Print-Ausgabe 18. Juni 2021
Am ÖHV-Kongress wurde der Vortrag von Florian Zellmann (l.) und Martin Hofstetter (r.) mit Spannung erwartet
Ersteres ist überraschend, war aber aufgrund der Invest-Anreize zu erwarten – zweiteres (steuerliche Gleichstellung von Eigen- und Fremdkapital) ist dringend notwendig
Wohl keine andere Institution hat ihre Hand dermaßen intensiv am Puls der österreichischen Hotellerie, wie die ÖHT (Österreichische Tourismusbank). Sie betreut aktuell rund 2.000 KreditnehmerInnen, deren Bilanzen sie jährlich (anonymisiert) auswertet, woraus sich Rückschlüsse über die Entwicklung der Tourismusunternehmen sowie Branchentrends herauslesen lassen. Entsprechend mit Spannung erwartet wurde deshalb auf dem ÖHV-Kongress der Vortrag „Resilienz-Fähigkeit in den Bereichen Finanzen, Liquidität und Eigenkapital“, den Geschäftsführer Martin Hofstetter und Florian Zellmann (Sonderförderungen und EFRE/Europäische Fonds für regionale Entwicklung) in Vertretung von Generaldirektor Wolfgang Kleemann hielten.
Anfangs lieferte Martin Hofstetter einen kurzen Rückblick auf das Geschehen der zurückliegenden 15 Monate, wobei zunächst „die Banken von nackter Panik erfasst wurden, was das alles für Basel III heißt.“ Die von der Regierung in weiterer Folge gesetzten „spezifischen Schwerpunkte“ sorgten dann rasch für eine Beruhigung der Lage. Jetzt stehe die Frage im Vordergrund: „Wie kommt man zurück in den Markt?“
Die Hilfsprogramme erwiesen sich großteils als zielgerichtet. So betrafen 44 % aller eingereichten Anträge, laut Florian Zellmann, den Bereich Kunst & Kultur. Der Veranstalter-Schutzschirm hält aktuell bei 625 Anträgen mit durchschnittlich 230.000 Euro. Bei der Insolvenzabsicherung lagen die Reisebüros mit 97 % aller Anträge an der Spitze, wobei es 179 Anträge mit durchschnittlich 178.000 Euro gab.
Für die allermeisten Anträge (insgesamt 2.108) sorgte die Gastgarten-Förderung, dies allerdings mit Durchschnittsbeträgen von lediglich 41.000 Euro. „Wir haben damit im Schnitt 25 neue Sitzplätze im Außenbereich pro Antrag geschaffen“, zog Florian Zellmann Bilanz, der noch eine weitere, überaus interessante Feststellung traf: „91 % der Gastgarten-Anträge bezogen sich auf den ländlichen Raum und nur 9 % auf Städte.“
Soweit das Bisherige. Doch wie geht es weiter? Martin Hofstetter: „Resilienz beginnt im Kopf. Daraus resultiert der Rest.“ Zentraler Punkt sei das Eigenkapital. Laut KMU-Forschung Austria lag es im Tourismus vor Corona in Höhe von 12,7 % der Bilanzsumme, bei der ÖHT (Fokus auf die Hotellerie und hier wiederum den höherpreisigen Sektor) bei 13 % (3-Sterne Betriebe) bzw. 15 % (4- und 5-Sterne Hotellerie). Hofstetter: „In den letzten Jahren wurde gut gearbeitet. Die Hälfte davon wurde durch Corona wieder eingebüßt.“ Nachsatz: „An dieser Schraube gehört gedreht.“ Denn wenn ein Hotel eine gute Eigenkapital-Basis habe, „dann sind die Banken bereit, trotz Basel III und IV Geld zu geben.“
Die große Frage lautet hier: „Wie?“. Denn der von Familien-Betrieben dominierte österreichische Tourismus sei, so Hofstetter „so strukturiert, dass viele Maßnahmen nicht so greifen.“ Man müsse deshalb „auf ein ganz einfaches Milieu zurückgehen und das ist in steuerlicher Hinsicht die Gleichstellung von Eigenkapital und Fremdkapital. Das ist die einfachste und schnellste Schraube, an der man drehen kann.“
An der vorrangigen Notwendigkeit dieser Maßnahme bestehe kein Zweifel. Zwar habe „die Insolvenzquote im Tourismus (im Corona-Jahr) um 44 % abgenommen“, was beweise, dass „die Antibiotika (Anm.d. Red.: in Form der Hilfsmaßnahmen) gewirkt haben.“ Dies sei aber nicht gesund: „Die Passiva sind extrem gestiegen“, ergänzte Hofstetter.
Was das erste Corona-Jahr für Spuren in der Branche hinterlassen hat, darauf ging dann Florian Zellmann ein. Besonders schlimm erwischte es den Städtetourismus (operativ massiv ins Negative gerutscht), während der auch stark betroffene Seminar- und Geschäftstourismus deutlich besser über die Runden gekommen ist (Umsatz halbiert, aber operativ positiv).
Besonders erfreulich ist die Entwicklung der Investitionen. Im Vorjahr erreichten sie – nicht zuletzt durch Investitionsanreize im Zuge der Hilfsprogramme sowie Dank antizyklisch agierender Hotelbetriebe – ein Rekordniveau. Heuer zeichnet sich beim Vergleich der 1. Quartale ein weiteres Spitzenjahr ab (siehe Grafik). Martin Hofstetter abschließend: „Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg.“
Erstellt am: 18. Juni 2021
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