ANA
Tourismuspolitik

„Von Regierungs-Bashing in so einer Situation halte ich nicht viel“

Print-Ausgabe 9. Oktober 2020

Tourismusministerin Köstinger ist davon überzeugt, „dass sich der Tourismus nach der Krise rasch erholen wird“.


 

Tourismusministerin Elisabeth Köstinger im T.A.I.-Gespräch über Maßnahmen der Regierung, Kritik der Opposition, den Corona-Sommer und den kommenden Winter

Corona hat den Alltag fest im Griff. Folgt man der Argumentation der Bundesregierung, macht sie alles richtig. Auch im Tourismus. Laut der Opposition macht die Regierung alles falsch. Da stellt sich zwangsläufig die Frage, wie Tourismusministerin Elisabeth Köstinger die Situation sieht?

„Der Tourismus ist mit Sicherheit die am stärksten betroffene Branche, auch ein halbes Jahr nach Beginn dieser Pandemie“, gibt sie im Gespräch mit T.A.I. zu bedenken. „Zuerst der Lockdown, dann das langsame Wieder-Hochfahren mit vielen Auflagen – das alles fordert die Gastronomie, die Beherbergung, die Veranstalter, die Freizeitbetriebe, aber auch Reiseveranstalter und Reisebüros ganz extrem.“

Von „alles richtig“ oder „alles falsch“ könne in diesem Umfeld nicht die Rede sein: „Wir geben alles, um der Branche in dieser schwierigen Zeit zur Seite zu stehen und sie bestmöglich zu unterstützen“, betont Köstinger und versichert: „Wir stehen in engem Kontakt mit den Branchenvertretern, über unzählige Videokonferenzen, Telefonate und persönliche Treffen.“ Gleichzeitig stellt sie klar: „Dort, wo Maßnahmen nicht ausgereicht haben oder verbessert werden mussten, haben wir das getan. Von Regierungs-Bashing in so einer Situation halte ich naturgemäß nicht viel.“

Erfreulich war jedenfalls der Sommerverlauf in der Ferienhotellerie. „Erinnern wir uns: Im Mai oder im Juni hat kaum jemand gedacht, dass wir die Sommersaison halbwegs gut hinbringen“, so die Tourismusministerin. Der Start war schwer, die Situation habe sich dann von Woche zu Woche verbessert und am Ende ist Österreichs Ferienhotellerie „einigermaßen gut über den Sommer gekommen.“ Köstinger: „Im August nächtigten sogar deutlich mehr österreichische Gäste im Inland – das ist ein Plus von 22,6 % auf 6,6 Mio. und der bisher am höchsten erhobene August-Wert.“ Ebenso bemerkenswert sei die Zunahme der deutschen Gästenächtigungen im August um 2,8 % auf 7,9 Mio. (im Vergleich zum August des Vorjahres). Köstinger: „Dieses erfreuliche Ergebnis ist vor allem auf die gute Arbeit der UnternehmerInnen, aber auch auf die Arbeit der ÖW und der LTOs zurückzuführen.“

Es gäbe aber Bereiche, „die leider immer noch ganz anders aussehen, wie zum Beispiel der Städte- und Kongresstourismus. Aber auch in der Nachtgastronomie, für die Reiseveranstalter, Reisebüros und in anderen Sektoren werden die Folgen noch lange zu spüren sein.“ Generell seien die Aussichten für den Rest des Jahres „weiterhin schwierig“, so Köstinger. „Die Reisewarnungen tragen nicht zur Beruhigung bei – ganz im Gegenteil.“

Eine Prognose über den Verlauf der Wintersaison 2020/21 sei derzeit nur schwer möglich: „Dafür gibt es zu viele Unbekannte – vor allem die epidemiologische Entwicklung, Reisewarnungen etc.“, so Elisabeth Köstinger. „Wir alle wissen, dass der bevorstehende Winter für die Branche enorm wichtig ist.“ Voraussetzung und Basis für die Wintersaison sei, „dass wir die Infektionszahlen runter bekommen.“ Für die Tourismusministerin steht deshalb fest: „Drei Punkte werden uns neben der Eigenverantwortung auch im Winter begleiten: klare Regeln für Unternehmen und Gäste, Präventionskonzepte für maßgeschneiderte Lösungen und testen, testen, testen.“

