ANA
Interview mit Elisabeth Köstinger

„Der österreichische Tourismus soll besser und erfolgreicher werden als jemals zuvor!“

Print-Ausgabe 18. März 2022

Fast genau zwei Jahre ist es her, dass in Österreich und auch weltweit der erste komplette Lockdown in Kraft getreten ist. Grund genug, die seither ebenso mit beherztem Einsatz aktive wie teilweise mit Kritik konfrontierte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger zu einem Interview zu treffen. Zur Sprache kamen dabei allgemeine Aspekte, aber auch heikle Themen sowie ein Ausblick auf das mögliche Geschehen in der nahen Zukunft.

T.A.I.: Anfang März 2020 schnürten Sie ein KMU-Maßnahmen­paket in Höhe von 100 Mio. Euro. Zwei Wochen später war es bereits 1 Mrd. Euro schwer und für Unternehmen, die direkt von der Corona-Pandemie betroffen sind, wurde ein 15 Mrd. Euro Krisen-Fonds eingerichtet. Statt weniger Monate dauert die Krise nun schon zwei Jahre, aus den 15 Mrd. wurden 43 Mrd. Euro und aus der 1 Mrd. für den Tourismus mittlerweile 4,3 Mrd. Euro. Haben Sie mit dieser Tragweite gerechnet?

Elisabeth Köstinger: „Diese weltweite Pandemie hat uns vor noch nie dagewesene Herausforderungen gestellt. Die verschiedenen Virus-­Mutationen haben uns immer wieder aufs Neue eingeholt und haben Planungen unmöglich gemacht. Mein oberstes Ziel in dieser schwierigen Zeit war und ist, unsere Betriebe bestmöglich durch die Krise zu bringen und Arbeitsplätze im Tourismus zu sichern. Mit den Wirtschaftshilfen ist uns das gelungen.“

T.A.I.: Der Tourismus in Österreich ist – bis auf wenige Ausnahmen – Ländersache. Plötzlich waren Sie für alles zuständig. Wird diese stärkere Rolle des Bundes Ihrer Meinung nach Bestand haben?

Elisabeth Köstinger: „Ich habe mit den Bundesländern und Stake­holdern schon vor der Pandemie gut zusammengearbeitet. Die Corona-Krise hat verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass wir ein eigenes Tourismusministerium haben. Das gibt es erst seit 2017. Nur dadurch war es möglich, spezifische Hilfen für die Branche zu erreichen. Dieser besondere Stellenwert wird bestimmt bleiben.“

T.A.I.: In den ersten Wochen der Pandemie wurden Sie kritisiert, dass der Fokus zu stark auf Beherbergung und Gastronomie gerichtet sei, die Rolle aber z. B. der Reisebüros komplett unterschätzt werde. Stimmt dieses Bild?

Elisabeth Köstinger: „Keinesfalls. Ich war ständig in Kontakt mit dem ÖRV (Österreichischer Reise­Verband), dem Fachverband mit Gregor Kadanka und dem ÖVT (Österreichischer Verein für Touristik) mit Phillies Ramberger. Der Austausch war und ist nach wie vor ein sehr guter und trotz der ganz besonderen Betroffenheit stets konstruktiv. Die Herausforderung war, speziell für die Reisebürobranche ein geeignetes Modell der Wirtschaftshilfen zu erarbeiten, da die Buchungen lange im Voraus erfolgen und alle wieder rückabgewickelt werden mussten. Dabei handelt es sich um ein spezifisches Wirtschaftsmodell. Wir haben daher entsprechende Förderungen für diese spezielle Situation gebraucht. Dann kam es Ende 2020 zum Rückzug der wichtigsten Versicherungsunternehmen für eine Insolvenzabsicherung gemäß Pauschalreiseverordnung – das war zuvor noch nie der Fall. Wir sind als Staat eingesprungen und haben die Haftungen für Kundengelder übernommen.“

T.A.I.: Wie sieht es mit den Privat­vermieter*innen aus? Denen wurde – so der Vorwurf – zu spät, zu gering und zum Teil gar nicht geholfen ...

