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ÖHT – Tourismusbank

Mut zum Preis! So hat Österreich die Chance, Krisengewinner zu bleiben

Print-Ausgabe 15. Oktober 2021

„Es ist nicht alles bestens, aber der Weg stimmt im Großen und Ganzen“, so Wolfgang Kleemann von der ÖHT


 

Ziel muss es sein, viele „geborgte Gäste“ der beiden letzten Sommersaisonen zu erhalten und ihnen auch in Zukunft ein überragendes Angebot zu machen

In Österreichs Tourismus zeichnet sich ein Trend Richtung höherer Preise ab, die von vielen vorausgesagte Konkurswelle ist bislang ausgeblieben und es wird weiterhin kräftig investiert. Alles bestens also? Nicht nur, auch wenn der Weg im Großen und Ganzen stimmt, wie Wolfgang Kleemann, Generaldirektor der ÖHT (Österreichische Hotel und Tourismusbank) gegenüber T.A.I. betont.

T.A.I.: Setzt man die Nächtigungsentwicklung mit jener der Umsätze von Hotellerie und Gastronomie in Relation, so zeigt sich, dass zuletzt diesbezüglich Bestwerte erzielt wurden. Hat Österreichs Tourismus durch die Pandemie die Kurve in Richtung Qualität geschafft oder trügt der Schein?

Kleemann: „Darf ich meine Antwort mit einem Zitat von Kärntens Tourismus-Landesrat Sebastian Schuschnigg beginnen – ich war neulich mit ihm auf einem Workshop zur Zukunft des Kärntner Tourismus. Viele der Aussagen und Inhalte daraus sind für ganz Österreich gültig. Schuschnigg meinte, dass es heuer gelungen ist, die im Vorjahr ‚geborgten Gäste‘ wieder für uns zu begeistern. Ich denke, das sagt’s ganz schön.“

T.A.I.: Wie ist das konkret zu verstehen?

Kleemann: „Wir hatten 2020 sehr viele Gäste, die normalerweise nicht in Österreich Urlaub machen. Sie kamen in erster Linie wegen der Reisebeschränkungen, in zweiter Linie, weil sie Österreich aus früheren Urlaubszeiten kannten und weil wir einfach ein gutes touristisches Image haben. Und es waren wirklich nicht ‚die schlechtesten‘ Gäste, sondern Leute, die unter normalen Umständen durchaus teurere Urlaubsdestinationen ansteuern, die anspruchsvoll sind und die durchaus hohe Zahlungsbereitschaft haben. Denen haben wir gezeigt, dass Österreichs Hotellerie und Gastronomie bessere Angebote zu niedrigeren Preisen haben. Aufpassen: Ich will jetzt nicht günstige Preise propagieren, aber es ist einfach so: Nirgends in der Welt bekommt man ein Hotelzimmer in der Qualität, wie unsere Betriebe es anbieten, auch nur annähernd zu den bei uns üblichen Preisen. Und nirgends in der Welt kann man Top-Gastronomie zu unseren Preisen genießen.“

T.A.I.: Der Trend zur Akzeptanz höherer Preise ist also gegeben. Besteht noch Luft nach oben?

Kleemann: „Wir haben 2020 und 2021 hochpreisiges Publikum für Österreich begeistern können und daher sind die erzielten Erlöse pro Gast gestiegen. Was wir jetzt zusammenbringen müssen, ist – zwar moderat, aber kontinuierlich – Mut zum Preis zu entwickeln und einen ‚fairen Preis‘ durchzusetzen. Da haben wir die Chance, ein Krisengewinner zu bleiben. Wir haben gezeigt, wie gut österreichische touristische Angebote sind und ich denke, wir werden uns auch in den nächsten Jahren viele ‚geborgte Gäste‘ erhalten können. Wenn man schaut, wie intensiv unsere Branche auch in den Corona-Jahren investiert, wird klar, dass wir diesen Gästen auch in Zukunft ein überragendes Angebot machen können – warum sollten sie also nicht auch die nächsten Jahre bei uns bleiben?“

T.A.I.: Die vorhergesagte Konkurswelle ist bislang weder für Gastronomie noch für Hotellerie eingetreten. Wurden die Betriebe durch Corona-Hilfen „überfördert“?

