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Interview mit dem neuen ÖHV-Präsidenten

Walter Veit: „Land in Sicht, aber das Anlanden wird kein Spaziergang“

Print-Ausgabe 18. Februar 2022

Erschwerend wirken Fachkräftemangel, sich kurzfristig ändernde Regularien und – trotz sich aufhellender Horizonte – über die Pandemiedauer hinweg bleibende Verluste

Mitte Jänner wurde Walter Veit offiziell zum neuen Präsidenten der ÖHV (Österreichische Hoteliervereinigung) gewählt. Der Hotelier aus Obertauern (4-Sterne superior Hotel & Zirbenspa Enzian, 61 Zimmer) fungierte bereits seit 2019 als Vizepräsident und folgte nun der seit 2013 amtierenden Präsidentin Michaela Reitterer (Boutiquehotel Stadthalle Wien, 79 Zimmer). T.A.I. berichtete online über die Antrittspressekonferenz von Walter Veit, jetzt traf sie ihn zum Interview.

T.A.I.: Welche Prioritäten haben Sie sich als neuer Präsident der ÖHV für die ersten Monate gesetzt?

Walter Veit: „In den ersten Monaten wird sich alles um die Überwindung von Pandemie und Wirtschaftskrise drehen. Die ÖHV ist da seit mittlerweile zwei Jahren mit 120 % der Ressourcen tagtäglich im Einsatz. Da geht es einerseits um Entschädigungen für die betrieblichen Einschränkungen, die wir für die Eindämmung der Infektionszahlen auf uns nehmen, es geht um Höhe und mehr Tempo bei den Überweisungen und um die Reduktion des bürokratischen Aufwands. Auf der anderen Seite geht es um die Anwendbarkeit: Niemand kann mir erklären, warum eine Einreise 270 Tage nach dem zweiten Stich erlaubt ist und die Unterbringung im Hotel nur bis zum 180sten Tag. Das macht keinen Sinn.“

T.A.I.: Wie sieht es mit dem Thema Fachkräfte aus? Handelt es sich da um ein von der Pandemie ausgelöstes Problem oder sind andere Dinge dafür verantwortlich?

Walter Veit: „Das ist kein neues Phänomen, es wurde durch die Krise aber akut verschärft – zum Teil auch durch falsche Politik: Unsere Regierung hat durch das Schließen der Hotels die Mitarbeiter*innen geradezu ins Ausland getrieben, wissend, dass wir mehr offene Stellen haben, als wir besetzen können. Dazu kommen langfristige Megatrends, wie der große Shift weg von der körperlichen Arbeit hinein in die Büros. Was wir in dieser zugespitzten Lage nicht brauchen können, sind Arbeitgeber*innen und vor allem Ausbilder*innen, die im vergangenen Jahrhundert steckengeblieben sind. Deshalb habe ich mir mit meinem Team diesen ganz zentralen Bereich als zweiten Schwerpunkt für die kommenden Jahre vorgenommen.“

T.A.I.: Welches wären Ihrer Meinung nach die geeignetsten Maßnahmen, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen?

Walter Veit: „Da wird es ein ganzes Bündel brauchen. Wir wollen die schwarzen Schafe so weit wie möglich aus der Ausbildung bekommen. Zentral wird ein Umdenken bei der Lehre und den Praktika im Rahmen der Ausbildung sein. Wir sind dazu in Kontakt mit allen Playern, von den zuständigen Ministerien über die Tourismusschulen bis hin zur Gewerkschaft. Und wir wollen beim ÖHV-Kongress von 2. bis 4. Mai 2022 erste Lösungsansätze präsentieren. Das ist ambitioniert, wenn man sich den jahrelangen Stillstand in dem Bereich ansieht, aber ich bin überzeugt, dass uns das gelingt.“

T.A.I.: Apropos Stillstand: Im Vorjahr hatten wir um dieselbe Zeit im Tourismus einen langen Lockdown. Heuer dürfen alle Betriebe offenhalten. Bringt das nicht eine erhebliche Erleichterung?

