Print-Ausgabe 18. November 2016
Bei der von den Casinos Austria initiierten Podiums-Diskussion nahm sich keiner der TeilnehmerInnen ein Blatt vor den Mund – aus gutem Grund
Es gibt kaum ein Thema, das den Tourismus derzeit so intensiv beschäftigt wie die Digitalisierung. Der „Standortdialog Tourismus“ beim Forum Alpbach Ende August war ihm ebenso gewidmet, wie das TOP-Seminar des BÖTM Anfang Oktober oder wenig später der „12. Brennpunkt eTourism 2016“ der FH Salzburg. Auch die „Innovationsmillion 2017“ des Wirtschaftsministeriums fokussiert auf die Digitalisierung im Tourismus und die Steiermark startete Ende September eine touristische „Digitalisierungsoffensive“ für Betriebe und Verbände. Das Thema „Die Digitalisierung des Tourismus – Wieviel digitale Infrastruktur braucht das Reise-Business?“ beim 7. Casinos Austria Tourismus Talk vor kurzem im Kleinwalsertal traf damit mitten ins Schwarze. Zusätzlich hatte es auch einen höchstaktuellen Bezugspunkt.
Der bestand in der einen Tag später erfolgten Verabschiedung der Novellen zum UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) und zum Preisauszeichnungsgesetz durch den Tourismusausschuss im Parlament. Durch diese Novellen wird der von den OTAs geforderten und von den Betrieben bekämpften „Bestpreisklausel“ ein Riegel vorgeschoben. Wobei Markus Gratzer, Generalsekretär der ÖHV (Österreichische Hoteliervereinigung), der bei dem „Casinos Austria Tourismus Talk“ die Key Note hielt, eines betonte: „Mit der UWG- und Preisauszeichnungs-Novelle wird nicht alles gut.“ Man habe aus Sicht der Beherbergungsbetriebe zwar „viel erreicht und Zähne gezeigt“, entscheidend werde es aber sein, „wie die Betriebe damit umgehen und das Beste daraus machen.“ Dabei gehe es um optimales Revenue Management. In keinem Fall dürfe es jetzt einen Preiswettbewerb gegen den Vertriebskanal der OTAs geben.
Für Alexander Fritsch, – der Tourismusberater ist u.a. Dozent für eTourism an der Hochschule Chur –, ist die geballte Ladung an Digitalisierungs-Veranstaltungen kein Zufall. Seine lapidare Feststellung: „Es sind alle überfordert. Niemand ist derzeit state-of-the art.“ Wobei der Tourismus des Alpenraums noch erheblich besser dastehe, als z. B. die Destinationen rund ums Mittelmeer, die „überproportional von Reiseveranstaltern abhängig“ sind.
Die Geschäftsführerin Kleinwalsertal Tourismus, Anne Riedler („Wir müssen den Tourismus im Bereich Digitalisierung mit einem unsanften Tritt wachrütteln“), sieht die Betriebe in ihrer Region „zu 50 Prozent relativ gut aufgestellt.“ Das Kleinwalsertal zählt laut BAK-Topindex seit Jahren zu den erfolgreichsten Destinationen im Alpenraum, mehrfach sogar als Nummer 1. Der Online-Umsatz wurde zuletzt innerhalb eines Jahres verfünffacht. Darauf ruhe man sich aber nicht aus: Die Destinationsstrategie 2023 fokussiere ganz klar auf Digitalisierung, mit dem Ziel, „von der Nächtigung zur Wertschöpfung“ zu gelangen.
Laut Casinos Austria-Vorstand Dietmar Hoscher, dem Initiator der „Casinos Austria Tourismus Talks“, ein hehrer Vorsatz: „Das Thema ‚von der Nächtigung zur Wertschöpfung‘ beschäftigt uns schon seit 30 Jahren, es begleitet uns jetzt und wird uns auch weiter begleiten.“ Wobei die Casinos Austria durch ihre touristischen und kulturellen Initiativen einen wichtigen Beitrag dazu leisten: „Der Gast sucht nicht ein tolles Zimmer, sondern spezielle Angebote in Kultur, Sport und vielem mehr.“ Doch die digitale Vernetzung mit dem Tourismus funktioniere in Österreich nach wie vor nicht so gut. Hoscher: „Bei uns dominiert noch die Bewässerung des eigenen Schrebergartens.“
ÖHV-Vizepräsident Gregor Hoch sieht es ähnlich: „Wir verkaufen nicht Preise, sondern Urlaub. Wir müssen unsere Produkte mit Argumenten aufladen, warum der Kunde zu uns kommen soll.“ Hoteliers und Destinationen empfiehlt er vor allem eines: „Kurse besuchen. Aussitzen geht nicht.“ Denn dass Materie unheimlich komplex ist, hätten mittlerweile alle begriffen.
Kein Wunder also, dass Fritsch von einer „Baustelle“ sprach. Viele Unternehmer, die seine Seminare besuchen, säßen zwei Jahre später wieder da, „um sich das alles noch einmal anzuhören.“ Betrieben empfiehlt er, die „großen OTAs für die eigene Sichtbarkeit zu nützen“, alles zu tun, um „bei Google gefunden zu werden“ und last but not least die Möglichkeiten auszuschöpfen, welche sich durch die Bewertungen ergeben (siehe Info-Kasten). Wer diese Hausaufgaben erledigt, habe einen großen Schritt vorwärts gesetzt.
Das Schlusswort hatte dann Gastgeber Dietmar Hoscher: „Digitalisierung ist nicht der Stein der Weisen, aber ein nützliches Tool.“ Die persönliche Dienstleistung sei entscheidend, dort gilt es, die Benchmark zu setzen.
Laut einer brandaktuellen Masterarbeit an der Universität Chur – sie wurde Ende Oktober im Rahmen einer Defense vorgestellt – steigt die Conversion-Rate von Reise-Websites deutlich, sobald sie aktuelle Bewertungen (z. B. Customer Alliance, Tripadvisor oder Holidaycheck) integrieren, und zwar unabhängig davon, wie diese ausfallen. Fritsch: „Bei guten Bewertungen klettert die Conversion-Rate sogar signifikant nach oben.“ Nähere Details sind noch nicht bekannt. T.A.I. wird die Ergebnisse der Masterarbeit vorstellen, sobald sie approbiert ist.
Erstellt am: 18. November 2016
V.l.: Markus Gratzer, Alexander Fritsch, Anne Riedler, Gregor Hoch und Gastgeber sowie Casinos Austria-Vorstandsdirektor Dietmar Hoscher. - © Casinos Austria
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