Print-Ausgabe 22. September 2017
Seit mehr als zwei Jahren steht der Hotelier und Gastronom Mario Pulker an der Spitze der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftskammer NÖ sowie des Fachverbandes Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich. Im spätsommerlichen Interview mit T.A.I. ging es um die aktuellen Nächtigungs-Höhenflüge, Digitalisierung und Wünsche an die künftige Bundesregierung.
T.A.I.: Die aktuelle Sommersaison läuft ebenso wie das aktuelle Tourismusjahr für NÖs Tourismus durchaus positiv. Ist Jubelstimmung angebracht?
Pulker: „Jubelstimmung wäre nur dann angebracht, wenn die Betriebsergebnisse im selben Ausmaß steigen würden, wie die Nächtigungszahlen. Davon sind wir aber leider weit entfernt. Die Kalkulation ist extrem knapp, wodurch sich Dinge wie die Erhöhung der MwSt. unmittelbar negativ auswirken. Leider können wir unsere Preise nicht nach Belieben erhöhen, wie manche Politiker offenbar glauben. Letztlich darf man nicht unzufrieden sein, aber unser Potential wäre noch höher. Mittlerweile ist auch der Personalmangel zu einem limitierenden Faktor geworden.“
T.A.I.: Im Vorjahr hatten NÖs 4- und 5-Sterne Hotels entgegen der allgemeinen Entwicklung einen Rückgang, während die 3-Sterne Betriebe und die Ferienwohnungen stark zulegten. Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück und wie läuft es heuer?
Pulker: „Auch heuer gibt es wieder überdurchschnittliche Zuwächse im 3-Sterne-Bereich und bei Ferienwohnungen. Neue bzw. attraktive 3-Sterne-Betriebe sind zweifelsohne für viele Gäste sehr interessant. Hier kommt quasi Druck von unten, der 4 und 5 Sterne-Häuser zu laufenden Verbesserungen animiert. Bei Ferienwohnungen dürfte es sich um einen generellen Trend handeln: Diese Form des Urlaubs ist momentan in.“
T.A.I.: Mehr als 60 Prozent der touristischen Wertschöpfung in NÖ entfallen auf Ausflugstourismus. Wird Ihrer Meinung nach ausreichend dafür getan, um den Nächtigungs-Tourismus zu stärken?
Pulker: „Es ist keine neue Erkenntnis, dass NÖ für Haupturlaube bzw. lange Aufenthalte noch zu wenig in den Köpfen der potentiellen Gäste verankert ist. Das zu ändern, geht sicher nicht von heute auf morgen. Über die Destinationen bzw. die NÖ Werbung versuchen wir, Strategien in diese Richtung zu entwickeln. Gerade in der besseren Koordinierung aller touristischen Angebote und Aktivitäten liegt noch großes Potential, wie ich meine. Nichts desto trotz muss man realistisch bleiben: Der Gast bucht heutzutage lieber spontan mehrere Kurzurlaube, egal ob in Niederösterreich oder sonst wo. Diese Entwicklung können wir nicht umkehren.“
T.A.I.: In unserem Interview Ende vorigen Jahres erwähnten Sie, dass es bezüglich Verbesserung von Online-Auftritten oder direkten Buchungsmöglichkeiten über die eigene Website Nachholbedarf gibt. Gibt es hier konkrete Initiativen? Zeigen sich Verbesserungen?
Pulker: „Seitens der Wirtschaftskammer bieten wir Förderungen für die Neu- bzw. Erstgestaltung von Websites an. Außerdem gibt’s Zuschüsse für die Implementierung eines Buchungs-Tools. Das wird gut angenommen, aber der Aufholbedarf ist groß. Es wird noch eine Weile dauern, bis hier ein zufriedenstellender Zustand erreicht ist.“
T.A.I.: Wie sieht es mit dem von Ihnen initiierten Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof bezüglich Ungleichbehandlung der Gewerbebetriebe gegenüber politischen Parteien und deren Vorfeldorganisationen aus (Stichwort Registrierkassenbefreiung bzw. versteckte Parteien-Finanzierung)?
Pulker: „Mittlerweile wurde die Bundesregierung vom Verfassungsgerichtshof um Stellungnahme gebeten und hat diese auch abgegeben. Der Fachverband hat daraufhin eine Replik verfasst. Dass sich der Verfassungsgerichtshof mit der Sache beschäftigt, ist grundsätzlich ein gutes Zeichen. Wir wissen nicht genau, wann mit einem Urteil zu rechnen ist, es bleibt also spannend.“
T.A.I.: Noch eine Frage zu den bevorstehenden Nationalratswahlen: In unserem letzten Gespräch meinten Sie, angesprochen auf Ihren gut sortierten Weinkeller: „Um ein wichtiges Ziel zu erreichen, würde ich die eine oder andere Flasche Bordeaux opfern!“ Für welche Themen bzw. Wünsche an die künftige Bundesregierung würden Sie den Bordeaux ins Spiel bringen?
Pulker: „Für die Möglichkeit, auch nach Mai 2018 Raucherräume einrichten zu können, würde ich eine gute Flasche opfern. Vielen Betrieben, die außerhalb der Gasträumlichkeiten keinen Platz für Raucherbereiche haben, wird ansonsten der wirtschaftliche Todesstoß versetzt. Wenn sogar Krankenhäuser Raucherräume haben dürfen, warum dann wir nicht??“
Der erfolgreiche Unternehmer, Vollblutgastronom und Multifunktionär Mario Pulker (Jahrgang 1975) übernahm 2002 von seinen Eltern das 4-Sterne Hotel-Restaurant „Residenz Wachau“ in Aggsbach an der Donau, das er seither gemeinsam mit Ehefrau Stella in dritter Generation führt. Pulker ist Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft Niederösterreich und Obmann des Fachverbandes Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Darüber hinaus fungiert er als Vorsitzender der Generalversammlung Donau Niederösterreich Tourismus GmbH, Vorstandsmitglied des TVB Wachau-Nibelungengau-Kremstal, Aufsichtsrat der NÖ Werbung und ist auch im Gemeinderat seiner Heimatgemeinde Aggsbach tätig.
Erstellt am: 22. September 2017
Mario Pulker, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft Niederösterreich
Bitte die Netiquette einhalten. * Pflichtfelder