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Betriebsübergabe

Wachgeküsstes Dornröschen! Wenn die Bank zur Bittstellerin wird

Print-Ausgabe 25. August 2017

Thomas Wimmer von VENTA Tourismus zeigt, wie aus einem 3-Sterne Haus mit ungünstiger Nachfolge-Option ein nachhaltiger Erfolgsbetrieb wurde.

Betriebsübergabe ist eines der heißesten und heikelsten Themen in der Hotellerie. Wie eine derartige Übergabe stattfinden kann und sich am Ende sogar zu einem Erfolgsmodell entwickelt, dazu liefert Thomas Wimmer, Chef des Hotelberatungsunternehmens VENTA Tourismus - Hotel Sales, exklusiv für T.A.I. ein konkretes Beispiel aus der Praxis.

Begonnen hatte alles mit einem Erstgespräch des Hoteliers-Ehepaares (3-Sterne, 30 Zimmer) mit Thomas Wimmer im Juli 2010. „Zu diesem Zeitpunkt war es nicht klar, wie der Betrieb weiter entwickelt und die Übergabe an die nächste Generation geschäftlich erfolgreich abgewickelt werden könnte“, erinnert sich Wimmer.

Die Voraussetzungen schienen denkbar ungünstig: die Tochter war seit Jahren hauptberuflich an der HOFA in Bruneck als Fachlehrerin beschäftigt, der Bruder als Sous Chef in einem größeren, Hotel. Wimmer: „Den eigenen Betrieb führten die Eltern in den letzten Jahren nur noch in der Hochsaison mit Hilfe der Jungen sowie dann und wann mit Aushilfen.“

Bei dem Gespräch stellt sich heraus, dass dem Hotel mehrfach empfohlen wurde, auf 100 bis 120 Betten zu vergrößern, um rentabel zu werden. Thomas Wimmer: „Ich muss dieser Empfehlung zur ‚Betriebsgrößenoptimierung‘ immer wieder widersprechen.“ Der Grund: „Sofern Sales und Budgetierung sauber und konsequent abgewickelt werden, die Preispolitik für alle Gästegruppen nachvollziehbar ist, kann ein Betrieb dieser Größe – von der Familie geführt – durchaus rentabel betrieben werden.“

Wimmer und die Hoteliersfamilie beschlossen, den Hebel dort anzusetzen. „Wir haben wir ein Budget für das Rumpfgeschäftsjahr erstellt und umgehend mit zielgruppenorientierten Verkaufsmaßnahmen begonnen“, erinnert sich Wimmer. Das Budget wurde nach dem System USALI (Uniform System of Accounts for the Lodging Industry) erstellt. Wimmer: „Die Sales Maßnahmen wurden genau auf den Betrieb abgestimmt.“

Ergebnis: Bereits im Rumpfgeschäftsjahr konnte der Break Even – wenn auch knapp – überschritten werden. Da auch das folgende Jahr einen guten Forecast zeigte, wurde der Auftrag zwischen den Hoteliers und Thomas Wimmer verlängert. „Bis heute sind wir für diesen Betrieb tätig“, so Wimmer, der bei der Auswertung der Monatsabschlüsse des Steuerberaters behilflich ist („Es hat sich eine gute gemeinsame Arbeit mit dem Steuerbüro Steger in Sand in Taufers entwickelt“). Miteinander werden Jahresabschlüsse diskutiert, Investitionen und Instandhaltungen geplant sowie die Budgets abgestimmt.

Wimmer: „Ich bin der Meinung, dass auch für kleine Betriebe die Erstellung eines Budgets wichtig ist – noch wichtiger und schwieriger allerdings die korrekte Abwicklung und gegebenenfalls Anpassung (revised budget) während des Geschäftsjahres.“ Denn wie schon ein bekannter, österreichischer Generaldirektor einer internationalen Hotelkette bemerkte: „Der Umsatz kann dann und wann geringer ausfallen, als geplant. Aber wo – meine Damen und Herren – bleibt Ihre
Reaktivität?“

Im Falle des Südtiroler 3-Sterne Hotels scheint sie gut zu sein, wie die Entwicklung der Betriebsergebnisse B1 und B2 seit 2013 zeigen (siehe Grafik; B2: nach USALI, also ohne Zinsen/AFA). Der Knick nach unten 2014 war durch Stornos von Gruppen begründet, es wurden dennoch Investitionen durchgeführt, die nicht mehr zu verschieben waren. Das B1 bleibt trotzdem selbst 2014 „immer noch sauber“, wie Thomas Wimmer betont, „wobei ein ‚sauberes‘ Ergebnis für uns heißt, dass B1 und B2 bei Umsatz, Kosten und AFA aufeinander abgestimmt sind.“

Das vorläufige Ende der Geschichte: die Tochter hat ihre Tätigkeit als Lehrerin aufgegeben, ebenso ihr Bruder seine Anstellung als Sous Chef. Beide arbeiten nun seit 2011 gemeinsam im eigenen Betrieb, der erfolgreich übergeben wurde. Mittlerweile wurde auf der großen Wiese hinter dem Haus ein Bio-Badeteich gebaut, der die Buchungslage im Sommer wesentlich verbesserte.

Heuer läuft es besonders gut. Im ersten HJ liegt das B1 bei 28,79 % (ohne Finanzkosten u. AFA), das B2, bereinigt um AFA und FK bei ca. 17 %. Übernachtungen stiegen um 37 % bei fast gleichbleibenden Öffnungstagen; die Erlöse pro MA legten um 16 % zu, während die Gesamtkosten pro Nächtigung um 15 % und die Finanzkosten um mehr als 30 % sanken. Somit werden auch wieder Schulden abgebaut.

Stichwort OTAs: Bei Booking.com (Wimmer: „Kommissionen spielen keine Rolle, weil sie bei uns budgetiert sind und daher als Durchläufer gelten. Buchhalterisch kann man das mit Skonti vergleichen.“) wurde im ersten Halbjahr 2017 mehr Umsatz erzielt, als 2016 (siehe Grafik).

Die Pointe zum Abschluss: das Haus hat die höchste ARR (Average Room Rate) seiner Kategorie im Tal, eine steigende Anzahl der Öffnungstage (Jänner bis April 2016: 66 Tage, 2017: 82 Tage), und einmal im Jahr kommt die Bank ins Haus: „Nicht zur Kontrolle, sondern um zu fragen, ob sie nicht auch einmal etwas für das Haus tun dürfe“, so Thomas Wimmer. 

Kurzbeschreibung des Hotels

Eckdaten: Südtirol, 3-Sterne, 30 Zimmer/60 Betten, Sauna, Dampfbad, Bio-Badeteich, Feuerwehr Museum im Haus;
Kunden: Busgruppen & private Einzelreisende, fallweise Geschäftsreisende, Motorrad Gruppen in der warmen Jahreszeit;
Sales: zweimal im Jahr persönliche Sales Calls mit Besuchen von Busunternehmern in Ö, CH, Süd-BRD, viermal im Quartal e-mail Newsletter an Busunternehmer mit Open Dates und News, Nachtelefonieren der Newsletter;
Yield-Management: 3 BAR (Best Available Rate/ Bester öffentlicher verfügbarer Tagespreis) in Verwendung, die je nach Auslastung auch laufend verändert werden, OTA Pflege manuell.

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Erstellt am: 25. August 2017

im Bild: Thomas Wimmer, Geschäftsführer VENTA Tourismus

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