Print-Ausgabe 17. Juli 2020
„Einige Maßnahmen der Regierung sind noch nachzubessern“, so ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer
T.A.I. sprach mit ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer über die Lage von Österreichs Hotellerie, die Maßnahmenpakete der Regierung und den ÖHV-Kongress 2021
Ein komplett begrünter Innenhof, Bienen-Gesumme, shabby-chic in Form einer alten Austria Email-Mülltonne, die jetzt als Bio-Kübel dient, moderne Rattan-Garnituren zum Atmosphäre-Genießen – Europas erstes Stadthotel mit Null-Energie-Bilanz, das Boutiquehotel Stadthalle, spielte am bisher heißesten Nachmittag des Jahres all seine Trümpfe aus, als dessen Chefin, ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer, T.A.I. zum Gespräch empfing. Die Zeit war knapp: ein kurzfristig eingeschobener Termin zwischen zwei bereits seit längerem fixierten. Michaela Reitterer gehört aktuell zu den gefragtesten Interview-PartnerInnen, wenn’s um den Österreich Tourismus und Österreichs Hotellerie geht.
Wie läuft’s so, im Boutiquehotel Stadthalle? „Im Juli könnten wir 50 Prozent Auslastung hinbringen. Wahrscheinlich geht’s uns für ein Stadthotel noch gut. Im Juni kamen wir mit hohem F&B-Anteil auf 30 Prozent Auslastung“, schildert Michaela Reitterer die aktuelle Entwicklung in ihrem Haus.
Müsste derzeit nicht die gesamte Branche angesichts der Fülle von Maßnahmen zufrieden sein, mit denen die Bundesregierung der Hotellerie durch die Corona-Krise hilft? „Nein“, antwortet Michaela Reitterer mit ernster Miene. „Man muss zwischen Stadt- und Ferienhotellerie unterscheiden. Die 5 Prozent Umsatzsteuer sind für die Ferienhotellerie gut, aber wenn keine Auslastung da ist, nutzen auch die 5 Prozent nichts. Aber sie sind besser, als gar nichts.“ Reitterer hofft, dass da und dort noch nachgebessert wird. So etwa beim Fixkostenzuschuss (Betriebe mit negativem Eigenkapital sind derzeit ausgeschlossen, was vor allem die Stadthotellerie betrifft, in der viel investiert wurde) oder bei der Kurzarbeit, die bis in das nächste Jahr verlängert werden sollte: „Wir werden’s brauchen, sowohl in der Ferien- als auch in der Stadthotellerie.“
Ein Ergebnis der am Dienstag dieser Woche präsentierten 2. großen Standort-Umfrage von ÖHV, Handelsverband, Gewerbeverein, Senat der Wirtschaft und Forum EPU zu den Auswirkungen von Corona lautet, dass es „42,4 % der Unternehmen in einem halben Jahr wohl nicht mehr gibt.“ Wie beurteilt Michaela Reitterer diese Zahl? „Das ist erschreckend! Natürlich hofft jedes Unternehmen, dass sich dazwischen etwas tut. Aber gerade in der Stadthotellerie schaut’s erschreckend aus. Das ist eine Entwicklung weltweit, die schwierig ist. Es wird auch nächstes Jahr keine großen Kongresse geben.“ Auch bei den Geschäftsreisen wird sich viel ändern: „Wird man für ein paar Stunden dauerndes Meeting anreisen oder werden Zoom-Meetings dominieren! Es ist etwas anderes, sich für Urlaub zu entscheiden.“
Bei letzterem habe Österreich einen „unbeschreiblichen Vorteil. In A-Lagen, an den Seeufern, da gibt’s Leben in den Gemeinden und Geschäften. Urlaub in Österreich ist heuer wirklich das Beste und es wurde auch (Anm.d.Red.: von der Regierung) alles gut gemacht: Maßnahmen wurden schnell ergriffen und auch umgesetzt.“
Jetzt gehe es für die ÖHV darum, Stimmung in die Branche zu bringen: „Für uns ist es einerseits wichtig als Interessensvertretung, Dinge aufzuzeigen, die nicht so gut sind, anderseits aber auch gemeinsam nach vorne zu schauen und im gewissen Maße gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Wir müssen den Blick nach vorne richten und nicht nur im Rückspiegel nach hinten schauen.“
Was tut die ÖHV in diesem Zusammenhang? „Wir bieten unseren Mitgliedern alle Infos, die sie brauchen. Das wird extrem geschätzt. Wir haben dadurch 46 neue Mitglieder in den letzten Monaten bekommen, so viele, wie noch nie zuvor in so kurzer Zeit. Als ich angefangen habe, hatten wir 1.100 Mitglieder. Jetzt stehen wir bei 1.536. Das ist meiner Meinung nach aufgrund der Mitglieder-unterstützenden Interessensvertretung, wie sie sein soll.“ Viele Hoteliers, die noch nicht Mitglieder waren, und auch andere Branchen hätten gesehen, was die ÖHV macht: „Wir haben über jede Maßnahme noch am selben Tag informiert, die FAQs (Anm.d.Red: Frequently Asked Questions) schnell online gestellt, um maximale Information für die Mitglieder bereit zu stellen. Am Anfang haben wir unser Portal sogar für alle zugänglich gemacht.“
Nochmals zu den Maßnahmen der Regierung. Welche Dinge sollten vorrangig hinterfragt werden? „Es wurden mit dem letzten Konjunkturpaket Forderungen erfüllt, die wir schon lange aufgestellt hatten. Und ja, wir verhandeln über Kurzarbeit 3. Was aber ein bisschen missglückt ist, war der Härtefallfonds für Unternehmen. Da hat sich herausgestellt, dass es sich wahrscheinlich um einen Kommafehler handelt. Dem geht man gerade nach. Es kann nicht sein, dass jene, die Arbeitsplätze schaffen, weniger bekommen, als die Mindestsicherung. Das ist ein bisschen schwierig.“
Wie steht’s um die Mehrwertsteuer-Umstellung auf die bisher geltenden Sätze am 31.12.2020 um 24:00 Uhr? „Das ist ganz schwierig. Wer soll das umstellen? Da hat kein einziges IT-Unternehmen in Österreich offen. Der 1. Jänner ist ein Feiertag und ein Freitag. Der 4. und 5. sind dann Fenstertage und der 6. Jänner ein Mittwoch. Da wird man noch nachbessern müssen, etwa indem eine Frist für die Umstellung gesetzt wird.“
Wie steht es um den ÖHV-Kongress, der traditionell Anfang/Mitte Jänner abgehalten wird? „Wir hoffen sehr, er ist für uns am Schirm, aber es wird eine Herausforderung. Er wird in Linz stattfinden. Schauen wir, dass wir ihn durchkriegen. Ich bin zuversichtlich.“
Das neueste Upcycling-Gästezimmer im Boutiquehotel Stadthalle: Michaela Reitterer vor einer Skulptur aus Flipflops, die von ihr im Zuge eines Strand-Umweltprojektes aufgesammelt wurden
Erstellt am: 17. Juli 2020
Bitte die Netiquette einhalten. * Pflichtfelder