Print-Ausgabe 20. April 2018
Der Anteil von Beherbergung und Gastronomie an der Bruttowertschöpfung hat im zehn-Jahres-Vergleich stark zugenommen, jener der Industrie war rückläufig.
Mit einer Wertschöpfungsstudie über Österreichs „Westachse“ (Salzburg, Tirol und Vorarlberg), deren Ergebnisse mittels Videoübertragung zeitgleich in Lustenau, Innsbruck und Salzburg präsentiert wurden, sorgte die Industriellenvereinigung (IV) Mitte April für Diskussionsstoff. Demnach ist in diesen drei Bundesländern die erzielte und zusammengerechnete Wertschöpfung von Industrie, Energie und Bau deutlich höher, als jene des Tourismus.
Das Ergebnis der Studie ist, – auch wenn Studienautor Christian Helmenstein, Chefökonom der IV sowie Leiter des „Economica“ Instituts für Wirtschaftsforschung, dies behauptet –, alles andere als überraschend. Denn der Tourismus (Beherbergung und Gastronomie) hat traditionell eine der niedrigsten Wertschöpfungs-Raten, die Industrie (Herstellung von Waren) eine der höchsten. Das gilt auch in den drei westlichen Bundesländern, wo der Anteil des Tourismus an der Gesamtwirtschaft überproportional hoch ist.
Für Markus Gratzer, Generalsekretär der ÖHV (Österreichische Hoteliervereinigung), ist die IV-Studie eine „Grenzüberschreitung, die ich in der Form noch nicht erlebt habe.“ Denn rechne man zu Beherbergung und Gastronomie (anders, als in der Studie geschehen) auch die anderen touristischen Bereiche hinzu, dann trage der Tourismus weit mehr zur Wertschöpfung bei, als aus der IV-Studie hervorgeht (sie spricht von 11,5 Prozent).
In Tirol liege der Tourismus-Anteil laut Gratzer bei 28 Prozent (für Industrie, Energie & Bau erreicht der Wert 27,1 Prozent), in Salzburg sind es 20 Prozent (Industrie etc. 22,7 Prozent) und in Vorarlberg 15 Prozent (Industrie etc. 37,3 Prozent).
In den Tourismus-stärksten Bundesländern Tirol und Salzburg (zusammen generieren sie mehr als die Hälfte aller österreichischen Übernachtungen) besteht somit ein Kopf-an-Kopf Rennen zwischen beiden Sektoren (wobei die Industrie vorwiegend um die beiden Landeshauptstädte angesiedelt ist), in Vorarlberg – mit Weltmarkt-Playern wie Blum, Zumtobel, Liebherr, Doppelmayr, Alpla, Rauch etc. im Ballungsraum Rheintal – schlägt das Pendel eindeutig in Richtung Industrie aus.
Was in der Studie keine Erwähnung findet, aus den Daten der Statistik Austria aber eindeutig hervorgeht und tatsächlich eine große Überraschung darstellt: der Tourismus (in diesem Falle Beherbergung und Gastronomie) ist bundesweit jener Wirtschaftszweig, der zwischen 2006 und 2016 die stärksten Wertschöpfungs-Zuwächse erzielt hat.
Österreich Bruttowertschöpfung stieg in diesem Zeitraum inflationsbereinigt um 10,1 Prozent, jene der Beherbergung und Gastronomie um 17,9 Prozent. Der Wertschöpfungsanteil von Industrie (Herstellung von Waren), Bau und Energie war hingegen rückläufig. Dies trifft auch auf die genannten drei Bundesländer Salzburg, Tirol und Vorarlberg („Westachse“) zu, wie aus untenstehenden Graphiken hervorgeht. Die Daten dazu stammen von der Statistik Austria (Regionale Gesamtrechnungen, erstellt am 6. Dezember 2017).
Die IV ist noch während der Präsentation ein wenig zurückgerudert. Christian Helmenstein: „Der starke Tourismus in den drei Bundesländern ist keineswegs als Konkurrenz zu sehen, sondern vielmehr als gute Ergänzung.“
An der verzerrten und einseitigen Darstellung ändert dies nichts, was Markus Gratzer zum Seitenhieb „trau keiner Statistik, die du nicht selbst … zusammengestellt hast“, verleitete. Und an die Adresse der IV gerichtet: „Nur wenn wir miteinander arbeiten statt gegeneinander, werden wir etwas weiterbringen in der Standortpolitik und vielleicht sogar beim Jahrhundertprojekt Bürokratieabbau.
Erstellt am: 20. April 2018
Bild: Markus Gratzer, ÖHV Generalsekretär
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