Kleemann: „‚Über‘-fördert nein – ‚sehr gut‘ gefördert ja. Es gab kein anderes EU-Land und keine andere Branche, die so massiv unterstützt wurde, wie der Tourismus. Das war auch nötig, weil eine Branche mit notorisch geringer Eigenkapitalausstattung und einem nach wie vor stark saisonalen Geschäftsverlauf sonst nicht überlebt hätte. Ein Sterben vieler Tourismusbetriebe hätte nicht nur unser BIP massiv reduziert, sondern auch die Wohn- und Lebensqualität äußerst negativ beeinflusst. Ich habe die Bedeutung der Tourismuswirtschaft neulich einmal übertitelt mit ‚8 % vom BIP, aber 100 % der Lebensqualität‘ und dazu stehe ich. Wenn man nachschaut, wer aller vom Tourismus profitiert, wird klar, dass wir seitens der öffentlichen Hand alles tun mussten, um diese Branche unversehrt durch die Krise zu bekommen.“

T.A.I.: Wann rechnen Sie mit einer Marktbereinigung oder wird diese gar nicht stattfinden?

Kleemann: „Da bin ich jetzt vielleicht provokant, meine es aber wirklich so: Gar nichts wird passieren. Es werden ein paar Restaurants wegbrechen – in erster Linie Pachtbetriebe im urbanen Bereich, aber das war’s auch schon. Auch in der Wirtschaftskrise ist kaum ein Familienbetrieb der Hotellerie ausgefallen – dort, wo die Unternehmerfamilie der Lebensnerv des Unternehmens ist, wird durch noch mehr Einsatz und Selbstausbeutung die Krise wirtschaftlich überwunden.“

T.A.I.: Welchen Stellenwert haben dabei die Investitionen?

Kleemann: „Da sich das Gästeverhalten ändert, ist investieren in – ich nenne das jetzt einmal so – ‚corona­sichere Strukturen‘ unerlässlich. Wir müssen Wellnessanlagen verändern, größere Ruhebereiche schaffen, mehr in Richtung einzelpersonentauglicher Anlagen investieren, die Kleinstrukturen wieder mehr kultivieren, intimer in den Grundrissen der öffentlich zugänglichen Betriebsbereiche werden etc.“

T.A.I.: Spielt das nicht finanzkräftigen Konzernen in die Hände?

Kleemann: „Ich sehe die vielgenannte Gefahr ‚jetzt kaufen die Konzerne alles auf‘ überhaupt nicht. Für Konzerne müssen Unternehmen managementfähig sein, und das sind die österreichischen Tourismusbetriebe einfach nicht. Die Seilbahnen noch am ehesten, aber Hotels und Restaurants niemals. Zusätzlich kann sich weder die Bankenwelt noch die öffentliche Hand leisten, jetzt nach der Pandemie – hoffentlich stimmt das ‚nach‘ – Totengräber zu spielen. Es werden alle an einem Strang ziehen und die Unternehmen am Leben halten wollen. Was die während der Krise ausgegebenen Haftungen für Überbrückungsfinanzierungen betrifft, werden wir gemeinsam mit den Ministerien und den Banken den Anfang machen, und es wird die betriebliche Welt stabil bleiben.“

T.A.I.: Also alles bestens?

Kleemann: „Nein, ich finde das durchaus nicht nur gut. Ich würde mir eine sorgfältige Marktbereinigung durchaus wünschen. Weniger Anbieter heißt vor allem auch weniger Kannibalismus, weniger Preiskampf und heißt, einen insgesamt qualitativ besseren Tourismusstandort Österreich zu schaffen. Veraltetes und nicht mehr zeitgemäßes Angebot gehört weg, weil es unser Image ‚versaut‘ und weil weniger touristische Anbieter halt auch für die verbleibenden, für die guten Unternehmen mehr Mitarbeiter*innen zur Verfügung stehen und ganz plakativ gesagt, weil künftig möglicherweise wieder reduzierte touristische Nachfrage dann auf weniger Anbieter trifft.“

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