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FHWien der WKW

Blühend, aber kein Selbstläufer: Auch Gartentourismus will gelernt sein

Print-Ausgabe 17. Juni 2022

„Auch durch COVID-19 hat sich das Interesse an grünen Rückzugsorten weiter verstärkt“, so Lenka Haller


 

Wie das am besten funktioniert und was dabei alles zu beachten ist, hat die Master­studentin Lenka Haller in einer von Daniela Wagner betreuten Abschlussarbeit erhoben

Im Bereich der Tourismus- und Freizeitwirtschaft ist das Interesse an Gartenkunst und insbesondere an den unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten von Gärten seit gut 20 Jahren immer mehr zum Thema geworden. „Dieser Trend geht ungebrochen weiter“, betonten Daniela Wagner (Academic Expert & Lecturer – Studienbereich Tourismus- und Hospitality Management an der FHWien der WKW) und die Studentin Masterstudium Leadership im Tourismus Lenka Haller, die darüber ihre Abschlussarbeit verfasst hat. Für Lenka Haller stellt der unverminderte Aufwärtstrend keinen Zufall dar: „Insbesondere in einer stark digitalisierten und globalisierten Umwelt und letztlich auch durch COVID-19 hat sich das Interesse an grünen Rückzugs- und Ausgleichsorten weiter verstärkt.“

Der deutsche Tourismusforscher Albrecht Steinecke – er ist Professor an der Universität Paderborn – hat in seinem im Wissenschaftsverlag UVK erschienenen Buch der Reihe „TourismNOW“ unter dem Titel „Tourismus, Parks und Gärten“ festgestellt, dass diese „lange Zeit touristische Mauerblümchen“ darstellten, doch „gegenwärtig immer mehr Zielgebiete dieses Potenzial“ erkennen. Dies gelte auch für Urlauber*innen, „die in schnelllebigen Zeiten zunehmend nach Naturnähe, Muße und Entschleunigung suchen“. Gärten und Parks erfüllen dabei zahlreiche Funktionen:

  • Sie gelten als öffentliche Güter und bieten der Gesellschaft so beispielsweise aus kultureller, ökologischer, wissenschaftlicher, pädagogischer und gesundheitlicher Perspektive einen Nutzen;
  • sie wirken als Nachfrage für Produkte und Dienstleistungen;
  • sie bieten zahlreiche Attraktivitätsfaktoren, um Regionalentwicklung voranzutreiben und das Image einer Destination aufzuwerten;
  • und sind selbst touristische Produkte, womit Besuchereinnahmen generiert werden, beispielsweise durch die Nutzung als Kultur- und Kunstobjekt, als Eventlocation oder Naturraum.

Der Besuch „im Grünen“ kann aber laut Lenka Haller „auch schlicht das Bedürfnis nach Ruhe, Idylle und Erholung befriedigen. Aus touristischer Sicht eignet sich der Besuch einer Gartenanlage daher auch ideal zur Naherholung und für Tagesausflüge.“

Laut dem Landschaftsplaner und Gartenhistoriker Christian Hlavac handelt es sich bei Gartentourismus „per Definition um eine Form des Tourismus, dessen geografische respektive thematische Ziele Gärten oder Parks sind, unabhängig von der Entstehungszeit der Garten- bzw. Parkanlage und auch davon, ob die Anlage im öffentlichen oder privaten Besitz steht“. Lenka Haller zitiert Christian Hlavac in ihrer Abschlussarbeit zum Masterstudium und stellt dabei fest, dass „die wenigen zu diesem Thema vorliegenden Studien zeigen, dass Gartentourismus durchaus ein nicht unbeachtliches Reisemotiv darstellt und dabei viel Potential für Destinationen bietet“.

Auf Destinationsebene wird, Lenka Haller zufolge, „insbesondere in Deutschland das Ausstellungs-Event ‚Gartenschau‘ genutzt, um einerseits gartentouristisches Potential auszuschöpfen und andererseits nachhaltige Regional- und Stadtentwicklung voranzutreiben.“

Gartenschauen dienen dabei nach Überzeugung von Lenka Haller schon seit langem nicht mehr dem Zweck der reinen Blumenausstellung seitens Garten- und Landschaftsbaubetrieben, Landschaftsarchitekt*innen oder Gärtnereien: „Vielmehr unterliegen Gartenschauen einem funktionellen Wandel, weg von der Blümchenschau hin zu einem Gesamtkonzept, bei dem sowohl die ökonomische Stadt- und Regionalentwicklung als auch die Imageförderung der austragenden Region in den Fokus rücken.“

Wie Lenka Haller im Zuge ihrer Abschlussarbeit festhält, wird das Format „Gartenschau“ in geringerem Ausmaß (als in der Bundesrepublik) auch in Österreich genutzt. Der Oberösterreich Tourismus etwa veranstaltet alle drei Jahre an wechselnden Orten die Oberösterreichische Landesgartenschau und in Niederösterreich wurde 2008 mit „Die Garten Tulln“ ausgehend von einer Landesgartenschau eine permanente Garten-Erlebniswelt geschaffen, die jährlich tausende Besucher*innen anzieht.

Wie kann nun ausgehend vom Eventformat „Gartenschau“ eine gelungene nachhaltige Regional- und Stadtentwicklung angestoßen bzw. die touristische Entwicklung einer Region bzw. Destination nachhaltig beeinflusst werden? Dazu sind laut Lenka Haller „neben einer geeigneten Standortwahl erfolgsversprechende Einzelattraktionen und Alleinstellungsmerkmale herauszuarbeiten und geeignete Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen zu ergreifen“. Aus Sicht der Gäste wiederum „sind attraktive Garten- und Parkanlagen, ein ansprechendes gastronomisches Angebot, eine gute Erreichbarkeit des Geländes und entsprechende Ausschilderung vor Ort essentiell“.

Aus einer Nachhaltigkeitsperspektive heraus ist für Lenka Haller „insbesondere der Aspekt der strategischen Nachnutzung von Bedeutung“. Strukturell empfiehlt sich aus ihrer Sicht „eine Orientierung an den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerungen, um eine Nachnutzung zu forcieren, die von dieser Zielgruppe auch genutzt wird“. Die Kosten für den laufenden Betrieb der Garten- und Parkanlagen sollten im Nachnutzungskonzept allerdings bereits von Beginn an berücksichtigt werden.

Was Netzwerk- und Kompetenz­effekte betrifft, sollte insbesondere die Integration aller Stakeholder in den Vordergrund gestellt werden. Lenka Haller: „Es bedarf Kommunikation, Transparenz und Offenlegung um alle Beteiligten für die Durchführung eines solchen Events zu begeistern und letztlich eine explizit verantwortliche Person, die sich während und nach dem Event um das Aufrechterhalten dieser Zusammen­arbeit kümmert.“

Die größte Herausforderung ergibt sich aber laut Lenka Haller in Bezug auf infrastrukturelle Änderungen: „Hier gilt es, als Alternative zum motorisierten Individualverkehr multimodale Mobilitätsangebote zu schaffen, welche Besucher*innen eine bequeme öffentliche Anreise ermöglichen und damit auch jene Zielgruppen inkludiert, die nicht die Möglichkeit haben individuell anzureisen.“ Zudem unterstütze „ein klimafreundliches Mobilitätskonzept letztlich auch die Authentizität eines Events, welches die Themen Nachhaltigkeit und Natur bespielt“.

Die komplette unter Betreuung von Daniela Wagner erstellte Arbeit von Lenka Haller liegt in der FHWien der WKW auf.

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