Ski amadé Expertengespräch

Individualität in der Masse? Das ist nicht immer ein Widerspruch

Print-Ausgabe 17. November 2017

„Wie viel Individualität lässt der Massentourismus zu?“ Antworten auf diese Frage suchten Mitte Oktober die rund 180 TeilnehmerInnen beim „12. Ski amadé Expertengespräch“, das im Rahmen der Ski amadé Akademie im Kultur- und Kongresshaus in St. Johann im Pongau über die Bühne gegangen ist. Als Vortragende hatte Christoph Eisinger, Geschäftsführer von Ski amadé, Werner Taurer, Kohl & Partner München und Lektor an der FH Salzburg, sowie Doris Höhenwarter, Geschäftsführerin des TVB Bad Gastein, Nadine Brendel (Studio5640) und Tourismusdirektor Thomas Wirnsperger von der Region Großarltal gewonnen. Das Thema ist angesichts der heuer im Sommer zum Teil gekippten Stimmung in Destinationen in Spanien oder Italien überaus aktuell.

Ski amadé zählt zu den größten Playern im österreichischen Tourismus: in der vergangenen Wintersaison wurden im Skiverbund, zu dem fünf Regionen mit insgesamt 25 Wintersportorten gehören, 7,5 Millionen Erstgasteintritte bei den Bergbahnen gezählt, in den Beherbergungsbetrieben wurden insgesamt 7,1 Millionen Gästenächtigungen verzeichnet. Für Werner Taurer Grund genug,  um sich auch in Ski amadé mit den möglichen Auswirkungen, aber auch Chancen zu befassen.Wichtig sei es, nachlassender Besucherzufriedenheit in Zielgebieten mit Massentourismus, sowie Kapazitätsproblemen, Übernutzung von Einrichtungen und Infrastrukturen sowie vor allem auch schlechterer Lebensqualität für Einheimische vorzubeugen. Geschickte Planung und Positionierung sind hier wichtige Maßnahmen. Für Taurer biete steigende Nachfrage „die Chance, hochwertige Qualitätsprodukte abzusetzen.“ Aus der Sicht des Anbieters gelte es die Grundsatzentscheidung zu treffen, Qualitäts- und Preisführerschaft anzustreben (vielleicht auch in einer Nische) oder als Kostenführer am Massenmarkt zu agieren. Taurer: „Beides hat nebeneinander Platz, Gefahr droht vor allem bei Mittelmaß und Austauschbarkeit.“

Um Nischenprodukte ging es im Impulsreferat von Doris Höhenwarter und Nadine Brendel. „Ein Kreis junger Kreativer weckt derzeit das einst leicht verstaubte Kaiserbad in Bad Gastein aus dem Dornröschenschlaf.“ Der Traditionsort „mit vielen Ecken und Kanten“ versuche derzeit „mit einer gezielten Gästeansprache, Individualtourismus neben Massentourismus zu entwickeln.“ Doris Höhenwarter: „Aus der Not heraus mussten wir uns neu erfinden.“ Durch verschiedene Nischenevents und eine engagierte, innovative Hotelszene gelinge es nach und nach, dem Kurort „trotz der verwaisten Hotels im Ortskern neues Flair einzuhauchen und für verschiedenste Gästeschichten wieder interessant zu werden.“

Für Thomas Wirnsperger ist „Ski amadé in der glücklichen Situation, aus dem Vollen schöpfen zu können und somit nahezu sämtliche Nischen im alpinen Skitourismus abzudecken.“ Er betitelt Skitourismus zwar als Massentourismus, „doch obwohl die Gäste die unterschiedlichsten Bedürfnisse haben, bekommen sie diese jeweils individuell befriedigt und fühlen sich somit interessanter Weise nicht als Teil einer Masse.“ Als Beispiele dafür nannte Wirnsperger Zusatzangebote, die Erlebnisskitage „Ski amadé – made my day“ oder die Angebote von BERG-GESUND, wie Eisklettern, geführte Schneeschuhwanderungen oder geführte Skitouren: „Diese augenscheinlich ‚kleinen Dinge‘ können mitunter sogar urlaubsentscheidend für eine individuelle Urlaubsplanung und den Wiederbesuch sein.“

Letztendlich geht es also um das Schaffen von Individualität. Sie ist nicht nur buchungsentscheidend, sondern ermöglicht den Gastgebern auch eine höhere Preisdurchsetzung, denn ein persönlich maßgeschneidertes Angebot wird bei Preisgleichheit immer bevorzugt, wie bei der anschließenden Diskussion mehrfach betont wurde. In vielen Fällen seien die Kunden sogar bereit, (geringfügig) mehr zu bezahlen. 

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Erstellt am: 17. November 2017

Bild, v. l.: Werner Taurer (FH Salzburg), Ski amadé Präsident Georg Bliem; Doris Höhenwarter (TVB Bad Gastein); Nadine Brendel (Studio5640), Christoph Eisinger (GF Ski amadé), Thomas Wirnsperger (TVB Großarltal)

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