Elisabeth Köstinger: „Die Unterstützung der Privatzimmervermieter*innen war mir ein großes Anliegen, wir haben ja über 40.000 in Österreich. Die Herausforderung war, dass es sich nicht um Gewerbebetriebe handelt. Für eine entsprechende Förderung – auch angepasst an die tatsächlichen Gegebenheiten in der Praxis – musste erst eine neue Konstruktion geschaffen werden. Das zweite Problem bestand in der Verfügbarkeit der Daten. Normal funktioniert das über FinanzOnline. Bei den Privatvermieter*innen war die Verfügbarkeit der Einnahmen und deren Prüfung herausfordernd. Aber auch hier haben wir Lösungen gefunden und mittlerweile haben wir bereits 75 Mio. Euro ausbezahlt. Alle Privatzimmervermieter*innen, die über Steuerberater*innen die Zahlen validiert haben, konnten dadurch sehr schnell ausbezahlt werden.“

T.A.I.: Im Tourismusausschuss werden die von den Oppositionsparteien stammenden Anträge so gut wie immer vertagt. Hat das System oder ist es Zufall?

Elisabeth Köstinger: „Im Gegenteil! Gerade die spezifischen Wirtschaftshilfen im Tourismus wurden alle im Tourismusausschuss behandelt und beschlossen. Aber Kritik durch die Opposition liegt in der Natur der Parteipolitik.“

T.A.I.: Wie wichtig ist für Österreichs Tourismus die ÖHT (Österreichische Tourismusbank)? Was können Sie tun, um die ÖHT eigenständig zu belassen, damit diese nicht als Abteilung in der OeKB (Österreichische Kontrollbank) verschwindet?

Elisabeth Köstinger: „Die ÖHT hat sich in der Krise als absolut verlässlicher Partner für den Tourismus erwiesen. Über sie wurden wichtige Wirtschaftshilfen abgewickelt, wie etwa die 1,3 Mrd. Euro schwere Überbrückungsfinanzierung, der Veranstalterschutzschirm oder die Gastgärtenoffensive. Die ÖHT wird von der Branche sehr geschätzt. Es liegt auf der Hand und auch im Interesse der Gesellschafter (Anm.d.Red: 12 Banken, darunter die Erste Bank, die UniCredit und die Raiffeisen Bank International), diesen erfolgreichen Weg weiterhin fortzusetzen.“

T.A.I.: Österreich hatte 2021 einen Sommer, der zum Teil Rekorde brachte. Der viel lebenswichtigere Winter 2020/21 ist aber komplett ausgefallen und hat die Branche an den Rand des Abgrunds gebracht. Die Schweiz ließ 2020/21 erheblich mehr zu und deren Zahlen sind deutlich besser. War der von Österreich eingeschlagene Weg ein Fehler?

Elisabeth Köstinger: „Ich denke, es konnte jeder mitverfolgen, wie sehr ich um den Winter gekämpft habe und zwar um beide. Medial habe ich deshalb viel Kritik abgekriegt, als es z. B. darum ging, die Skilifte offenzuhalten. Es ist ein besonderer Erfolg, dass der Winter in Österreich jetzt trotz der schwierigen Rahmenbedingungen stattfindet. Ich habe mit der gesamten Tourismusbranche mitgelitten, als es vor Weihnachten noch einen Lockdown gegeben hat, was vor allem auch für die Städte hart war, wo die Zeit vor Weihnachten eine unheimliche Erleichterung gebracht hätte.“

T.A.I.: Die vorherige Frage bezieht sich auf den Winter 2020/21. War der lange Lockdown damals ein Fehler?

Elisabeth Köstinger: „Wir dürfen nicht vergessen: Damals hatten wir noch keine Impfung und sehr kurz vor Weihnachten 2020 ist mit der britischen Variante eine Mutation aufgetaucht, die uns Monate hindurch stark im Griff hatte und die Intensivstationen an den Rand der Kapazitäten brachte.“

T.A.I.: Wie steht es um das aktuelle Verhältnis mit der Wirtschaftskammer? Es soll dem Vernehmen nach nicht das Beste sein und bei der substanziellen Budgeterhöhung für die ÖW (Österreich Werbung) zog die WKÖ bislang nicht mit ...

Elisabeth Köstinger: „Wir arbeiten mit allen Stakeholdern gut und eng zusammen. Der intensive Austausch ist mir sehr wichtig. Aber ja, es wäre wünschenswert, wenn die Wirtschaftskammer mit der Budgeterhöhung für die ÖW noch mitziehen würde. Es ist mir gelungen, den Bundesanteil erstmals seit 20 Jahren zu erhöhen. Das ist genau das, was wir zum Comeback des österreichischen Tourismus brauchen.“

T.A.I.: Die Neubesetzung der ÖW-Führung sorgte hinter vorgehaltener Hand für viel böses Blut. Wie sehen Sie die Angelegenheit? War der Wechsel der Geschäftsführung zu diesem Zeitpunkt wirklich notwendig?

