Print-Ausgabe 16. Dezember 2022
Selten sah sich ein für Tourismus verantwortliches Regierungs-Mitglied mit so vielen Herausforderungen der Branche konfrontiert wie die seit dem Frühjahr 2022 amtierende Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler. Im großen Interview stand sie T.A.I. Rede und Antwort, wie sie die Themen von der Energiekrise über Arbeitsmarkt sowie Vereinbarkeit von Beruf und Familie bis hin zur Nachfolgelösung an der Österreich Werbung-Spitze lösen will, inklusive Ausblick auf den bevorstehenden Winter.
T.A.I.: Mitte Mai wurden Sie als Staatssekretärin für Tourismus angelobt. Was hat Sie dazu bewogen, dieses Amt – im Grunde genommen entgegen den Vorstellungen über Ihre Lebensplanung – anzunehmen?
Susanne Kraus-Winkler: „Tourismus ist seit meiner Kindheit mein Herzensthema und meine Leidenschaft. Ich habe die umfassende und facettenreiche Branche in unterschiedlichsten Funktionen kennengelernt. Als langjährige Unternehmerin in Hotellerie und Gastronomie sowie Obfrau des Fachverbands für Hotellerie in der Wirtschaftskammer Österreich war es mir bisher immer auch ein Anliegen meine Erfahrungen und Expertise ebenso für die Branche am branchenpolitischen Spielfeld einzusetzen und bestmögliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu erzielen. Dann kam die Frage der Übernahme des neuen Staatssekretariats ganz plötzlich und ungeplant auf mich zu. Ein Nein war da einfach keine Option!“
T.A.I.: Die Tourismus-Sektion ist weiterhin im Regierungsgebäude am Stubenring angesiedelt, das Staatssekretariat davon getrennt in einem eigenen Büro in der Taborstraße. Wie wirkt sich diese räumliche Trennung auf Ihre Arbeit bzw. jene der Sektion aus?
Susanne Kraus-Winkler: „Wir haben das ehemalige Büro von Martin Kocher (Anm. d. Red.: Er übernahm zeitgleich mit Susanne Kraus-Winklers Amtsantritt zusätzlich zu den Agenden des Arbeits- auch jene des Wirtschaftsministers) in der Taborstraße übernommen. Zum Stubenring sind es nur 10 Minuten zu Fuß. Ich habe einen guten und regelmäßig-persönlichen Austausch mit dem Minister und der Sektion – das ist mir wichtig, da spielt die räumliche Trennung keine Rolle. Zeitgleich erleichtern digitale Arbeitsweisen sicherlich die Zusammenarbeit, wobei der persönliche Austausch natürlich immer vorrangig ist und bleibt.“
T.A.I.: Österreichs Tourismus befand sich zum Zeitpunkt Ihres Amtsantrittes in einer schwierigen Situation – nach über zwei Jahren Pandemie, dem Ende Februar erfolgten Angriff Russlands auf die Ukraine und allen sonstigen Herausforderungen, von der sich zuspitzenden Energiekrise über Arbeitskräftemangel bis hin zum weiterhin Fehlen wichtiger asiatischer Gäste. Wie sieht die Lage Mitte Dezember 2022 aus?
Susanne Kraus-Winkler: „Ich glaube, man kann guten Gewissens sagen, vor allem am jetzt gerade zu Ende gehenden Jahr 2022, dass trotz der genannten vielen weiteren Herausforderungen dem heimischen Tourismus ein Comeback gelungen ist. Das zeigen die Tourismuszahlen der Sommersaison sehr deutlich. Die Branche liegt hier nur noch 1,4 % hinter dem Vorkrisenniveau von 2019. Manche Bundesländer, wie etwa die Steiermark, konnten sogar Rekordergebnisse erzielen. Die größte Herausforderung bleibt sicherlich weiter der große Mitarbeiterbedarf, der in vielen Betrieben schon während des Sommers, aber jetzt auch zu Beginn der Wintersaison, nicht gedeckt werden kann. Mit Oktober waren 198.826 Personen im Tourismus beschäftigt, das sind bereits 1,62 % mehr als im Vergleichsmonat vor der Krise. Hier zeigt sich deutlich, dass der Tourismus in den letzten Jahren nicht nur im Angebot gewachsen ist, sondern auch durch die erhöhte Servicequalität mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigt.“
T.A.I.: Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um das Thema in den Griff zu bekommen?
