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WienTourismus

Kein Preiskampf, vorsichtiger Optimismus! Wien startet durch

Print-Ausgabe 17. September 2021

Norbert Kettner rechnet bei den Nächtigungen für 2021 „mit einer „schwarzen Null“ gegenüber 2020 (Foto: © WienTourismus/Peter Rigaud)


 

Wiens Hotellerie erweist sich in der Corona-Krise als überaus Preis-diszipliniert – der WienTourismus bereitet unterdessen geschickt den Boden für den Aufschwung

Gesprächstermine bei Wiens Tourismusdirektor Norbert Kettner sind eine feine Sache. Es gibt nur wenige analytische Vordenker in der Branche, die gleichzeitig dermaßen Praxis-bezogen agieren. Am Dienstag dieser Woche war es wieder soweit. Kettner zeigte sich dabei bezüglich der möglichen Entwicklung für Österreichs Bundeshauptstadt „vorsichtig optimistisch.“

Drei Punkte geben ihm Anlass dazu. Punkt eins: „Die Menschen werden das Reisen nicht aufgeben.“ Punkt zwei: „Sobald die Grenzen aufgehen, setzt eine starke Erholung ein.“ Jüngste Beispiele dafür sind die VAE (Vereinigte Arabische Emirate) mit +1.206 % bei den Juli-Nächten im Vergleich zum Vorjahresmonat und Israel (+2.142 %). Die Zahlen liegen zwar noch deutlich hinter den 2019er Werten (VAE -65 %, Israel -43 %), aber sie zeigen: „Die Menschen reisen.“ Erfreulich sei zudem, „dass sowohl die VAE als auch Israel besonders stark in der wertschöpfungsintensiven 5-Sterne-Hotellerie gewachsen sind.“

Vor allem die Entwicklung Israels habe überrascht, wo aktuell ab/bis Wien sechs tägliche Verbindungen von vier Airlines angeboten werden. Kettner hofft, „dass es einen ähnlichen Effekt gibt, wenn die USA anlaufen.“

„Wir haben die Gewissheit, dass wir es noch können“

Und der dritte Punkt zum Anlass von Optimismus? „Wir haben jetzt die Gewissheit, dass wir es noch können, sowohl im Tourismus, als auch mit Events.“ Der Vienna City Marathon, der weltweit größte Kongress für Ästhetische Chirurgie – der International Society of Aesthetic Plastic Surgery (ISAPS) – Mitte September und die 5. Weltkonferenz der Parlamentspräsident*innen Anfang des Monats lieferten probate Bespiele dafür.

Für Österreich und Wien sprechen die Sicherheitskonzepte (Hygienefaktor) und dies sei „eine Tendenz, die bleiben wird.“ Dazu komme der hierzulande gelebte „Konservatismus, der (von den Partner*innen in aller Welt) als Verlässlichkeit interpretiert wird.“ Und natürlich „die Substanz, sowohl der Hard- als auch der Software.“ Hier gehe es um die Frage, „in welchen Bereichen man wirklich etwas anzubieten hat.“

Wie steht es mit den Erwartungen für die kommenden Monate? Bei dieser Frage holt Norbert Kettner etwas aus. Besonders erfreulich sei, dass im Juli 2021 die ADR (Average Daily Rate) in Wiens Hotellerie „quasi gleichgeblieben ist“ und das im Vergleich zum Juli 2019. „Das heißt: es gibt keinen Preiskampf in Wien!“ Allgemein sehe der WienTourismus „eine allmähliche Erholung, deren Schwung wir hoffen, so lange wie möglich in den Herbst mitzunehmen. Wir gehen auch von einem sehr guten Dezember aus.“

„Schwarze Null“ gegenüber dem Jahr 2020

Eine „schwarze Null“ ist möglich, wenn August und September  mit 50 % von 2019 und das dritte Quartal mit 30 % von 2019 abgeschlossen werden.

