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Interview Sepp Schellhorn

„Schreiben ein Programm, wie man Österreich reformieren kann“

Print-Ausgabe 30. Juni 2017

Er ist Hotelier (Der Seehof in Goldegg), Gastronom (Restaurant M32 in Salzburg, drei Skihütten im Gasteinertal), Arbeitgeber von rund 120 MitarbeiterInnen, mehrfacher Familienvater und seit drei Jahren Nationalratsabgeordneter: Sepp Schellhorn, Themensprecher der NEOS für Wirtschaft, Landwirtschaft und Tourismus. T.A.I. traf ihn an einem heißen Frühsommertag in einem kleinen Zeitfenster zwischen zwei Parlamentsterminen zum Interview.

Heiß war nicht nur das Wetter, sondern auch der Einstieg ins Gespräch. Der Betraf die überraschende Einigung aller Parlamentsparteien auf das „Single License“-Modell im Zuge der Gewerbeordnungsnovelle. Die Vorgeschichte: Bei einem 6-Parteien-Gespräch Anfang Juni hatten alle Fraktionen die Forderung nach einem Gewerbeschein für alle übernommen. Dann bekam die ÖVP zwischenzeitig kalte Füße, womit der Zug abgefahren schien. Diesen Dienstag konnte nun in einer weiteren Verhandlungsrunde der Durchbruch erzielt werden.

Sepp Schellhorn: „Das ‚Single Licence‘ Modell bedeutet, dass künftig nur noch eine einzige Berechtigung für Tourismus notwendig ist, um als Manager der Freizeitgesellschaft tätig sein zu können. Es ist für alle Touristiker überaus wichtig, dass sie ihren Gästen ein ganzheitliches Angebot – von Wanderführungen über Veranstaltungen bis hin zum Verleih von Sportausrüstung – liefern können. Dafür hat es bisher meist 5-7 Gewerbescheine gebraucht. In Zukunft reicht ein einziger.
Es handelt sich um eine Idee der NEOS, wie viele Themen, die (der neue ÖVP-Obmann Sebastian) Kurz jetzt propagiert, Themen sind, die wir seit Jahren spielen. Die NEOS gehen im Tourismus den Weg Richtung ‚Single Licence‘, Betriebsanlagenreform und Arbeitszeit-Flexibilisierung nach dem Muster 365 Tage Tourismus.“

T.A.I.: Ist es nicht positiv, wenn andere Parteien die Positionen der NEOS übernehmen?

Schellhorn: „Die ÖVP und Kurz beten nach. Das ist nicht schlecht, aber es zeigt, wer die Probleme erkannt hat und konstruktiv Vorschläge macht. Wir sagen das seit 2013.“

T.A.I.: Sie kritisieren auch Wirtschaftsminister Harald Mahrer, obwohl dessen Vorschläge, wie Sie betonten, „sich großteils wie ein Copy Paste unserer Visionen für den österreichischen Tourismus“ lesen. Ist das so schlecht?

Schellhorn: „Alle versuchen, in der Öffentlichkeit mit Tourismus zu punkten, weil sie wissen, dass sie hier ein Vakuum haben. Aber sie tun nicht mehr, als Sand in die Augen zu streuen: erst Hoffnung machen und dann im Stillstand zu verharren. Mahrer zum Beispiel spricht vom Gesamtkunstwerk, aber er pickt sich nur die Digitalisierung heraus. Er soll am Gesamtkonzept arbeiten und sich nicht auf Schlagwörter zurückziehen. Das ist seine Pflicht. Wenn er von Digitalisierung spricht, dann muss ich ihm sagen, dass bereits 99 Prozent aller Betriebe digitalisiert sind. Jetzt geht es um den nächsten Schritt: Das Problem sind Regionen, in denen man mangels zeitgemäßer Infrastruktur nicht mehr als ‚Edge‘ auf sein Handy bekommt (Anm.d.Red: gemeint ist die extrem langsame Edge-Technik bei der Datenübertragung). Hier ist die Regierung gefragt, endlich die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.“

T.A.I.: Themenwechsel. Wie sehen Sie Ihre persönliche Bilanz nach drei Jahren Parlament?

Schellhorn: „Meine Bilanz sieht durchaus positiv aus. Wir diskutieren heute Dinge, die ich 2013 angeregt habe. Auch als kleine Fraktion kann man etwas bewirken. Es braucht ganz andere Systeme, sowohl Praktiker als auch Politiker. Es geht um Lebensräume. Wenn ich die Marke ‚Tourismussprecher und Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn‘ betrachte, dann ist mir einiges gelungen.“

T.A.I.: Wo sind Sie Ihrer Meinung nach gescheitert?

Schellhorn: „Ich habe nicht geschafft, den Tourismus aus der Diskussion im Zusammenhang mit der Steuerbetrugsbekämpfung herauszuhalten. Wirtschaftspolitik hat bekanntlich viel mit Psychologie zu tun. Hier hat (Finanzminister Hans Jörg) Schelling einen wahnsinnigen Schaden angerichtet, weil eine ganze Branche gebrandmarkt wurde. Das werden ich und viele in der Branche dieser Politik nie vergessen.
Die Registrierkasse z. B. hat wahnsinnige Mehrkosten verursacht. Alleine in meinen Betrieben musste ich dafür 80.000 Euro investieren. Und was hat das alles gebracht? Für den Finanzminister schauen unter dem Strich nur 200 Mio. Euro Mehreinnahmen heraus, statt der budgetierten 900 Mio.
Dazu die 30-prozentige Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Logis. Die konnte nicht an die Kunden weitergegeben werden. Wenn ein mir persönlich bekanntes Hotel am Arlberg 100.000 Euro mehr Umsatzsteuer abgeführt hat, ohne Mehreinnahmen lukrieren zu können, gleichzeitig die Lohnabgaben gestiegen sind etc., sagt das alles. Die Rentabilität verschlechtert sich. Bei uns im Tourismus gilt noch immer ‚Auslastung mal Preis‘. Da kann der Staat die Mehrwertsteuer nicht einfach um 30 Prozent erhöhen.“

