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ÖHV Kongress 2019

Herausfordernde Gratwanderung zwischen Under- und Overtourism

Print-Ausgabe 25. Jänner 2019

Nahmen am ÖHV-Kongress 2019 in Villach teil (v.l.): Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer, Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger und Kärntens Tourismus-Landesrat Ulrich Zafoschnig

Welchen Tourismus wollen wir? Diese Frage wurde laut Tourismus-Professor Harald Pechlaner bislang zu sehr in den Hintergrund gestellt – Pauschalantworten gibt es keine

Der zweite Vormittag des ÖHV-Kongresses 2019 in Villach unter dem Motto #Rethink­Tourism war dem Thema Overtourism gewidmet. Kurz vor Weihnachten hatte die Hoteliervereinigung dazu gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Roland Berger eine Studie präsentiert (ausführlich im TWq – Tourismus Wissen quarterly Nummer 15, das Anfang Jänner 2019 erschienen ist). Beim Kongress selbst setzten ein Vortrag von Harald Pechlaner (Tourismus-Lehrstuhl an der Kath. Uni Eichstätt-Ingolstadt, wissenschaftlicher Beirat im TWq) sowie eine daran anschließende Diskussionsrunde mit Harald Pechlaner, Österreich Werbung-Geschäftsführerin Petra Stolba und Hotelier Andreas Gfrerer (4-Sterne artHotel Blaue Gans Salzburg; 44 Zimmer) die Akzente.

Pechlaner ging gleich mit provokanten Statements in medias res: „Der größte Feind des Tourismus ist sein Erfolg.“ Und: „Er steht sich selbst im Weg“, denn „wenn wir etwas schützen, ist es sofort attraktiv“.

Für den Tourismusprofessor ist „Overtourism kein gut gewählter Begriff, aber man merkt in sich sehr gut“. Deshalb werde er nicht mehr aus den Medien verschwinden, sondern „uns noch länger erhalten bleiben“. Die große Aufgabe des Tourismus bestehe nun darin, „ihn mit Management-Tools zu lösen. Das muss uns gelingen“, so Pechlaner. Ansätze dazu bestehen in Besucherlenkung- und steuerung durch technische Lösungen („Dazu gibt es einige interessante Tools“), durch Incentives sowie Ver- und Gebote.

Doch dies allein reiche nicht aus: „Das sind kurzfristige Maßnahmen. Entscheidend ist: Welchen Tourismus wollen wir? Diese Frage haben wir in den Hintergrund gestellt.“ Um Antworten darauf zu finden, müsse „die klassische Steakholder-Logik durchbrochen“, der Fokus auf Wertschöpfung gelegt und das bisherige „Destinations-Marketing zum Lebensraum-Marketing“ weiterentwickelt werden: „DMOs (Destination Marketing Organisations), wie wir sie derzeit erleben, sind nicht mehr zeitgemäß.“ Am Ende sind es heute – Stichwort „Instagramisierung“ – die Gäste, die eine Destination entwickeln.

ÖW-Chefin Petra Stolba konnte dem in der anschließenden Diskussionsrunde nur zustimmen: „DMOs stehen vor einem großen Wandel, vom Destinations-Marketing zum Destinations-Management. Marketing wird nur noch ein Teil der Aufgaben sein.“

Für Pechlaner besteht das Phänomen Overtourism jedenfalls nicht in Zahlen, es lasse sich auch nicht verallgemeinern, sondern „die kritische Schwelle ist dann erreicht, wenn die Zufriedenheit der BesucherInnen zurückgeht.“ Es gehe also „um Akzeptanz im Verhältnis zwischen Gast, Gastgeber und gastgebender Bevölkerung. Betriebe und Personal spielen dabei eine Schlüsselrolle“, allen voran Familienbetriebe, „die ein guter Puffer sind, um Overtourism in den Griff zu bekommen“.

Hier harkte der Hotelier Andreas Gfrerer ein: „Ich bin als Hotelier in einer ambivalenten Situation.“ Overtourism lasse sich zudem nicht verallgemeinern: „Wenn ich mir in Salzburg die Jänner-Zahlen anschaue, dann ist das ein klarer Fall von Undertourism!“ Nicht überall, wo Overtourism darauf steht, ist er auch stets drin: „In der Nebensaison gibt es noch Luft nach oben.“

Petra Stolba: „Wir sprechen nicht von Overtourism, sondern von ‚unbalanced tourism‘.“ Die Antwort darauf liege im Qualitätswachstum. Nachsatz: „Die entscheidende Frage ist: Wie kommen wir dorthin?“

Gfrerers Vorschläge gehen in Richtung Städte- und Regions-­Yield-Management: „Wir müssen angebots- und nachfrageseitig zu steuern beginnen.“ Für Harald Pechlaner wiederum ist es wichtig, „eine gute Balance zwischen Tages- und Aufenthalts-Tourismus zu finden. Es ist gut, wenn Leute einen Obolus zahlen müssen, wenn sie zu bestimmten Zeiten da sein wollen.“ Denn eines steht für ihn fest: „Das Zeitalter des Tourismus geht erst richtig los!“ 

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