Susanne Kraus-Winkler: „Bei einem gemeinsamen Stakeholder-Gipfel zum Arbeitsmarkt haben wir im Oktober drei Handlungsfelder identifiziert: ‚Mobilisieren‘, um mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen, etwa durch Anreizsysteme oder steuerliche Erleichterungen für Pensionist*innen, ‚Attraktivieren‘ – das beginnt bei Kinderbetreuungsmöglichkeiten bis hin zu Mitarbeiterquartieren – und schließlich ‚Qualifizieren‘ im Sinne von zeitgerechten Lehrplänen und qualitätsvollen Ausbildungsmöglichkeiten. Im Ausbildungsbereich bin ich in einem intensiven Austausch mit Bildungsminister Martin Polaschek: Mit einem Drei-Punkte-Plan für Tourismusschulen soll zum Beispiel sichergestellt werden, dass die Lehrpläne künftig wesentlich digitaler, flexibler und offener gestaltet werden.“
T.A.I.: Wie begegnen Sie als Staatssekretärin für Tourismus den anderen Herausforderungen, allen voran jenen im Bereich Energie und bei der Integration von Asylwerber*innen in den Arbeitsmarkt?
Susanne Kraus-Winkler: „Energiepreise und Energieverbrauch beschäftigen derzeit private Haushalte und Unternehmen gleichermaßen. Um die Bevölkerung zu entlasten, hat die Regierung aus diesem Grund eine Strompreisbremse eingeführt. Zeitgleich wurden Unternehmen mit einem Energiekostenzuschuss 1 entlastet, welcher jetzt auch ab Oktober bis ins Jahr 2023 hinein verlängert und etwas erweitert wird. Details dazu werden gerade erarbeitet. Als Staatssekretärin war es mir aber auch ein besonderes Anliegen aufzuzeigen, dass der Tourismus in der Energiespardebatte oft zu Unrecht als Sündenbock abgestempelt wird: So fallen laut Umweltbundesamt lediglich 1,6 % des gesamten österreichischen Energieverbrauchs auf den Tourismus und zwar inklusive Seilbahnen und Beschneiung. Wichtig ist nun, dass wir uns in den Tourismusbetrieben auf die Zukunft vorbereiten, indem die Umstellung auf möglichst viel erneuerbare Energiesysteme Schritt für Schritt geplant und durchgeführt wird. Da tut sich noch ein großes Feld an Herausforderungen auf, von der Finanzierung bis zu Genehmigungen, z. B. bei Photovoltaikanlagen.“
T.A.I.: Was tut sich in Sachen Integration?
Susanne Kraus-Winkler: „Asylwerber*innen können jetzt drei Monate nach Zulassung zu einem Asylverfahren eine Beschäftigungsbewilligung für jegliche Beschäftigung erhalten, etwa auch im Tourismus. Im touristischen Saisonbereich war dies ohnehin immer möglich. Sie benötigen auch weiterhin eine Beschäftigungsbewilligung. In der Praxis werden diese Möglichkeiten trotz des hohen Personalbedarfs aber kaum genutzt. Daher sollte der Fokus in der Vermittlung auf Asylberechtigten und Subsidiär Schutzberechtigten liegen. Bei der Integration von Asylsuchenden am Arbeitsmarkt ist aber eine klare Trennung zwischen qualifizierter Zuwanderung und Asyl wichtig.“
T.A.I.: Weshalb?
Susanne Kraus-Winkler: „Um nicht falsche Anreize für unqualifizierte Zuwanderung zu setzen. Ein freier Arbeitsmarktzugang für Asylwerber*innen, wie er von einigen gefordert wird, ist daher nicht zielführend. Vielmehr streben wir an, durch den Ausbau der Rot-Weiß-Rot-Karte noch mehr Fachkräfte aus Drittstaaten nach Österreich zu holen, etwa Bewerber*innen aus den Balkanstaaten, die gerne bei uns arbeiten wollen. Klar ist, dass für die österreichische Wirtschaft und den Tourismus eine qualifizierte Zuwanderung immer wichtiger wird, um nicht ins wirtschaftliche Hintertreffen zu gelangen.“
T.A.I.: Der Großteil der im Tourismus Beschäftigten sind Frauen, die aufgrund fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten oftmals keine andere Option haben, als eine Teilzeitstelle anzunehmen. Was unternimmt das Staatssekretariat zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Susanne Kraus-Winkler: „Danke für diese Frage. Das Thema Kinderbetreuung spielt bei einer Frauenquote von 55 % im Tourismus eine ungemein wichtige Rolle. Dazu zählt auch die Anpassung der Betreuung an die Dienstzeiten, beziehungsweise an die Anfordernisse im touristischen Bereich. Für Menschen, die abends oder in der Nacht arbeiten, ist die Kinderbetreuung nach wie vor eine Herausforderung, an deren Bewältigung wir laufend arbeiten müssen. Aus diesem Grund haben wir gerade einen ‚Fördercall‘ zur besseren ‚Vereinbarkeit von Familie und Beruf‘ initiiert. Noch bis 1. März 2023 können bei der ÖHT (Österreichische Hotel- und Tourismusbank) Konzepte zur Kinderbetreuung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingereicht werden.“
T.A.I.: Themenwechsel: Wie sieht es mit der Nachfolge-Entscheidung für die Geschäftsführung der Österreich Werbung (ÖW) aus, deren Chefin Lisa Weddig mit März 2023 zurück nach Deutschland kehren wird?
