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Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft Burgenland

„Das Entlastungspaket der Regierung war eine Mogelpackung“

Print-Ausgabe 12. Jänner 2017

Helmut Tury nimmt sich kein Blatt vor den Mund, wenn es um Anliegen seiner Branche geht, und drängt auf rasche Änderungen im Zuge des neuen Tourismusgesetzes

Nordöstlich von Stegersbach im Südburgenland befindet sich Olbendorf. Auch wenn der Ort lediglich 1.477 EinwohnerInnen zählt, im dortigen Kirchenwirt, ein gemütliches Landgasthaus dessen Wurzeln bis ins Jahr 1870 zurückreichen, laufen seit etwas mehr als zwei Jahren die standespolitischen Fäden des burgenländischen Tourismus zusammen. T.A.I. traf den „Kirchenwirt“ Helmut Tury zum Interview.

Dass ein Gastronom als Obmann an der Spitze der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der burgenländischen Wirtschaftskammer steht, ist naheliegend: die Gastronomie bildet mit ihren 1.635 aktiven Mitgliedern die größte Gruppe der Sparte, gefolgt von 404 Freizeit- und Sportbetrieben, 381 Hotels, 91 Gesundheitsbetrieben, 67 Kino-, Kultur- und Vergnügungsbetrieben sowie 51 Reisebüros.

T.A.I.: Der Tourismus im Burgenland wird stark von den beiden Regierungsparteien SPÖ und FPÖ geprägt. Ist die traditionell ÖVP-nahe Wirtschaftskammer bzw. Sparte Tourismus dadurch an den Rand gedrängt?

Tury: „Der Tourismus ist nicht von Parteien geprägt, sondern von den touristischen Betrieben, den UnternehmerInnen, den tüchtigen MitarbeiterInnen, Land und Leuten sowie der Kultur. Die Sparte Tourismus ist eine Interessensvertretung für alle und kein verlängerter Arm einer politischen Partei. Wir haben also durch permanenten Meinungsaustauch und gegenseitigen Respekt beste Möglichkeiten, die Tourismuspolitik aktiv mitzugestalten.“

T.A.I.: Vor kurzem forderten Sie eine Förderaktion zur Qualitätsverbesserung für burgenländische Gastronomie- und Hotelbetriebe ein. Wenig später kündigte Landesrat Petschnig eine Qualitätsoffensive mit 800.000 Euro Fördermitteln für gewerbliche Beherbergungsbetriebe an. Entspricht diese Aktion Ihren Intentionen?

Tury: „Sie entspricht unseren Intentionen nicht zur Gänze. Wir sehen das ganzheitlich: Förderungen sollten auch der Gastronomie zugutekommen. Es könnte immer ein bisschen mehr sein.“

T.A.I.: Der Sommer 2016 hat dem Burgenland mit 9,1 Prozent Ankünfte-Plus österreichweit den größten Zuwachs gebracht, die 5,5 Prozent Nächtigungs-Zuwachs waren hingegen nur Durchschnitt. Was sind die Gründe dafür?

Tury: „Aus Gästebefragungen wissen wir, dass unsere Gäste Kurzurlaube mit zwei bis drei Nächten machen. Das Burgenland hat sich zudem in den letzten Jahren auch zur Festspiel-Destination entwickelt. Hier ist die Aufenthaltsdauer mit ein bis zwei Tagen noch kürzer.“

T.A.I.: Wie hat Ihr Betrieb heuer abgeschnitten?

Tury: „Wir sind ein reiner Gastronomiebetrieb und verzeichneten leicht steigende Umsätze. Hier spielt sicher auch mit, dass einige Betriebe im Umfeld das Handtuch geworfen haben – Stichworte dazu sind Registrierkassa, Tabakgesetz und Nachfolge.“

T.A.I.: Sie haben wiederholt Kritik am „Wildwuchs an Vereinen und Vereinsfesten“ geübt, zuletzt rund um das heuer beschlossene Entlastungspaket der Bundesregierung. Was hat es mit dem „Wildwuchs“ auf sich und wie stehen Sie zu dem „Entlastungspaket“?

