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Linz Tourismus

„Müssen raus aus der Spirale des Massenhaften“, rein in den ‚Planet Linz‘

Print-Ausgabe 14. Oktober 2022

„Tourismus muss menschlicher werden, weniger industrialisiert. Linz kann da zum Trendsetter werden“, so Georg Steiner


 

OÖs Hauptstadt hat sich vom touristischen „Noname“ zum Zentrum der Begegnung gewandelt – Tourismusdirektor Georg Steiner war dafür eine entscheidende Triebkraft

Nach eineinhalb Jahrzehnten erhält der Linz Tourismus Anfang Februar 2023 eine neue Geschäftsführerin: Marie-Louise Schnurpfeil, seit 2018 Geschäftsführerin des TVB Pyhrn-Priel. Sie folgt auf Georg Steiner, der Ende März kommenden Jahres nach einer zweimonatigen Übergabezeit in Pension gehen wird. Sein gesamtes berufliches Leben hatte Steiner nach seinem Betriebswirtschaftsstudium in Regensburg dem Tourismus gewidmet, zunächst als Tourismusdirektor von Passau, danach als Prokurist der Donauschifffahrtsgesellschaft Wurm und Köck sowie als Geschäftsführer des TVB Ostbayern. 2007 wurde er Tourismusdirektor der oberösterreichischen Landeshauptstadt. T.A.I. traf ihn vor kurzem zum Interview.

T.A.I.: War für Sie als gebürtigen Bayer die Tätigkeit in Oberösterreich ein Heimspiel?

Georg Steiner (lacht): „Ja. In Oberösterreich gibt es bekanntlich den Spruch: ‚Lieber ein Bayer, als ein Wiener‘. Aber Spaß beiseite: Ich habe als Bayer in Oberösterreich natürlich einen emotionalen Wettbewerbsvorteil.“

T.A.I.: Wie hat sich 2007 für Sie Oberösterreichs Landeshauptstadt dargestellt?

Georg Steiner: „Zunächst einmal die Größenverhältnisse. Ostbayern ist von der Fläche her doppelt so groß wie Oberösterreich. Linz hatte man dort nicht im Blickpunkt. Ich musste jedem erläutern, warum das damals touristisch noch keine profilierte Destination war. Es hat mich deshalb besonders gereizt, vor allem durch das Kulturhauptstadt-Jahr 2009. Jeder Touristiker, jede Touristikerin sollte einmal so ein Großereignis mitgestalten. Das ist wie eine Weltmeisterschaft oder die Olympischen Spiele, nur dauert es eben ein ganzes Jahr … auch wenn ich mir wünsche, dass Österreich sich auch wieder mal um Olympische Spiele bewirbt (vor einigen Jahren gab es in Graz eine Initiative, bei der auch Linz Teil der Bewerbung war). Die Bewerbung für ein Großereignis bringt Dynamik und setzt nachhaltige Prozesse in Gang. Linz war zum Beispiel vor zwei Jahren Austragungsort der Ruder WM.“

T.A.I.: Wie hat sich Linz in den zurückliegenden eineinhalb Jahrzehnten Ihrer Meinung nach geändert?

Georg Steiner: „2009 hat der damalige Bürgermeister gesagt: ‚Linz verändert‘. Das ist seither der Slo­gan. Davor war ‚In Linz beginnt’s‘. Jetzt soll die Welt mitbekommen, was sich alles verändert hat. Wir haben ja kein Goldenes Dachl und auch keine Getreidegasse. Deshalb mussten wir die Menschen mit Dingen beschäftigen, die nicht so im Fokus waren, damit sie das besuchen, was man nicht so kennt, also offen für Neues sein, Linz interessant in Szene zu setzen. Wir sind keine Konkurrenz für Salzburg oder Wien, sondern erschließen für Gäste das, was jetzt spannend ist. Die Kulturhauptstadt hat uns dabei sehr geholfen. Die Kunst mit einer modernen Stadt wie Linz touristisch erfolgreich zu sein liegt darin, nicht nur alte Gebäude, sondern Lebensqualität faszinierend zu kommunizieren – ökologisch, sozial und natürlich kulturell.“

T.A.I.: In konkreten Zahlen: Wie hat sich Linz entwickelt?

