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WienTourismus

Aus „großer Tachtel“ viel gelernt: „Haben wettbewerbsfähigeres Produkt“

Print-Ausgabe 18. Februar 2022

Der Chef des WienTourismus rechnet mit einer rascheren Erholung, als allgemein für Städte-Ziele angenommen wird – die Weichenstellungen dazu sind bereits erfolgt

Es ist kein Geheimnis, dass der Städtetourismus härter von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen ist als Feriendestinationen. „Wenn man global aufgestellt ist wie Wien, ist man in Krisenzeiten verletzlicher“, betonte Norbert Kettner, Geschäftsführer des WienTourismus, dieser Tage im Gespräch mit T.A.I. Er ist aber davon überzeugt, „dass wir besser aus der Krise rausgehen werden, als wir reingegangen sind“. Dies habe nicht zuletzt mit der Wiener Hotellerie zu tun, die „die Zeit für Qualitäts-Aufbau durch Sanierungen und Neueröffnungen extrem gut genutzt hat“.

Derzeit gibt es um 16 % weniger Hotels und um 8 % weniger Betten als vor der Krise. Bei den Appartements war der Rückgang mit mehr als 50 % sogar deutlich stärker. Kettner: „Eine Stilllegung geht in diesem Bereich deutlich schneller.“ Die geringere Kapazität sei angesichts des zu erwartenden Aufkommens in den nächsten Jahren kein Problem.

Ende 2023 werde es dank neuer Hotel-Projekte mehr Betten geben als vor der Krise. „Da ist viel Geld und Finanzkapital im Spiel“, erklärt Norbert Kettner, der dies auch als guten Indikator pro Städtetourismus sieht: „Woran glaubt man?“ Im Endeffekt „war die Tachtel, die wir erhalten haben, größer, aber wir haben dabei viel gelernt. Wir haben ein wettbewerbsfähigeres Produkt als davor.“

Das Wellental dürfte also – trotz der einen oder anderen Corona-bedingten Rückschläge – bald überwunden sein. „Wien spürt den Aufwärtstrend. Im Oktober hatten wir bereits 60 % des 2019er Aufkommens“, so Kettner. Der WienTourismus habe „teilweise so viel gearbeitet wie nie zuvor“. Auch wenn er vorsichtig in die Zukunft blickt („Ich bin zu keiner Zeit der Illusion verfallen, dass nicht immer etwas passieren kann. Wir sind noch nicht im Trockenen“), geht Norbert Kettner davon aus, dass die Erholung für Wien „schneller gehen wird. Der Individualgast kommt zurück, sobald die Grenzen aufgehen.“

Im Convention-Bereich werde es aufgrund der langen Vorlaufzeiten länger dauern: „Da sind wir bei der Akquise bereits in 2027 und 2028. Für heuer sind in Wien schon über 30 Veranstaltungen mit mehr als 1.000 und 20 Veranstaltungen mit über 5.000 Teilnehmer*innen geplant, nächstes Jahr dann schon knapp 35 mit über 5.000.“ Fest steht, dass „die Sehnsucht nach Live-Events stark ist. Die Menschen werden wieder zurückkommen. Sie wollen raus, privat und geschäftlich.“

Zwar werde es „sicher zu Rationalisierungen kommen, aber nicht so, dass es keine Kongresse und Geschäftsreisen mehr gibt“. Derartige Einschätzungen seien mit Vorsicht zu genießen: „Der Kern des Reisens wird immer sein, sich von A nach B zu bewegen. Unsere Aufgabe ist es, dies bestmöglich mit digitalen Services zu flankieren.“

Positiv überrascht ist Norbert Kettner bezüglich der Preisentwicklung in der Bundeshauptstadt. Früher gingen in Krisenzeiten immer die Preise hinunter, aber diesmal sei die ADR (average daily rate) sehr stabil – vor allem im europäischen Vergleich. Übers Jahr gesehen seien die Netto-Nächtigungsumsätze sogar dynamischer gewachsen als die Nächtigungen.

