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Kitzbühel Tourismus

Kitzbühel 365 – weil Auslastung wichtiger ist als Nächtigungsrekorde

Print-Ausgabe 28. Februar 2020

Steht mit Präsidentin Signe Reisch an der Spitze von Kitzbühel Tourismus: Geschäftsführerin Viktoria Veider-Walser


 

Ziel ist eine qualitativ hochwertige Gesamtentwicklung der Destination – die Erfolge der gesetzten Maßnahmen werden quartalsweise kontrolliert

Als www.tai.at Anfang Februar eine Analyse über die Führungsstrukturen der Tiroler Tourismusverbände (TVBs) veröffentlichte, schlug dies extrem hohe Wellen. Der Grund: Es gibt in nur acht der 34 TVBs eine Geschäftsführerin, in nur zwei steht eine Obfrau an der Spitze und ein einziger Verband – der Kitzbühel Tourismus (Präsidentin Signe Reisch und Geschäftsführerin Viktoria Veider-Walser) – hat eine weibliche Doppelspitze. Grund genug, um mit Viktoria Veider-Walser ein Interview zu führen. Sie gehört seit vier Jahren zum Team des Kitzbühel Tourismus, zunächst als Produktmanagerin, seit September 2017 als Geschäftsführerin.

T.A.I.: Wie geht es Ihnen als Frau bzw. Ladies-Doppel in dem überwiegend von Männern domi­nierten, extrem harten Umfeld?

Veider-Walser: „Eine Führungsposition zu bekleiden erfordert grundsätzlich viel Einsatz, und manchmal muss Erfolg auch erkämpft werden. Da ist der Tourismus keine Ausnahme. Eine Führungskonstellation bestehend aus zwei Frauen sollte im Jahr 2020 eigentlich kein Erstaunen mehr hervorrufen. Am Ende des Tages gilt es zu performen, egal ob Mann oder Frau.“

T.A.I.: Sie haben wesentlich an dem bei der letzten Vollversammlung vorgestellten Konzept „Kitzbühel 365“ mitgewirkt, durch das die Region als Ganzjahresdestination etabliert werden soll. Ist sie das nicht bereits?

Veider-Walser: „Im Rahmen der Strategieentwicklung lag ein starker Fokus darauf, den einzuschlagenden Kurs von innen wachsen zu lassen. Schließlich sind es unsere Leistungsträger, die über den Erfolg der Umsetzung entscheiden. Ganz zentral ist hier ein gemeinsames Verständnis, wohin der Weg führen soll. Dies ist uns mit der Strategie ‚Kitzbühel 365‘ gelungen. Als Gemeinschaftsprojekt, gibt es uns den Handlungsrahmen der nächsten fünf Jahre vor.

Und ja, mittlerweile sind 20 Prozent unserer Betriebe ganzjährig geöffnet. Die Bergbahn AG unterstützt das mit 360 Öffnungstagen und die hochwertige Kongressinfrastruktur hilft uns besonders in den Rand­zeiten. So gesehen sind wir auf dem richtigen Weg. Optimierungspotenzial gibt es jedoch immer.“

T.A.I.: Was sind die wichtigsten Punkte von „Kitzbühel 365“ und welche Maßnahmen werden gesetzt, um sie zu realisieren?

Veider-Walser: „Im Rahmen der Strategieentwicklung haben wir den Status quo kritisch hinterfragt. Von Claim über Markenkern­werte, Corporate Design und Produkt-­Markt-­Matrix wurde kein Stein auf dem anderen gelassen. Zudem haben wir uns intensiv mit Marktforschungsergebnissen beschäftigt, – mein ehemaliges Arbeitsumfeld –, um unsere Erkenntnisse auch mit Daten zu hinterlegen. Wir sind der Meinung, dass eine gute Basis das aushalten muss und so war es auch. Die Markenkernwerte und Kernprodukte sowie unsere Fokusmarktstrategie hat nur leichte Adaptionen benötigt. Bei Claim, Corporate Design und Bildsprache sind wir jedoch überein, dass unsere Appearance nicht mehr dem Zeitgeist entspricht. Daran wird nun konsequent gearbeitet.“

T.A.I.: Wie wollen Sie die Erfolge von ‚Kitzbühel 365‘ messen?

