Print-Ausgabe 16. August 2024
Auch gegenüber T.A.I. nimmt der NEOS-Abgeordnete Sepp Schellhorn kein Blatt vor den Mund – die Situation Österreichs könne man mit vier „F“ beschreiben
Seine Beiträge auf Instagram (@pepssch) sind legendär, sein Rücktritt vom Rücktritt Tatsache und jetzt ist er wieder voll in seinem Element: Sepp Schellhorn, der im Spätherbst vorigen Jahres wieder bei den NEOS politisch aktiv wurde und seit Ende Februar 2024 als Tourismus- sowie Kunst- & Kultursprecher seiner Partei fungiert, als Vorgänger und Nachfolger von Julia Seidl, die sich als Spitzenkandida- tin der NEOS in Innsbruck 2024 voll auf die Gemeinderatswahl konzen- trierte. T.A.I. bat Sepp Schellhorn im Vorfeld der Nationalratswahlen zu einem Gespräch.
T.A.I.: Vor rund drei Jahren legten Sie alle politischen Funktionen zurück, seit 28. Februar sind Sie wieder im Nationalrat. Was hat Sie Ende Juni 2021 bewogen auf- zuhören und was war der Grund jetzt zurückzukehren.
Sepp Schellhorn: „Ich war ausgebrannt. Die Corona-Zeit war sehr belastend und ich war nicht nur Unternehmer und damit verantwortlich für etliche Betriebe, sondern auch Abgeordneter und NEOS-Wirtschafts,- Kultur und Tourismussprecher, also die drei durch die Pandemie am schwersten belasteten Branchen. Dazu kamen die Herausforderungen rund um das Wiederaufsperren in den eigenen Betrieben sowie die Übergabe an unseren Sohn Felix. Dieser Prozess wurde zwei Jahre lang von einem externen Consultant begleitet und brauchte viel Aufmerksamkeit. Ich bin aber ein politischer Mensch und ich will etwas gegen diesen elenden Stillstand tun. Ich will nicht nur zusehen und darüber jammern, dass unser Standort den Bach hinunter geht, ohne für eine Veränderung zu kämpfen. Als Unternehmer kenne ich die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt nicht nur vom Hören sagen, umso mehr spüre ich eine Verantwortung, etwas zu tun.“
T.A.I.: Für welche Bereiche sind Sie jetzt bei den NEOS zuständig?
Sepp Schellhorn: „Ich bin wieder Tourismussprecher und habe den Bereich Kunst & Kultur. Das ist ausfüllend. Beide haben die Metapher, dass sie Menschen zueinander bringen und verbindend wirken. Dieses praktiziere ich derzeit auch auf meiner Stammtisch-Tour quer durch Österreich. Es geht ums Diskutieren, darum, andere Meinungen auszuhalten und zuzuhören. Im besten Fall gelingt Verständnis und es läuft der Schmäh.“
T.A.I.: Was meinten Sie vorhin mit der Aussage: „Sie wollen nicht mehr nur zusehen“?
Sepp Schellhorn: „Beides – also Tourismus sowie Kunst & Kultur – sind Branchen, die einen hohen Dienstleitungsfaktor und einen großen Bezug zur Arbeit haben, aber keine politische Vertretung. Durch die Teuerung ist der Konsum eingebrochen. Die Regierung wollte den Konsum mit der Gießkanne ankurbeln, aber der Konsum springt nicht an. Dieses Konzept wird uns also nicht aus dem Tal ziehen. Dafür preisen wir uns jetzt dank der horrend gestiegenen Lohnkosten aus den Märkten und verlieren den Anschluss. Die Industrie und der Bau beginnen bereits Arbeitskräfte abzubauen. In der Gastronomie und Hotellerie hält zwar der Umsatz aber durch die Kostenstruktur brechen die Gewinne ein. Unsere Deckungsbeiträge sind im Arsch. Das können Sie so schreiben!“
T.A.I.: Was konkret können Sie dagegen tun? Anders gefragt: Werden die NEOS der künftigen Regierung angehören?