Walter Veit: „Alles ist besser als ein Lockdown, der Mitarbeiter*innen und Unternehmer*innen Perspektiven, Chancen und Einkommen raubt und Gäste vertreibt. Betriebswirtschaftlich ist es immer noch schwierig: Die Aufwände sind enorm gestiegen, die Einnahmen geschrumpft. Dazu kommen komplexe, widersprüchliche, sich ständig kurzfristig ändernde Regularien, die für Verwirrung, Ärger und hohe Kosten sorgen. Da sind wir noch nicht über den Damm. Aber es sieht besser aus als noch vor kurzem. Der Tourismus, das Aushängeschild Österreichs, wurde arg gebeutelt von der Krise, kam als erster dran und spürt die Nachwehen viel länger als andere Branchen. Wir sind immer noch nicht in ruhigen Gewässern. Aber es ist Land in Sicht – auch wenn vor uns noch stürmische See liegt und zerklüftete Klippen. Das Anlanden wird kein Spaziergang.“

T.A.I.: Das betrifft auch die Auslastung. Sie hofften Mitte Jänner, „dass für die kommenden Monate noch etwas dazu kommt.“ Kam etwas dazu?

Walter Veit: „Es kam zumindest nichts mehr weg und wir hören von einer Stabilisierung der Nachfrage und regional auch von zunehmendem Interesse. Das schlägt sich noch nicht in vielen Buchungen nieder, aber schön langsam geht es in Richtung Wirtschaftlichkeit. Um einen ehemaligen Gesundheitsminister zu zitieren: Die nächsten Wochen werden entscheiden. Aber bei uns stimmt es. Schwarze Zahlen sind in Reichweite. Übers Jahr gesehen bzw. über die Pandemiedauer hinweg werden uns Verluste bleiben, und zwar in einem hohen Ausmaß, das schmerzt.“

T.A.I.: Ihre Vorgängerin Michaela Reitterer ist Hoteliere eines Stadt­hotels, Sie sind Hotelier eines Ferienhotels in einer starken Winterdestination. Erleichtert dies nicht Ihre Arbeit mit Betrieben in Westösterreich?

Walter Veit: „Das ist mehr ein Etikett, als dass es tatsächlich ausschlaggebend wäre. Wir sind in der ÖHV ja ein ganzes Board an Unternehmer*innenn aus allen Bereichen und Regionen und im ständigen Austausch. Ich bin seit Jahrzehnten über die ÖHV, die Hogast und die Wirtschaftskammer andauernd in Kontakt mit den Kolleg*innen. Michaela Reitterer hat die gesamte Branche in einer sehr schwierigen Zeit ganz hervorragend vertreten und gerade auch für die Ferienhotellerie viel erreicht. Ich kann absolut bestätigen, dass die Ferienhotellerie um nichts schlechter vertreten wurde. Und ich traue mich zu behaupten, dass das Wissen aller Kolleg*innen, die in der Standesvertretung aktiv sind, allemal reicht, um die Politik optimal zu beraten. Und genau darum geht es. Da muss die Politik nur noch zuhören und die richtigen Entscheidungen treffen. Wenn wir noch wo Luft nach oben haben, dann da.“

T.A.I.: Bei Ihrer Antrittspressekonferenz betonten Sie, „dass wir von der Politik geschätzt werden.“ Trotzdem sehen Sie noch „Luft nach oben“. Wie steht es um die Kontakte zum Tourismus-, Wirtschafts- & Finanzministerium?

Walter Veit: „Mein Team und ich sind da schon im laufenden Kontakt, das ist schon fast wie eine Hotline. Es gibt einen ständigen Austausch und eine Basis, auf der wir aufbauen können. Jetzt fehlt uns nur noch das ‚rote Telefon‘ zum Gesundheitsminister!“

T.A.I.: Das bringt uns schon zur Schlussfrage: Wenn Sie Anfang 2023 Bilanz über Ihr erstes Jahr als ÖHV-Präsident ziehen, was würden Sie sich wünschen, Ihren Mitgliedern sagen zu können?

Walter Veit: „Dass wir die Krise gut überstanden haben! Der Winter wieder an die Saisonen vor der Krise anknüpft, und dass wir erste merkliche Erfolge beim Zukunftsthema Arbeitsmarkt erreichen konnten und wir uns jetzt voll und ganz auf den nächsten Zukunftsthemen widmen können. Das wäre eine erste schöne Zwischenbilanz mit Ausblick.“

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