Wintersporttourismus

Big Player und kleine Spezialisten. Zukunft des Ski-Winters zweigeteilt

Print-Ausgabe 23. Februar 2018

Österreichs große Skigebiete haben im 10 Jahres-Verlauf deutlich gewonnen, kleinere hingegen verloren – doch auch für sie gibt es erfolgreiche Strategien

Die überaus positive Entwicklung der Wintersaison 2017/2018 in Österreichs Ski-Regionen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass „hinter den Kulissen ein bemerkenswerter Umbau festzustellen ist.“ Das betonte Franz Hartl – der frühere langjährige Geschäftsführer der ÖHT (Österreichische Hotel- und Tourismusbank) ist als Universitätslektor aktiv – Anfang Februar in einem vielbeachteten Beitrag im APA Tourismus-Blog. Hartl: „Dieser Umbau trägt zwei Überschriften: Starkes Wachstum des nicht schneegebundenen Winters und fortschreitende Konzentration des Skitourismus auf die Winterhochburgen.“ Hartls Beitrag hat zu einer überaus lebhaften Diskussion geführt.

Laut Franz Hartl erreichte das Nächtigungswachstum in Österreichs Skigemeinden (mindestens ein Lift) im 10-Jahres-Rückblick ein Plus von 8 Prozent auf 45 Millionen. Doch innerhalb dieser Gemeinden trennte sich die Spreu vom Weizen: während Skigebiete mit sechs Liften und mehr um fast 10 Prozent zugelegt haben, waren Gemeinden mit weniger als fünf Liften um 4 Prozent rückläufig. Der Abwärtstrend kleiner Skigebiete hat sich zuletzt aber etwas abgeschwächt. Laut Volker Fleischhacker vom Institut für touristische Raumplanung (ITR) konnten Wintersport-Destinationen mit drei bis fünf Seilbahn-/Schleppliftanlagen in den letzten drei Wintersaisonen „eine deutlich überdurchschnittliche Nachfragesteigerung erzielen und Marktanteile gewinnen.“ Wie Fleischhacker in einer Reaktion auf Franz Hartls APA Tourismus-Blog Beitrag festhält, wurden in diesen Orten die Winternächtigungen im Durchschnitt der Saisonen 2014/15 bis 2016/17 um 2,3 Prozent pro Saison gesteigert, insgesamt um plus 1,3 Prozent.

Dies ändert nichts an einem weiteren, noch deutlicheren von Franz Hartl dargestellten Trend: große Skiorte (mehr als 30 Liftanlagen), die international agieren, gewinnen demnach massiv an Volumen. Sie konnten laut Hartl ihr Nächtigungsaufkommen „im Lauf der letzten 10 Jahre um 16 Prozent steigern.“ Im Gegenzug haben Ski-Gemeinden, „die überwiegend nur das lokale Einzugsgebiet bedienen, fast 20 Prozent an Nächtigungen verloren.“

„Das ist grundsätzlich sicher richtig“, pflichtet ihm Gernot Riedel, Geschäftsführer des TVB Kitzbüheler Alpen St.Johann, bei. In seinem Kommentar zu Hartls Beitrag betont Riedel aber, dass es durchaus erfolgreiche Strategien „für kleine Skigebiete und damit verbundene Urlaubsorte“ gibt. Riedel: „Ein Rezept sind Spezialisierungen, z.B. im Familienbereich oder auf alternative Urlaubergruppen, wie Winterwanderer, Skitourengeher oder Winter-Genussurlauber.“

Wobei es hier vor allem auf „Human Software, sprich Service, Gastfreundschaft und hohe Qualität in der Dienstleistung“ ankomme. Riedel: „Während große Gebiete teilweise zu ‚industriell anmutenden Abfertigungen der Ware Skifahrer‘ werden, können kleine Gebiete durchaus mit Individualität und oftmals auch mit zumindest gefühlt stressfreierem Skivergnügen punkten.“

Dies funktioniert jedoch nur, solange die potentiellen Gäste bei ihrer „Customer Journey“ auch professionell betreut werden, wie Peter Haimayer von hp-tourismus (Haimayer Projektbegleitung) in seinem Kommentar zu Franz Hartls APA Tourismus-Blog festhält: „Im Bestreben, kleine Strukturen gezielt zu fördern, musste ich feststellen, dass die Umsetzung nur allzu oft an der Realität scheitert.“

Haimayer führt als konkretes Beispiel die Anfrage nach Snowboard-Kursen für einen Schulskikurs im Umland von Innsbruck an: „Die Durchsicht der Websites sowie die persönlichen telefonischen Rückfragen in fünf kleinen bis mittleren Skigebieten brachten als Ergebnis, dass außerhalb der Tiroler Schulferien keine Snowboard-Gruppenkurse angeboten werden. Nach überstandener Geduldsprobe sind wir schlussendlich doch in einem Tourismuszentrum gelandet.“ Haimayers Schlussfolgerung: „Im Hinblick auf die immer wieder geforderte Bequemlichkeit bei der Inanspruchnahme von touristischen Angeboten versteht es sich wohl von selbst, dass in einem solchen Fall der Preis keine prioritäre Rolle spielt.“ Und weiter: „An diesem Erlebnis wird einmal mehr deutlich, dass sich die Schere zwischen Groß und Klein, seien es nun Tourismusorte oder Skigebiete, zwangsläufig immer weiter auftun muss.“

Wie bereits von Gernot Riedel erwähnt, muss dies nicht zwangsläufig der Fall sein. Als positives Beispiel nennt er den aktuell in der Destination Kitzbüheler Alpen St.Johann laufenden „massiven Entwicklungsprozess“, der rund um das Engagement des skandinavischen Bergbahn-Mehrheitseigentümers Skistar von „umfangreichen Investitionen in regionale Infrastrukturen, Skigebiet und Hotellerie“ begleitet wird. Riedel: „Die aktuellen und sehr positiven Zahlen untermauern das hohe Potenzial und die positive Kundenresonanz auf derartige Entwicklungen.“

Zur Info: per Ende Jänner konnte der TVB Kitzbüheler Alpen St.Johann in der bisherigen Wintersaison 2017/2018 ein Nächtigungsplus von 20,7 Prozent vermelden (Tirol-Durchschnitt: 6,4 Prozent). Riedels Schlussfolgerung: „Es ist also durchaus Platz nicht nur für die ‚Big Player‘ im Wintersporttourismus.“ 

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Erstellt am: 23. Februar 2018

V.l.: Franz Hartl (Geschäftsführer der ÖHT), Gernot Riedel (GF des TVB Kitzbüheler Alpen St. Johann)

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