So werde das seit Anfang Juli laufende Projekt „Sichere Gastfreundschaft“ (MitarbeiterInnen in der Beherbergung und Gastronomie können sich kostenlos testen lassen) auf SkilehrerInnen ausgeweitet. Auch wenn es bei dem Projekt viel Kritik von der Opposition gab, steht für Köstinger der Erfolg der Aktion außer Zweifel: „Wir haben bisher rund 300.000 Testungen durchgeführt. Keine andere Berufsgruppe ist so umfassend getestet wie die Beschäftigten im Tourismus.“

Zurück zum kommenden Winter: „Wenn wir uns den heurigen Sommer anschauen, dann wissen wir, was der Schlüssel ist: Niedrige Infektionszahlen und maximale Sicherheitsmaßnahmen.“ Wenn es gelänge, die Infektionszahlen zu reduzieren und aufrechte Reisewarnungen wieder zurückgenommen werden, „dann kann auch in Österreich Winterurlaub stattfinden und erholsam und bereichernd sein. Vielleicht ein bisschen anders als in den Vorjahren – aber dafür sicher.“

Stichwort Reisewarnungen: Hier kocht jedes EU-Land sein eigenes Süppchen. Ebenso bei den übrigen Maßnahmen: So dürfen in Bayern z.B. Seilbahnkabinen nur mit 35 % der möglichen Gäste fahren, in Österreich sind es 100 %. Wäre da nicht eine einheitliche, länderübergreifende Lösung zielführend? Köstinger: „Ich bin in laufendem Austausch mit meinen KollegInnen aus ganz Europa, um transparente Regelungen zu erreichen und auch ein abgestimmtes Vorgehen voranzutreiben.“ Einfach sei dies nicht: „Man darf nicht vergessen, dass viele Länder in Europa föderal organisiert sind. Alleine in Deutschland gelten sehr unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern.“ Von harmonisierten Regelungen sei man also noch entfernt, „aber zumindest der Informationsaustausch muss besser funktionieren.“

Nochmals zu den Bereichen, die besonders leiden, wie Städtetourismus, Reisebüros, Reiseveranstalter sowie die Event-, Tagungs- und Kongressbranche: Was tut die Regierung, um den betroffenen Betrieben und MitarbeiterInnen zu helfen? Köstinger: „Hier sind die Aussichten auch in den nächsten Monaten besorgniserregend.“ Speziell für die Event- oder Kongressbranche werde ein Schutzschirm mit einem Volumen von 300 Mio. Euro gespannt, „damit zumindest wieder mit der Planung von Veranstaltungen begonnen werden kann.“ Ende Oktober würden die genauen Rahmenbedingungen feststehen, sodass die Maßnahme noch 2020 realisiert werden könne. Die Abwicklung soll über die Österreichische Hotel- und Tourismusbank (ÖHT) erfolgen.

Zum Abschluss noch ein Blick in die Kristallkugel: Wann rechnet die Tourismusministerin mit dem Ende der Corona-Pandemie und wie wird sich Österreichs Tourismus dann darstellen? Köstinger: „Es gibt Hoffnungsschimmer: Impfungen und Medikamente sind in Entwicklung, und erste Schnelltests könnten bald für viele Anwendungsfälle zum Einsatz kommen. Aber wann die Pandemie wirklich zu Ende ist, kann keiner von uns sagen.“

Köstinger ist davon überzeugt, „dass sich der Tourismus nach der Krise rasch erholen wird – und auch erholen muss!“ Denn der Tourismus sichere Arbeitsplätze und schaffe Wohlstand in sehr vielen Regionen Österreichs. Eines gibt sie in diesem Zusammenhang zu bedenken: „Wenn man an den Tourismus denkt, stehen immer die Hotels, Gastronomie- und Freizeitbetriebe im Fokus. Aber es geht um viel mehr, um die gesamte Wertschöpfungskette im ländlichen Raum. Die Branche gibt zehntausenden Familien und Betrieben Arbeit und Einkommen, das sollte niemand unterschätzen.“ 

Kommentar schreiben

Bitte die Netiquette einhalten. * Pflichtfelder

Nach oben