Veider-Walser: „Eine Strategie ist immer eine langfristige Angelegenheit und doch wäre es fatal, keine messbaren Ziele zu hinterlegen. Obgleich die derzeitig herkömmliche Bewertung der touristischen Leistungen auf Basis der Nächtigungszahlen erfolgt, hat es sich Kitzbühel Tourismus zum Ziel gemacht, diesem Parameter weitere Bewertungskriterien zur Entwicklung der Region hinzuzufügen. So ist es das größere Ziel, Kitzbühels existierenden Betrieben noch mehr Auslastung zuzuführen, als neue Nächtigungsrekorde aufzustellen. Dies ist ganz im Sinne einer qualitativ hochwertigen Gesamtentwicklung der Destination. Neben Auslastungs- und Wertschöpfungszielen haben wir deshalb auch qualitative Eckpfeiler sowie operative Ziele formuliert, die wir als Körperschaft auch direkt beeinflussen können. Mittels quartals­mäßiger Zielvereinbarungen pro Abteilung, welche sich aus der Strategie ableiten lassen, versuchen wir, das Verständnis zu steigern, dass jeder an der Erreichung dieser Ziele maßgeblich beteiligt ist.“

T.A.I.: Teil des Konzepts ist die Kampagne „local heroes“. Was darf man sich darunter vorstellen?

Veider-Walser: „Obwohl wir sehr starke Umfragewerte in Bekanntheit, Innovationsfähigkeit sowie als Premium-Marke erzielen, liegen wir bei den Sympathiewerten nur im Branchenschnitt. Mit dem Konzept ‚local heroes‘ versuchen wir mittels Multi-Channel-Storytelling diesem Umstand entgegenzuwirken. Wir besuchen dabei authentische, sympathische Kitzbüheler Persönlichkeiten in ihrem natürlichen Umfeld. Die für den Gast konsumierbaren Pro­dukte stehen dabei im Hintergrund, werden aber subtil kommuniziert. Kitzbühel wird damit ein Gesicht gegeben, das in konventionellen Medien selten gezeigt wird.“

T.A.I.: Gegenüber dem Tirol Werbung-Magazin „Saison“ meinten Sie, dass es wichtig sei, „unsere Kräfte über Verbandsgrenzen hinaus zu bündeln.“ Welche Schritte werden in diese Richtung gesetzt?

Veider-Walser: „Im Sinne des Gastes und der Marke, versuchen wir grundsätzlich, vernetzt zu denken. Erlebnisräume enden nicht an der Destinationsgrenze und so sollten wir es auch mit unserem Horizont halten. Konkrete Umsetzung findet dies sowohl in der Markenarbeit mit unseren Best of the Alps-Partnern, als auch in der Produktentwicklung, die wir mit unseren geografischen Nachbarn forcieren. Das Synergie­potenzial ist umfassend, sei es nur im digitalen Bereich. Und doch verwenden wir sehr häufig Zeit und Ressourcen für das ‚Kochen eigener Süppchen‘, die am Ende doch alle ähnlich schmecken.“

T.A.I.: Was waren die Gründe, weshalb Kitzbühel 2019 mit einem leichten Nächtigungs-­Rückgang abschloss und was erwarten Sie für 2020?

Veider-Walser: „Nächtigungs­zahlen sind nicht der aussagekräftigste und doch der gängigste momentan verfügbare Indikator. Trotzdem sollte man sie nicht als isolierte Variable betrachten. Auch nicht, wenn das Ergebnis äußerst positiv ist, so wie diesen Winter, unserem besten Nächtigungsergebnis seit dem Jahr 2000. Wenn Betriebe durch strategische und qualitätssteigernde Maßnahmen Nächte verlieren, aber an Wertschöpfung gewinnen, so ist dies langfristig positiv zu sehen. Umbauten und Renovierungen ebenso. Eines ist jedoch klar: Der Bettenverlust in Kitzbühel liegt weit über dem Branchenschnitt. Ein Umstand, den man nicht wegdiskutieren kann.“ 

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