Georg Steiner: „Bei den Nächtigungen hatten wir ein Plus von rund 500.000 bis 600.000 auf knapp eine Million. Die liegt jetzt in der Luft. Dazu kommt der Schub, den Linz durch die Donaukreuzfahrten erhalten hat. Sie bringen eine Frequenz von 200.000 bis 300.000 Gästen pro Jahr in die Innenstadt. Dazu kommen Festivals und Kulturveranstaltungen. Die Entwicklung kultureller Attraktionspunkte muss dynamisch weitergehen. Wichtig ist Dezentralität – nicht alles an einem Punkt. Es gilt, die Stadt als Ganzes zu entdecken.“

T.A.I.: Wie sieht es mit der Wertschöpfung aus?

Georg Steiner: „Diesbezüglich haben wir kein Evidenz-basierendes Material. Aber die Innenstadt ist eine der Top-Einkaufsstraßen Österreichs, und da hat der Tourismus viel dazu beigetragen. Der Tourismus ist jener Faktor, der für den Einzelhandel den Trend zum Online-Handel kompensiert! Auch die Anzahl der Führungen durch Austria Guides ist ein guter Indikator: Alle sind gut beschäftigt, es gibt sogar einen kleinen Engpass. Von den Frequenzen her war vor dem Jahr 2009 nur der Pöstlingberg relevant. Jetzt ist das aufgeteilt. Mehr als 70.000 Besucher*innen heuer beim Ars Electronica Festival oder bis ins Vorjahr der Höhenrausch mit 150.000 zahlenden Gästen jährlich sind bzw. waren Peaks, um die herum sich alles verteilt. Jetzt hoffen wir, dass etwas neues Vergleichbares zum Höhenrausch kommt.“

T.A.I.: Ist die Kampagne „Planet Linz“ so etwas wie Ihr abschließender Höhepunkt?

Georg Steiner: „Für mich schon, da es das letzte große Projekt meiner Ära ist. Insgesamt sicher nicht, weil hoffentlich viele weitere Highlights kommen. Wir sind noch hungrig, Linz hat noch viel Luft nach oben.“

T.A.I.: Wie könnte sich Linz weiterentwickeln?

Georg Steiner: „Als ich angefan­gen habe, gab es den ‚Bilbao‘-Effekt. Die nordspanische Stadt ist damals Tourismus-Hotspot geworden. Linz hat sich im Gegensatz dazu jedes Jahr weiterentwickelt. Kultur hat eben heute einen kürzeren Zyklus. Mir ging es immer darum, dass Linz so wahrgenommen wird, damit es auch authentisch ist. Wir lieben die Stadt und setzen sie so in Szene, dass die Linzer*innen stolz auf sie sein können. Es geht nicht darum, nach dem Motto höher, weiter, schneller krampfhaft noch einen Punkt draufzusetzen. Sondern es geht um eine Balance, mit der sich auch die Einheimischen identifizieren.“

T.A.I.: Wie kann bzw. soll das vor sich gehen?

Georg Steiner: „Wir starteten zum Beispiel im Oktober ‚Plant Linz Days‘. Das ist ein Format im Innenmarketing, mit Führungen für Einheimische durch die Innenstadt, wo Geschäftsleute und Ladenbesitzer*innen in Shopping-Centers vorgestellt werden. Wir stellen auch alles, was die Experimentierküche so hat, aufs Tablett für Einheimische.“

T.A.I.: Gibt es so etwas wie ein persönliches Manifest, eine Botschaft von Ihnen?

Georg Steiner: „Das Thema Begegnungen wird immer wichtiger. Touristiker*innen müssen mehr von Aufzählern zu Erzählern werden. Begegnen ist das neue Besichtigen. Genau das wollen wir mit ‚Planet Linz‘ erreichen: Die Bereitschaft zur Begegnung heben, Offenheit zu signalisieren, Gäste zu Einheimischen dazuzusetzen. Wir müssen aus der Spirale des Massenhaften herauskommen und Spielräume öffnen, die nicht von Haus aus inszeniert werden. Tourismus muss menschlicher werden, weniger industrialisiert. Linz kann da durchaus zum Trendsetter werden!“

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