T.A.I.: Hochgerechnet auf das Gesamtjahr brachte das dem Staat knapp 150 Mio. Euro mehr an Umsatzsteuer ein. Budgetiert waren 100 Mio. Euro ...

Schellhorn: „Das Argument von (Ex-Vizekanzler Reinhold) Mitterlehner war immer ‚das zahlt nicht ihr, sondern das zahlen eure Kunden‘. Wer so etwas sagt, hat von Unternehmen keine Ahnung! Wer leidet, das sind die Unternehmer und die Steuerzahler, weil die Mehreinnahmen des Staates durch die Mehrwertsteuer den Minderertrag durch die Registrierkasse nicht kompensieren. Es wird sich nicht ausgehen.“

T.A.I.: Stichwort Nationalratswahlen: Was werden Sie in den nächsten Monaten machen?

Schellhorn: „Ich werde in den Wahlkampf einsteigen, Vorträge geben und Wirtschaftsgespräche führen, vor allem auch im Tourismus und im KMU-Bereich, um den Unternehmern den Sand aus den Augen zu wischen. Was wollen wir nach dem 15. Oktober erreichen? Das große Dach heißt ‚weniger – einfacher – gerechter‘. Wir schreiben ein Programm, wie man Österreich reformieren kann. Wir wollen weniger Steuern, wir wollen es einfacher mit dem Gewerberecht halten und eine Gewerbeordnung neu schreiben, und wir wollen es gerechter haben, was das Gewerberecht und das Unternehmertum betrifft. Das bedeutet auch Reform der Wirtschaftskammer. Die haben die Grundumlage heuer um 25 Prozent erhöht. 4.000 MitarbeiterInnen und 20.000 Funktionäre sind der beste Partei-Apparat. Dass ich diese Hand nicht beiße, ist klar.“

T.A.I.: Welche Reform der Wirtschaftskammer schwebt Ihnen vor?

Schellhorn: „Die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft ist eine der Kernforderungen, um den Stillstand aufzubrechen. Ich bin nicht gegen die Wirtschaftskammer, will aber eine Wirtschaftskammer, die für Unternehmer kämpft und nicht gegen sie. Um das zu erreichen, braucht es keinen Zwang. Warum hat der ÖAMTC laufend steigende Mitgliederzahlen? Weil er sich laufend engagiert!“

T.A.I.: Werden es die NEOS wieder in den Nationalrat schaffen?

Schellhorn: „Ich rechne mit dem Einzug der NEOS ins Parlament – da besteht überhaupt keine Befürchtung. Wir sind bei den Umfragen stabil zwischen 7 und 5 Prozent. Schauen wir uns doch das politische Spektrum an: Es geht darum, wer muss mit der FPÖ eine Koalition eingehen. Rot-schwarz geht nicht mehr. Dazu braucht es Alternativen, ein Regulativ zur FPÖ. Ich kann nicht verstehen, wie eine so rückwärtsgerichtete Partei im Tourismus agiert. Wir brauchen Fachkräfte. Wir müssen die Lücke überbrücken können. Wenn niemand mehr da ist, der arbeitet, wenn andere frei haben, muss ich ungarische Mitarbeiter einstellen. Die SPÖ mit (Bundeskanzler Christian) Kern und die FPÖ wollen das unterbinden. Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass die NEOS gut abschneiden, und auch, dass ich bei den Vorwahlen gut abschneide, damit der Tourismus von einem Praktiker im Parlament vertreten ist.“

T.A.I.: Womit wollen Sie im Wahlkampf punkten?

Schellhorn: „Wir werden mit neuen Themen, die einige Überraschungen bringen, eine gute Figur machen. Ich werde weiter für den Tourismus und die KMU kämpfen.“

T.A.I.: Wie stehen Sie zum Tourismus-Ausschuss im Parlament, dessen Obmann-Stellvertreter Sie sind?

Schellhorn: „Der sollte in jedem Fall weiterbestehen. Das ist eine Mindestforderung, wenn es nicht auch gleich einen Staatssekretär oder Minister geben sollte.

T.A.I.: Mit welchen Kompetenzen sollen die ausgestattet sein?

Schellhorn: „Mit allen, die inhaltlich dazu gehören, etwa wenn es um den ländlichen Raum geht – Mitterlehner und Rupprechter haben diesbezüglich nie miteinander gesprochen –, oder wenn es um die dritte Landebahn in Wien geht und wenn es darum geht, das Gesamtkunstwerk Tourismus ins Regierungsprogramm einzubringen. Das große Bild haben die nie gehabt. Es wird nicht im Ganzen gedacht! Fest steht: Wenn der Tourismus funktioniert, steigt die Beschäftigung und dann funktioniert auch der Standort für die Industrie. Denn nur wenn die Beschäftigung steigt, habe ich keine Abwanderung. Man muss diesen Lebensraum verstehen.“ 

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