Susanne Kraus-Winkler: „Lisa Weddig hat die ÖW zu einer Zeit übernommen, die für den Tourismus besonders fordernd war. Dennoch ist es ihr durch ihr Engagement gelungen, die Strukturen in der ÖW effizient zu gestalten und durch die Kooperation mit dem Außenministerium und der AW (Außenwirtschaft Austria der WKÖ) den Außenauftritt Österreichs auf ein neues Level zu heben. Zu Ihrer Frage: Die Ausschreibung der ÖW-Geschäftsführung wurde bereits veranlasst, derzeit läuft der Bewerbungsprozess. Lisa Weddig wird die Geschäfte bis 31. März 2023 verlässlich weiterführen – bis dahin soll dann auch die Nachfolge geregelt sein.“
T.A.I.: Der Winter trägt in Österreichs Westen traditionell rund zwei Drittel (mehr als 63 %) zu den Umsätzen (Übernachtung und Frühstück) der Beherbergungsbetriebe bei. Bei den Seilbahnen werden 90 % der Umsätze im Winter erzielt. Er ist damit von der Wertschöpfung her die mit Abstand wichtigste Saison für Österreichs Tourismus. Worauf dürfen wir uns im Winter 2022/23 einstellen?
Susanne Kraus-Winkler: „Die Stimmung für diesen Winter ist nach der hervorragenden Sommersaison sehr gut und es herrscht große Zuversicht in der Branche. Grund dafür sind die sehr guten bis guten Buchungszahlen in den Wintersportregionen während der Weihnachtsferien, zu Silvester und in den Semesterferien. Teilweise liegt das Buchungsniveau sogar auf dem Vor-Corona-Niveau von 2019! Es wird aber weiterhin mit kurzfristigen Buchungen gerechnet. Auch Wien ist vor allem zu Silvester hervorragend gebucht, wobei der Städtetourismus allgemein an den Dezember-Wochenenden eine gute Auslastung hat. Diese positive Stimmungslage gilt es jetzt mitzunehmen. Gott sei Dank haben wir in den letzten Tagen in vielen Regionen Schnee bekommen. Einem schönen Wintersporterlebnis und einem romantischen Winterurlaub steht damit nichts mehr im Weg.“
T.A.I.: Entscheidend ist, wie sich das auf die wirtschaftliche Lage des Tourismus auswirken wird?
Susanne Kraus-Winkler: „Die derzeitige Buchungslage zeigt, dass die Lust auf einen Winterurlaub gegeben ist – dies belegt auch eine aktuelle Studie der Österreich Werbung. Nach mehr als zwei herausfordernden Jahren, ist dies ein starkes Signal des heimischen Tourismus und richtungsweisend für künftige Entwicklungen. Dennoch sind derzeit die größten Herausforderungen für viele Betriebe die Energiekosten und die gestiegenen Preise in allen Bereichen. Dazu kommt die schwierige Lage am Arbeitsmarkt.“
T.A.I.: Wenn wir uns einen Blick in die Glaskugel erlauben dürfen: Wo wird Ihrer Einschätzung nach Österreichs Tourismus in einem Jahr stehen?
Susanne Kraus-Winkler: „Wir alle wünschen uns ab und an eine Glaskugel, um in die Zukunft zu schauen. Jedoch machen die aktuellen Herausforderungen besonders eines deutlich – und zwar, dass das Leben uns oftmals vor Ereignisse stellt, mit denen man nicht gerechnet hat. Von Kaffeesudlesen halte ich deshalb wenig. Wo ich mir jedoch sicher bin, ist die Tatsache, dass der heimische Tourismus mit seinen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Unternehmerinnen und Unternehmern immer einen Weg gefunden hat, sich am internationalen Markt gekonnt zu positionieren sowie Arbeitsplätze und Wertschöpfung zu schaffen. Dies wird auch in Zukunft so sein!“
Erstellt am: 16. Dezember 2022
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