnern. Wir servicieren unsere Fachverbände, in denen viel passiert und die sehr viel leisten, was von der Branche nicht immer so honoriert wird. Wir punkten nicht mit dem, was wir abwehren können, das wird zu wenig honoriert, sondern effektiv nur durch das, was beim Betrieb ankommt. Das waren in letzter Zeit vorwiegend Belastungen. Eine Branche, die mit derart vielen Belastungen zu kämpfen hat, neigt am Ende dazu, das Negative zu sehen. Das versuchen wir umzudrehen.“

T.A.I.: Wie lauten Ihre Wünsche an die Politik?

Nocker-Schwarzenbacher: „Ich habe es bedauert, dass die Politik auf der ITB in Berlin durch Abwesenheit geglänzt hat. Dass Minister Reinhold Mitterlehner absagen musste, hatte terminliche Gründe, aber dass auch sein Vertreter kurzfristig nicht gekommen ist, war enttäuschend. Wir wissen, dass alle bemüht sind, dem Tourismus nicht zu schaden. Aber das ist zu wenig. Wir erwarten schon mehr Beachtung. Eine Branche, die 15 Prozent vom BIP produziert, sollte entsprechend ernst genommen werden.“

Kurzportrait Petra Nocker-Schwarzenbacher

Petra Nocker-Schwarzenbacher führt den „Brückenwirt“ Tennerhof in St. Johann im Pongau, dessen Wurzeln mehr als 150 Jahre zurückreichen, in dritter Generation. Die ÖVP-Politikerin (Gemeinderätin, bis 2009 Vizebürgermeisterin) und seit 2014 Obfrau der Bundessparte Tourismus in der WKÖ absolvierte die Hotelfachschule in Bad Gastein, gefolgt von Praktika in Australien und den USA. Mit 28 Jahren übernahm sie den elterlichen Betrieb, den sie zum 4-Sterne-Hotel ausbaute. In dem Ganzjahresbetrieb mit 60 Zimmern sind je nach Saison 25 bis 30 MitarbeiterInnen beschäftigt, das Stammteam besteht aus 20 MitarbeiterInnen. Die Jahresauslastung erreicht 60 Prozent. Petra Nocker-Schwarzenbacher ist verheiratet und hat zwei Töchter.

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