Für das erste Quartal 2022 macht sich Norbert Kettner „wenig große Hoffnungen, das ist traditionell schwächer.“ Er hofft aber, dass die USA als Fernmarkt „sobald wie möglich zurückkommen. Das erste Quartal 2022 ist derzeit dafür realistisch.“ In China könne „ab zweiten oder dritten Quartal 2022 etwas passieren“. Beide Länder sind für Wien von großer Bedeutung: Vor der Pandemie rangierten die USA auf Platz 3 und China auf Position 7, sowohl in der Nächtigungs- als auch in der Umsatzstatistik.

Spannende Weichenstellungen rund um das 1G-Modell

Kettner: „Die Fernmärkte wie die USA und die asiatischen Märkte, vor allem Japan und China, fehlen. Vor allem auch dahingehend verfolgen wir die Diskussionen rund um 1G gespannt.“ Hier gehe es „um spannende Weichenstellungen“. Der WienTourismus sei mit dem Vienna Convention Bureau (VCB) „eng mit der Wissenschaft verbunden. Und Wissenschaft ist den Menschen zumutbar. Wenn man die Wissenschaft nicht anwendet, werden wir mit hoher Wahrscheinlichkeit große Probleme bekommen.“

Wichtig sei zudem „die Erreichbarkeit und hier nicht nur durch den National Carrier.“ Der Flughafen Wien habe zwar „einen guten Sommer hingelegt, für uns wichtig sind aber die Langstrecken.“ Erfreulich entwickle sich das Bahn-Angebot („Das ist nicht mehr umkehrbar“), es müsse aber „ein Ineinandergreifen“ aller Verkehrsträger geben. Ungelöst sei etwa außerhalb der Städte das Thema der „letzten Meile“. Auch die Thematik der Zubringer zu den Fluglangstrecken müsse differenziert gesehen werden, denn Flüge unter 500km machen in Europa 24 % aller Flüge aus, sind aber nur für 4 % der Flugemissionen verantwortlich. „Unser Standpunkt ist, dass Nachhaltigkeit unter Einbeziehung der historischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte betrachtet werden muss. Man kann das eine nie ohne das andere denken!“ Hier gehe es um Prozess- und technologische Innovationen.

Vom Budget her gebe es „in gewissem Ausmaß einen Ersatz für die Ortstaxe, was nicht heißt, dass wir nicht sparen müssen. Wir können aber die Mittel sinnvoll einsetzen. Wir kommen klar.“ Wobei Norbert Kettner darauf verweist, dass es in Wien „als einzigem Bundesland keine Interessenten-Abgabe gibt.“ Die Stadt habe den WienTourismus in der Corona-Krise „nie als Teil des Problems, sondern als Teil der Lösung gesehen.“

Neue B2C-Herbstkampagne „Feed Your Soul“

Viele Chancen biete laut Norbert Kettner u.a. die Weiterführung der Luxusstrategie (der Luxusbereich stellt weltweit rund 7 % aller Reisen, sorgt aber für 20 % aller Umsätze). Vorige Woche wurde bei einer Veranstaltung für Wiener Luxusanbieter der neue Film „Vienna – A luxurious journey“ vorgestellt, Anfang Dezember werde der WienTourismus an der ILTM (International Luxury Travel Market) in Cannes teilnehmen und an der Private Luxury Global Edition in Mexiko im November.

Dieser Tage wird zudem die B2C-Herbstkampagne „Feed Your Soul“ in acht Märkten gestartet. Dabei wird den Betrieben der „Wiener Visitor Economy“ wieder die Möglichkeit geboten, „unsere Kanäle zur Bewerbung von konkreten Angeboten kostenfrei zu nutzen.“ Später folgt dann die Winter-Kampagne. Der eingangs erwähnte „vorsichtige Optimismus“ von Tourismusdirektor Norbert Kettner hat also nicht nur seine Berechtigung, vielleicht wird er sogar übertroffen. 

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