Prodinger Beratungsgruppe

„Der Optimismus kehrt langsam zurück, doch die Unsicherheit bleibt“

Print-Ausgabe 18. März 2022

„In der Wintersaison 2021/22 wurde leider viel Eigenkapital verbrannt“, berichtet Thomas Reisenzahn


 

Zarten Pflänzchen der Zuversicht stehen viele Unwegbarkeiten entgegen – so blieben die Ergebnisse November bis Jänner deutlich hinter dem Vorkrisenniveau zurück

„Der Optimismus kehrt zurück, die Unsicherheit bleibt“ – das ist die Quintessenz des von der Prodinger Beratungsgruppe mit Thomas Reisenzahn, Marco Riederer und Roland Pfeffer Anfang März initiierten Mediengesprächs im 4-Sterne-Hotel Rasmushof in Kitzbühel. Zusammen mit Hotelier Sepp Schellhorn (4-Sterne-Hotel Der Seehof in Goldegg) ging es im Kern um Antworten auf die Frage, ob das profitable Zeitalter im Tourismus zu Ende gehe.

Im Vorfeld hatte die Prodinger Beratungsgruppe betriebswirtschaftliche Kennzahlen von Österreichs Hotellerie mit den Stichtagen Jänner 2020 und Jänner 2022 verglichen sowie einen Saisonvergleich 2021/22 zu 2019/20 (jeweils November bis Jänner) durchgeführt. Demnach ist der GOP (Gross Operating Profit) im Vergleichszeitraum um fast ein Drittel von 32,9 % auf 22,5 % gesunken, der GOPPAR (Bruttobetriebsgewinn pro verfügbarem Zimmer) um die Hälfte von 61,72 Euro auf 29,51 Euro zusammengeschmolzen.

Der Gesamtumsatz pro verfügbarem Zimmer (TRevPAR – Total Revenue per available Room) ist gemessen an den Offenhaltetagen in der Ferienhotellerie in der laufenden Saison, von November bis Jänner, im Vergleich zum selben Zeitraum 2018/2019 um 37,0 % zurückgegangen. Thomas Reisenzahn: „Der notwendige Aufbau eines Liquiditätspolsters war dadurch in der Wintersaison 2021/22 nicht möglich.“ Zwar deckten Förderungen die erlittenen Verluste ab, erzeugten aber keine Liquidität. Reisenzahn: „Viel Eigenkapital wurde verbrannt.“

Von der ohnehin geringen Eigenkapitalquote von durchschnittlich 13,7 % in der Hochkonjunkturphase vor Corona ging dieser Wert zuletzt auf 10 % zurück. Bei vielen Betrieben müsste laut Reisenzahn „eigentlich schon das Reorganisationsverfahren (URG-Gesetz) greifen, das bei Eigenkapital unter 8 % beziehungsweise einer fiktiven Schuldentilgungsdauer von über 15 Jahren wirksam wird.“

Bei der Prodinger Beratungsgruppe geht man davon aus, dass sich das Problem der geringen Eigenkapitalquote in den kommenden Perioden deutlich verschärfen wird. Reisenzahn: „Am Ende der Krise droht dadurch ein Systembruch.“ Denn die sinkende Eigenkapitalquote steht einem guten Rating entgegen, das immer stärker zur Voraussetzung für Finanzierbarkeit wird, wie auch mehrere beim Prodinger Event anwesende, auch während der Pandemie expansive Hotelinvestoren – darunter Hans-Peter Weinhandl (Regulus/Grand Tirolia Resort), Gerhard Brix (Alps Resorts) und Martin Lenikus (Lenikus Hotels) – bestätigten. Dazu kommen kürzer werdende Produktlebenszyklen und spezifische Gästebedürfnisse, „die Probleme in der Finanzierung insbesondere für kleine Unternehmen schaffen.“

Die Pleiten sind im Vorjahr aufgrund diverser Staatshilfen und -maßnahmen gesunken, die Schulden haben sich jedoch verdoppelt. Zudem würde das Modell der Finanzämter und Krankenkassen, gestundete Zahlungen in Raten abzustottern, viele „Zombie“-Firmen am Leben halten. Die Gesamtsituation könnte sich 2022/23 jedenfalls noch dramatisch entwickeln, gibt Reisenzahn zu bedenken.

Als Lösung schlägt die Prodinger Beratungsgruppe eine Aufwertung der in der Bilanz nicht ausgewiesenen stillen Reserven zu einem Viertel-Steuersatz vor und zwar in Form einer befristeten Übergangsregelung bis 31. Dezember 2023. Damit wären laut Thomas Reisenzahn mehrere Fliegen auf einen Schlag erledigt: „So können die Bilanzen das echte Eigenkapital aufweisen. Die Bonität wird gestärkt und die Abschreibungsbasis langfristig erhöht. Auch für die vielen anstehenden Betriebsübergaben wäre das eine wesentliche Erleichterung.“

Sepp Schellhorn brachte in die Diskussion noch weitere Themen ein, welche die Hotellerie (nicht erst seit Beginn der Pandemie, durch die sie aber verschärft wurden) belasten: „Die Branche hat mit tiefgreifenden Umwälzungen zu tun.“ An erster Stelle nannte er den Fachkräftemangel und die sich daraus ergebenden steigenden Kosten, dann den Überhang an Gästebetten in der Ferienhotellerie, die absehbar steigenden Finanzierungskosten, das veränderte Gäste- und Buchungsverhalten sowie – hier schlägt der ehemalige Wirtschafts- und Tourismussprecher der NEOS durch – „die Orientierungslosigkeit der Politik, darauf zu reagieren.“

Erfreulich ist jedenfalls, dass nach dem anfänglich von Sorgen und Ungewissheiten gekennzeichneten Saisonverlauf in der Branche zuletzt wieder Optimismus aufgekommen ist. Reisenzahn: „Man geht davon aus, dass der Höhepunkt der Pandemie überwunden ist und sich die Nachfrage in der Ferienhotellerie wieder erholt.“ So wäre es ein Erfolg, wenn die Ferienhotels in den Winterdestinationen heuer 70 % des Ergebnisses aus dem Winter 2018/19 erzielen.

Dem stehen allerdings die jüngsten Entwicklungen des aktuellen Weltgeschehens gegenüber, allen voran der Krieg Russlands gegen die Ukraine. „Sie werden wieder zu volatilen touristischen Zeiten führen“, ist Reisenzahn überzeugt.

Saisonvergleich 2021/22 zu 2019/20 (jeweils Nov-Jan)

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