Sepp Schellhorn: „Das wird die Wahl entscheiden. Fest steht, die ÖVP ist keine Wirtschaftspartei, sondern vertritt seit 35 Jahren in der Regierung nur mehr die Interessen der Beamten, Bauern und Pensionisten. Herr Babler irrlichtert beim Thema Wirtschaft ebenfalls. Wer soll hier ein fähiger Regierungspartner sein? Wir NEOS wollen als einzige Partei einen Reformkurs und dieses Land von überbordender Bürokratie und Regulierung befreien. Wir wollen einen schlanken, leistungsfähigen Staat wie die Schweiz oder Dänemark. Ich will einen gezähmten Föderalismus, klare Kante in der Integration und vor allem für Mitarbeiter:innen 10 % mehr Netto vom Brutto! Unsere Wettbewerbsfähigkeit schmilzt uns gerade unter dem Hintern weg. Es liegt jetzt an den Wähler:innen aufzuwachen.“
T.A.I.: Das ist eine starke Aussage. Wie meinen Sie das?
Sepp Schellhorn: „So wie ich es sage. Wir haben das teuerste Ge- sundheits -und Bildungssystem der Welt aber mit einem miesen Output. Kein Land koppelt die Sozialhilfe an die Familientransferleistungen und fördert damit dermaßen den Verbleib in der Inaktivität – auf Kosten der erwerbstätigen Bevölkerung. Wir haben die teuerste und gleichzeitig am wenig effizienteste Form des Föderalismus. Ich zitiere da gerne den früheren Finanzminister Schelling: ‚Wir leben in einem Land, in dem jeder für etwas zuständig ist, aber keiner für etwas verantwortlich!‘ Man kann unsere derzeitige Situ- ation in unserem Land auch mit vier ‚F‘ definieren: nicht gelebter FÖDERalismus, bei doppeltem bis dreifachem FÖRDERalismus, was zu einem FLADERalismus führt, bei gleichzeitigem FEUDALismus der Landesfürsten.“
T.A.I.: Was wäre darauf die Ant- wort der NEOs?
Sepp Schellhorn: „In Österreich müssen die Lohnnebenkosten und Steuern runter, damit die Nettolöhne steigen. Finanzierbar wäre das allemal durch die Streichung der vielen Doppelgleisigkeiten im System. Wir können im jetzigen föderalen System gut 10 Mrd. Euro einsparen, ohne dass sich damit die Leistungen für die Bevölkerung verschlechtern. Die Schweiz macht es vor. Es braucht ein schlankes, transparentes System. Und wir müssen Wettbewerb wollen und zulassen! 12 Mrd. Euro würden bereits reichen, damit alle Mitarbeiter:innen mehr Netto vom Brutto erhalten.“
T.A.I.: So wie Sie das darlegen, klingt das alles sehr einfach …
Sepp Schellhorn: „Es bräuchte nur endlich den Willen, die drängenden Aufgaben parteiübergreifend anzugehen. Diese Bereitschaft fehlt aus Feigheit und Bequemlichkeit. Wir sind das Land mit drei Organisationen in der Außenhandelsvertretung und mit den neuen Länderbüros für Start-ups. In jedem Bundesland eine eigene Ansiedlungsagentur, das ist Geldverschwendung!“
T.A.I.: Wie realistisch ist eine Re- gierungsbeteiligung der NEOS nach den Nationalratswahlen?
Sepp Schellhorn: „Wer Nehammer wählt, wählt Kickl und damit jemanden, der Victor Orban für sein Vorbild hält. Wer den Wirtschaftsstandort vollends ruinieren will, wählt Schwarz, Blau, Grün oder Rot. Der Gedanke, dass nur verteilt werden kann, was zuvor erwirtschaftet wurde, ging bei all diesen Parteien verloren.“
T.A.I.: Wie stehen im Gegenzug dazu die Chancen für eine 3er-Koalition von NEOS, SPÖ und Grünen?
Sepp Schellhorn: „Die Chance für eine 3er-Koalition ist gegeben, aber die viel entscheidendere Frage ist: Wer hat die Eier, um eine Reformagenda mit uns umzusetzen?“
Erstellt am: 16. August 2024
Bitte die Netiquette einhalten. * Pflichtfelder