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WienTourismus

High End und Qualität. Jetzt. Große Pläne mit schmalem Rechen

Print-Ausgabe 16. Jänner 2020

„Wir werden in den Themensetzungen immer spezieller“, so Tourismusdirektor Norbert Kettner


Der von den Low Cost Carriern entfachte Ankünfte-Boom flacht seit November ab – dies begünstigt die weitere Entwicklung Wiens hin zur Premium-Destination

Wien nimmt unter Österreichs Bundesländern als reines Städteziel eine Sonderposition ein. Diese manifestiert sich in quantitativen Steigerungen (seit 2000 sind die Wien-Ankünfte um 145 Prozent gestiegen, in den übrigen Bundesländern um 66 Prozent) ebenso, wie in den qualitativen: Der in Wien seit 2013 erhobene RevPAR (Revenue per available room) in Hotels und Pensionen kletterte um mehr als 28 Prozent auf 67,50 Euro in 2018. Im Vorjahr steuerte er auf einen weiteren Bestwert zu: Von Jänner bis Oktober 2019 stieg der RevPAR gegenüber dem Vergleichszeitraum 2018 um weitere 11,3 Prozent auf 72,40 Euro.

Anhand des RevPAR wird deutlich, wie sehr sich Wien weg von der Massen- hin zur Premium-Destination entwickelt. Die neue „Visitor Economy Strategie 2025“ (T.A.I. berichtete darüber) soll diesen Trend verstärken. „Wir gehen vom breiten Rechen zum schmalen Rechen über“, bringt es Tourismusdirektor Norbert Kettner gegenüber T.A.I. auf den Punkt. „Wir gehen in die Nische, werden noch spitzer und in den Themensetzungen immer spezieller.“

Der gezielten Abkehr vom Volumen folgte ein Überdenken der Messe-Präsenzen, was im erstmaligen Fernbleiben 2020 von der ITB Berlin mündete. Auf Meeting- und Luxusmessen hingegen wird der WienTourismus weiter präsent sein. „Die ITB macht Sinn, wenn man die Breite bearbeiten will“, argumentiert Norbert Kettner. „Wir haben schon in den letzten Jahren gesehen, dass für uns die Relevanz nicht mehr da und die Kosten-Nutzen-Relation nicht mehr gegeben war. Der Aufwand war nicht mehr gerechtfertigt.“

Die Wirkungsweise des „schmalen Rechens“ in der Marktbearbeitung verdeutlicht Kettner am Beispiel China: Dort begann der WienTourismus vor 25 Jahren, in Peking, Shanghai, Hongkong und Guangzhou das traditionelle Gruppen-­Geschäft aufzubauen. Längst sind diese vier großen Städte im Individualgeschäft angekommen. „Wir waren auch die ersten, die in ‚Second Tier‘-Städte gegangen sind. Auch dort sind wir bereits im ‚Second Circle‘, also bei den Individualreisenden“, so Kettner. 2020 folgt der nächste China-Schritt mit einer eigenen Roadshow für Luxus- und Premiumanbieter. Umgekehrt wird der WienTourismus laut Kettner hierzulande Formate starten, „um die Wiener Branche China-fit zu halten. Aufgrund der langen Marktpräsenz kriegen wir mit, dass sich etwas ändert. Und zwar nicht nur in China.“

Im Zuge der „Visitor Economy Strategie“ weitet der WienTourismus auch seine Aktivitäten im Bereich des Luxus-Marketings aus, wo seit vielen Jahren u. a. mit dem „Forum Club“ kooperiert wird: Dieses exklusive Netzwerk mit Räumlichkeiten in London, New York, L.A., Singapur und Dubai zählt weltweit nur 400 Mitglieder, alle im High End-Bereich. „Wir schaffen damit Markt-Zugänge nicht nur für den Tourismus, sondern auch für traditionelle Geschäfte und Handwerksbetriebe, wie Lobmeyr, Backhausen, Jarosinski & Vaugoin oder Scheer, sowie für Kultur-Anbieter, wie das Leopold Museum, ohne das wir den Schwerpunkt Wien 1900 nicht in dieser Form umsetzen hätten können“, so Norbert Kettner.

Zu den Highlights 2020 des WienTourismus gehört der 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven. Kettner: „Wir arbeiten nicht nur an der Biographie, sondern erklären auch, warum Wien für so viele MusikerInnen Wahlheimat ist.“ Youtube-­Kostproben von Weltstars mit Wien-Faible, wie Billy Joel, Hans Zimmer, Yuja Wang oder Joshua Bell, gibt es auf http://musik2020.­wien.info

Darüber hinaus wird der WienTourismus 2020 stark am Regionen-­Konzept arbeiten, um Gästen andere Stadtbereiche (als die meistfrequentierten) schmackhaft zu machen: „Wir fassen Themen zusammen, die zum Teil naheliegend und überraschend sind“, erklärt Norbert Kettner. „Durch die Donauinsel hat Wien z. B. mehr Küste als Slowenien, als Großstadt verfügt Wien über ein Weinbaugebiet von 700 ha, das von 190 WinzerInnen bewirtschaftet wird, und auch die Grätzel werden wieder wichtiger: Wer hätte vor 10 Jahren gedacht, dass es beim Schweizergarten ein Luxus-Hotel geben kann? Jetzt ist dort das Andaz.“

Dazu kommt unter dem Titel „Rail Service Development“ die Forcierung der Bahn-Anreisen (Kettner: „Sechs bis sieben Stunden Bahnfahrt sind zumutbar“), der Kongress-Bereich wird auf hohem Niveau weiterentwickelt („2019 war sehr gut, 2020 wird sehr, sehr gut“) und in der Strategie „Air Service Development“ wird der Fokus nur noch auf Langstrecken und Legacy Carrier ausgerichtet.

Was bleibt, ist eine generelle Tendenz zu weniger Betrieben, mehr Betten und Zimmern sowie eine große Dynamik bei den sonstigen Unterkünften, wobei Kettner hier „die hohe Meldemoral“ hervorhebt. Quantitativ rechnet er 2020 mit einer Konsolidierung, nachdem es in den ersten Monaten 2019 „eine Explosion bei den Ankünften gegeben hat“ (u. a. durch den 2018 eingesetzten Boom bei den Low Cost Carriern). Diese Entwicklung flacht seit November ab. Norbert Kettner: „Das vergönnt der Stadt eine Verschnaufpause.“ Dies betrifft die Quantität, denn der gezielt eingesetzte „schmale Rechen“ wird dafür sorgen, dass es qualitativ weiter nach oben geht. 

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