Tury: „Das Entlastungspaket der Bundesregierung war eine reine Mogelpackung. Hier werden den politischen Parteien und ihren Vorfeldorganisationen – das sind über 100.000 – die gleichen Rechte eingeräumt, wie gemeinnützigen Vereinen, in dem sie sich über den Verkauf von Speisen und Getränken finanzieren. Dadurch wird es wieder verstärkt zu Veranstaltungen nicht gemeinnütziger Vereine kommen. Es gäbe aber noch eine Reihe weiterer Argumente: es werden keine Steuern und Sozialabgaben geleistet, es gibt keine Kontrolle, ob die Umsatzgrenzen eingehalten werden, und das Ganze ist auch Verfassungs-widrig. Wir bekennen uns zum Sozialstaat, der über Steuern und Sozialabgaben finanziert wird.“

T.A.I.: Ab Mai 2018 gilt ein generelles Rauchverbot in Österreichs Gastronomie. Sie galten als vehementer Gegner, es solle „alles bleiben wie es ist“ und Sie sprachen sich für bessere Prävention und Aufklärung aus. Wie sehen Sie das Thema heute?

Tury: „Ich vertrete nach wie vor diesen Standpunkt, dass man durch Aufklärung und präventive Maßnahmen wesentlich mehr Menschen in Österreich einen gesunden Lebensstil vermitteln kann. Das generelle Rauchverbot wird für kleinere Gastronomiebetriebe im ländlichen Raum und für Cafés in den Städten zu einer Überlebensfrage werden. Noch ein weiterer Aspekt: gelingt es nicht, den § 113 Abs. 5 der Gewerbeordnung dahin zu ändern, dass eventuelle Lärmbildung vor dem Lokal nicht dem Betrieb zugeordnet wird, wird es noch zu drastischeren Auswirkungen kommen.“

T.A.I.: Welche Wirkung hat Ihrer Erfahrung nach jene steuerliche Prämie in Höhe von 30 Prozent für getätigte Umbauinvestitionen für jene Betriebe gehabt, die nach dem Vorgängergesetz in getrennte Raucher-Lokalteile investiert hatten, und einen vorzeitigen und freiwilligen Umstieg schon vor dem 1. Juli 2016 vollzogen haben?

Tury: „Die wurde unserer Erfahrung nach kaum in Anspruch genommen. Vielleicht waren es ein oder zwei Betriebe.“

T.A.I.: 100.000 Euro stellte das Burgenland heuer als Registrierkassen-Förderung zur Verfügung – bis zu 500 kleine Gastwirte erhielten damit jeweils 200 Euro. War die Förderung ein Tropfen auf den heißen Stein, oder hat sie tatsächlich bei der Umstellung geholfen?

Tury: „Es war ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Umstellung hat die Betriebe 2.500 Euro gekostet. Ich persönlich habe die Förderung in Anspruch genommen, das war relativ unkompliziert.“

T.A.I.: Was erwarten Sie von 2017 für den Burgenland Tourismus? Was wünschen Sie sich von der Landespolitik an Maßnahmen?

Tury: „Der Burgenland Tourismus sollte endlich die strukturellen Änderungen des neuen Tourismusgesetzes umsetzen, damit er ins operative Handeln kommen kann. Gemeinsam mit den Betrieben sollten mehrere Pakete erarbeitet werden, um auf unterschiedlichen Märkten aktiv zu werden. Die Landespolitik kann mit klugen Förderungsmaßnahmen und Entbürokratisierungs-Schritten zu einer besseren Wertschöpfung des Tourismus beitragen.“ 

Kurzportrait Helmut Tury

Helmut Tury und seine Ehefrau Barbara – eine gebürtige Vorarlbergerin - führen den Kirchenwirt in Olbendorf in der 2. Generation, nachdem Helmut den Kirchenwirt 1983 von seinen Eltern übernahm. Die beiden hatten sich während eines Saisonaufenthaltes in Tirol kennengelernt. Heute stehen die zwei Söhne Stefan und Simon ihren Eltern bereits in Küche und Service tatkräftig zur Seite.

Das Gasthaus ist ein typischer Familienbetrieb, verfügt über fünf Einzelzimmer und sieben Doppelzimmer sowie zwei Mehrbettzimmer mit je 10 Betten. Highlight des Kirchenwirtes ist – neben einer Sonnenterasse - der rustikale klassische holzvertäfelte Saal mit Platz für ca. 150 Personen. Im Keller des Gasthauses befindet sich das Music-Pub „Flash“.

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Erstellt am: 13. Jänner 2017

Ist mit dem Entlastungspaket der Bundesregierung nicht zufrieden: Spartenobmann Helmut Tury

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