Für heuer steht dem WienTourismus ein Marketingbudget von 11 Mio. Euro zur Verfügung. Das Jahres­thema 2022 lautet „Celebrate Life. Experience Vienna“, denn laut Norbert Kettner wird „die Rückkehr des ‚Social Life‘ eine riesige Rolle spielen. Wir haben dafür ein bewusst breites Portfolio gewählt. Wir feiern die Stadt, die Kunst und das Außergewöhnliche – von Handwerksbetrieben und Hoflieferanten bis zur Regenbogenparade.“

Wie bereits in den Vorjahren wird stark auf Buchbarkeit geachtet. „Wir laden alle Betriebe der Wiener Visitor Economy zum Mitmachen ein – kostenfrei und niederschwelllig, durch Einbindung ihrer Angebote in unsere Kanäle.“

Rund 70 % des Marketing-Budgets werden in Europa eingesetzt. Norbert Kettner: „Hier brauchen wir vor allem Großbritannien als Quellmarkt.“ In Übersee liegt der Fokus auf den USA, wobei man sich im Team des WienTourismus über das Comeback des Los Angeles-Fluges von Austrian Airlines freut. Trotzdem sind in Amerika „derzeit keine überbordenden B2C-Kampagnen geplant. Da gibt es noch Verhandlungen. Wir gehen jetzt einmal mit B2B- und Medienteams raus, sowohl im Meeting- als auch im Leisure-­Bereich. Abwartend sind wir heuer noch bei China und Japan.“

Stichwort China: Dort hat Anfang Februar das „Jahr des Tigers“ begonnen. Dem steht laut Norbert Kettner als origineller Kontrast das 2022 von Expedia für die Reise­industrie ausgerufene „Year of the GOAT“ („greatest of all trips“) gegenüber. Hintergrund: Laut einer Expedia-Umfrage unter 12.000 Reisenden in 12 Ländern wollen 65 % der Befragten bei ihrer nächsten Reise „groß rauskommen“, im Sinn von „Lust auf aufregende und extravagante Reisen“. Oxford Economics habe kurz zuvor errechnet, dass die Verbraucher*innen der weltgrößten Volkswirtschaft USA während der Pandemie 2,6 Billio­nen US-­Dollar an zusätzlichen Ersparnissen angehäuft haben. Viel davon wird im Tourismus landen. Kettner: „Die Reiselust ist aufgestaut. Das wird uns in den nächsten Jahren begleiten.“

In Europa gibt es deshalb vom WienTourismus im Frühling eine Aktivierungskampagne, die im „Fleximode“ geplant ist. D. h. sie ist „mit einem Klick von heute auf morgen startklar“. Kettner: „Wir haben das in der Pandemie gelernt.“ Ende Mai sollen europaweit breite Akzente für den Städtetourismus gesetzt werden – mehr will Kettner noch nicht verraten.

Ergänzt wird all dies durch eine Meeting-Destination Kampagne, die Ende des Vorjahres erstmals auch „digital und out of home“ in den USA lief. Die Ansprache konkreter Kund*innen erfolgt dabei ausgeklügelt. Kettner: „Auf der IBTM in Barcelona und der IMAX in Las Vegas konnten wir Teilnehmer*innen digital targeten, also nur jene, die dort waren. Es ist atemberaubend – was alles geht.“

All dies deckt sich laut Norbert Kettner mit dem in der „Visitor Economy Strategy 2025“ definierten Ziel, durch Tourismus „mehr Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu erzielen. Es geht um eine nachhaltige Entwicklung der Stadt.“ Wien war laut dem Mitte November 2021 vom WIFO präsentierten Satellitenkonto 2018 von der touristischen Wertschöpfung her mit 5,6 Mrd. Euro nach Tirol das zweitwichtigste Bundesland. Diese Größenordnung (sowie jene der 100.000 Jobs in Form von Vollzeit-Äquivalenten) soll bis 2025 wieder erreicht werden. Kettner: „Es ist spannend, wie sehr die Aspekte Wertschöpfung und Arbeitsplätze in den Vordergrund gerückt sind. Das hat schon vor der Pandemie begonnen.“ Letztendlich gehe es aber auch darum, „die Entfremdung von Tourismus und Bevölkerung zu verhindern.“ Wien ist diesbezüglich, wie es scheint, auf einem guten Weg.

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