Elisabeth Köstinger: „Petra Stolba hat sich aus eigenem Wunsch zurückgezogen. Das ist zu respektieren. Ich bin überzeugt, dass wir mit Lisa Weddig die beste Touristikerin für diesen Job bekommen haben – und sie hat internationale Erfahrung. Alle können bereits entsprechende Ergebnisse sehen. Ein Beispiel dafür ist die Ende Jänner vertraglich fixierte Kooperationsvereinbarung zwischen dem Außenministerium bezüglich Zusammenlegung der Außenhandelsstellen und der ÖW in allen Städten. Das ist ein Meilenstein. Wir haben drei Jahre daran gearbeitet. Überall dort, wo ein Vertrag für ein Büro der ÖW oder eine Außenhandelsstelle ausläuft, schauen wir, dass wir sie zusammenlegen können, wodurch wir mehr Mittel für die Bewerbung unseres Tourismusstandortes im Ausland haben.“

T.A.I.: Für bestimmte Bereiche der Branche sollen die Corona-­Hilfsmaßnahmen verlängert werden. Bislang ist dazu wenig nach außen gedrungen. Wann wird hier Konkretes auf dem Tisch liegen?

Elisabeth Köstinger: „Die jetzigen Hilfen laufen noch bis Ende März. Überbrückungsfinanzierungen fließen bis Ende Juni. Die Situation für den Städtetourismus, die Veranstaltungs- und Reisebranche wie auch für die Nachtgastronomie ist nach wie vor schwierig. Daher setze ich mich weiterhin für diese schwer betroffenen Branchen ein.“

T.A.I.: Für viele Betriebe im Tourismus wird es nach Auslaufen der Hilfsmaßnahmen in den kommenden Monaten eng. Müssen wir uns auf eine Pleitewelle einstellen?

Elisabeth Köstinger: „Wir haben immer versucht, den Tourismus mit zielgerichteten Wirtschaftshilfen bestmöglich durch die Krise zu bringen. Und wir haben gesehen, dass er vor dem schrecklichen Krieg in der Ukraine in den Ferien­regionen wieder auf der Über­holspur war.“

T.A.I.: Haben Sie im Laufe der zurückliegenden zwei Jahren mehr Verständnis und Einblick in die doch sehr differenziert aufgestellte Tourismusbranche gewonnen?

Elisabeth Köstinger: „Ich habe selbst jahrelang im Tourismus gearbeitet. Bereits im ersten Jahr als Ministerin habe ich zusammen mit der Branche den ‚Plan-T – Masterplan Tourismus‘ erarbeitet. In den letzten Jahren habe ich viele interessante Persönlichkeiten kennengelernt, die für den Tourismus brennen. Durch die Corona-­Pandemie ist der Austausch mit der Branche natürlich viel intensiver geworden. Nach Jahren der Nächtigungsrekorde war der Pandemie-­Krisenmodus angesagt. Ich kämpfe wie eine Löwin für und mit der Branche weiter.“

T.A.I.: Wir stehen aktuell vor dem dritten Corona-Sommer. Viele befürchten ein erneutes Hochschnellen der Pandemie, sobald es Herbst wird. Mit welchen Maßnahmen der Bundesregierung dürfen wir da im Tourismus rechnen?

Elisabeth Köstinger: „Es stimmt, dass beide Pandemie-Sommer in den Ferienregionen besser als erwartet verlaufen sind. Die Betriebe haben bewiesen, – auch im Winter –, dass sichere Gastfreundschaft möglich ist. Jetzt müssen wir beweisen, dass auch Veranstaltungen, Kunst und Kultur möglich sind. Eine weitere Welle im Herbst ist nicht auszuschließen. Wir wissen nicht, welche Varianten noch kommen. Fest steht: Impfen hilft in jedem Fall.“

T.A.I.: Wenn Sie am Ende dieser Legislaturperiode auf das von Ihnen bis dahin für den Tourismus Erreichte zurückblicken: Wie soll diese Bilanz dann aussehen?

Elisabeth Köstinger: „Ich will, dass wir als Österreich Tourismus stärker aus der Pandemie herauskommen und wieder zurück an die Weltspitze gelangen. Wichtig ist, die Branche weiterzuentwickeln. Die Ansprüche der Gäste haben sich verändert und die Digitalisierung bietet dem Tourismus sehr viele Möglichkeiten. Ein besonderes Anliegen sind mir die Lehrlingsausbildung und die Fachkräfte. Ich will, dass die Branche als Arbeitgeber attraktiv ist und wir uns vor Stellensuchenden kaum noch erwehren können. Und ich will, dass der Tourismus besser und erfolgreicher wird als jemals zuvor!“

Foto: © BMLRT/Gruber

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