Print-Ausgabe 19. November 2021
V.l.: Erich Bernard / BWM Architekten & Partner, Thomas Reisenzahn / Prodinger Tourismusberatung und Erich Falkensteiner / Falkensteiner Michaeler Tourism Group
Verhalten und Gewohnheiten der Gäste haben sich während der Corona-Pandemie geändert – bei „TalkTourism“ wurde diskutiert, was dies für die Praxis bedeutet
Der Clubraum über dem zum Red Bull-Konzern gehörenden „Hangar-7“ am Salzburger Flughafen war Ende Oktober Austragungsort des ersten „TalkTourism“, der von den Tourismusberatungen Prodinger Wien mit Thomas Reisenzahn (geschäftsführender Gesellschafter) und Marco Riederer (Geschäftsführer) an der Spitze, St. Elmo’s München, Project M (Hamburg und München) und Schneestern (Oberallgäu) sowie Technik-Partner incert eTourismus veranstaltet wurde. Als Hybrid-Event gestaltet, bot sich den rund 400 Teilnehmer*innen (ein Großteil davon virtuell präsent) ein ebenso breites wie spannendes Themen-Spektrum.
Eröffnet wurde „TalkTourism“ von Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer, der dabei seinen ersten „Live“-Auftritt nach seiner Corona-Genesung absolvierte. Als Tourismusreferent weiß er um die Nöte der Branche bestens Bescheid: „Jedes Mal rote Covid-Ampel beschert den Hotels Stornos.“ Haslauer forderte deshalb bei Covid-19 weiterhin höchste Aufmerksamkeit ein. 2.000 Betten hätten allein Salzburgs Jugendhotels bereits eingebüßt.
Moderatorin Verena Feyock, Managing Partner und Senior Account Manager bei St. Elmo’s, betonte, dass die im Rahmen der Veranstaltung gebotenen Expertenmeinungen nicht nach einem Tag verpuffen: „‚TalkTourism‘ ist Bestandteil eines zweiteiligen Studien-Prozesses. Alle Inhalte der Veranstaltung fließen in eine Trendstudie ein.“
Viel Platz wird darin wohl Bertram Barth, Geschäftsführer der in Wien ansässigen Integral Markt- und Meinungsforschung, zuteilwerden. Barth präsentierte im Rahmen des ‚TalkTourism‘ veränderte Sinus-Milieus (vom Sinus-Institut entwickelte Zielgruppen-Typologie, die auf sozialen Milieus basiert). Die Corona-Pandemie sorgte dabei für keinen Epochen-Bruch, sondern knüpft an zuvor bestehende Änderungen an und hat auch für die Entwicklung eines neuen Milieus gesorgt: „Bei den Jüngeren etablierte sich das Spaß-Erlebnismotiv mit Umweltbewusstsein.“ Ergebnis ist das „Neu-Öko-Milieu, eine Wertesynthese aus Party und Protest.“
Im Zuge der Podiumsdiskussion wurde dann auf den aktuell drückendsten Schmerz der Hotellerie eingegangen: Auf den Mitarbeiter*innen-Mangel. Ausgelöst von Sepp Schellhorn (Hotel Der Seehof, Goldegg, mehrere Skihütten und Gastronomiebetriebe), – es war sein erster Auftritt seit seinem Rückzug aus der Politik –, wurde dieses, die gesamte Branche unter den Fingernägeln brennende, Thema aufs Tapet gebracht: „Zuletzt stammte rund ein Drittel unserer 230.000 Arbeitskräfte aus Osteuropa, davon kommen rund 70 % nicht zurück“, so Schellhorn. In seinen Betrieben im Gasteinertal konnte er zum Zeitpunkt des „TalkTourism“ für die kommende Wintersaison erst 15 von 80 Mitarbeiter*innen rekrutieren. In „normalen“ Jahren waren es zu diesem Zeitpunkt aber schon 55, also mehr als dreimal so viel.
Als Gewinner der Pandemie könnten sich Gesundheitsdestinationen herausstellen, wie Detlef Jarosch, Mitglied der Geschäftsleitung von Project M, meinte: „Gesundheit zählt schon seit vielen Jahren immer zu den Top 3-Bedürfnissen der Menschen, seit Corona vor allem in Verbindung mit Natur.“
Generell bestünden für Europas Tourismusbranche gute Voraussetzungen, „perspektivisch von der Pandemie zu profitieren“, meinte Keynote-Speaker David Bosshart, Präsident der G. und A. Duttweiler-Stiftung. Er begründete dies aufgrund der Attribute „klein, reich, sicher, kühl und – eher – alt.“
Einen weiteren Gesichtspunkt brachte die Geschäftsführerin des zur VAMED Vitality World gehörenden La Pura Women‘s Health Resort Kamptal, Bärbel Frey, mit ein. Ihrer Wahrnehmung nach war der Bedarf an Ortswechsel unter gesundheitlichen Gesichtspunkten seit dem Höhepunkt von Covid-19 groß. So wurde das Haus nach der Wiedereröffnung am Weltfrauentag 2021 am 8. März von Gästen gestürmt.
Als weiterer Corona-Profiteur dürfte sich der Bereich „Active Outdoor“ etablieren. Die Trendstudie Corona hat bestätigt, dass Outdoor-Active-Erlebnisse zum Grundbedürfnis unserer Gesellschaft gehören“, meinte Alexander Arpaci, Projekt Leiter Trail Parks beim „TalkTourism“-Mitveranstalter Schneestern.
Vieles, wie die von incert eTourism umgesetzte E-Commerce-Plattform für den „Red Bull Ring“ in Spielberg, geht mit Digitalisierung einher. Ein gewisser Online-Überdruss ist allerdings bei der Jugend laut Bertram Barth von der Integral Markt- und Meinungsforschung bereits verbrieft: Zwei Drittel der 15- bis 29-Jährigen wünschen sich manchmal in Zeiten ohne Internet zurück. „Es gibt ein Verlangen nach Analogisierung, nach einem ergänzenden Angebot an Entschleunigung, Reflexion und Privatheit“, zeigte sich Thomas Reisenzahn überzeugt: „Digital Detox, der vorübergehende Verzicht auf permanente Verfügbarkeit, sehe ich als zukunftsträchtiges Reiseangebot.“ Mehr dazu in der auf „TalkTourism“ basierenden Trendstudie sowie in Ausgabe 27 von Tourismus Wissen – quarterly.
Erstellt am: 19. November 2021
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