Print-Ausgabe 18. Juli 2025
Trá na mBó, Bunmahon, Copper Coast, Waterford
Der Südosten der grünen Insel zwischen Kilkenny und Wexford steckt voller Geschichte und Geschichten – zu entdecken sind sie bei einer reizvollen Tour
Er ist einer der kürzesten Witze in Irland: Wem das Wetter nicht passt, der soll einfach fünf Minuten warten. Aber vielleicht ist das gar kein Witz. Wie überall auf der grünen Insel kennen auch die Iren und Irinnen im Südosten ihres Landes nur zwei Jahreszeiten: Frühling und Herbst. Winter, so sagen sie, gibt es hier gar nicht. Und der Sommer? Nicht der Rede wert. T.A.I. hatte vor kurzem die Gelegenheit, der „Grünen Insel“, wie Irland aufgrund seines milden Klimas auch genannt wird (es sorgt dafür, dass das Gras und die Vegetation auf der Insel das ganze Jahr über grün bleiben), auf Einladung von Aviareps (das Irland in Österreich vertritt) einmal mehr einen Besuch abzustatten.
Vorerst nochmal zum wechselhaften, milden Klima: Um 850 herum „überwinterten“ hier Wikinger. Denn der Fluss Nore – er bildet zusammen mit der Barrow und der Suir die „Drei Schwestern“ (irisch: An Triúr Deirfiúr), zusammen entwässern sie einen großen Teil des südlichen Teils der Insel – fror nicht zu, der Zugang zum Meer blieb stets frei. So gründeten die Nordmänner 914 das heutige Waterford, die älteste noch existierende Stadt Irlands.
Wahrzeichen von Waterford ist der runde Reginald’s Tower, ein „National Monument“ aus dem 11. Jahrhundert. Gute 16 Meter hoch und mit Mauern versehen, ist er angeblich sogar gegen Kanonenkugeln schusssicher. Der von den Wikingern errichtete und später von den Anglonormannen befestigte Reginald’s Tower gilt als ältestes noch erhaltenes Bauwerk Irlands.
Noch ein Superlativ: Waterfords Kirche, die „Christ Church Cathedral“, war Schauplatz der wichtigsten Hochzeit, die je in Irland stattgefunden hat. 1170 gaben sich hier Richard de Clare, genannt Strongbow, und Aoife, Tochter des Königs von Leinster, ihr Ja-Wort. Fortan, so sagen die Iren, war nichts mehr wie vorher: Mit der Hochzeit der irischen Prinzessin und des Eroberers war der Weg frei für die lange und ungeliebte englische Herrschaft.
In Waterford wird Geschichte unterhaltsam. Im „Viking Triangle“, dem Wikinger-Dreieck, führt der Weg ins „Medieval Museum“, dessen anschauliche Exponate den damaligen Prince (und heutigen King) Charles so faszinierten, dass er auf Protokoll und Zeitplan pfiff und einfach länger im Museum blieb. Gleich nebenan liegt die „French Church“ aus dem 13. Jh. sowie – schön schaurig – das „Wake Museum“: In diesem einstigen „Altersheim“ geht’s um den Brauch der Totenwache. Das Haus selbst stammt aus 1415 und ist somit das älteste erhaltene Wohnhaus der ohnehin alten Stadt.
Ein paar Kilometer die Küste hinauf in Kilkenny – Bier wird hier seit dem Jahr 1231 gebraut – schippert Cliff Reid (Inhaber des Unternehmens BoatTrips.ie) seine Gäste in einer kleinen Barkasse um die Stadt herum. Stets im Blick ist das imposante „Kilkenny Castle“: Erst mittelalterliche Trutzburg, dann zum Schloss umgebaut und heute ein Museum, geht der Blick der Museumsbesucher:innen direkt in den Schlosspark, seit den Scharmützeln unter Oliver Cromwell (ab 1649 der führende Staatsmann Englands, der in Irland wegen seiner brutalen Maßnahmen gegen die katholische Bevölkerungsmehrheit verhasst ist) die Südmauer zum Opfer fiel.
Während Cliff Reid seinen Kahn gemächlich auf dem Wasser dahingleiten lässt, empfiehlt er einen Abstecher in die Kathedrale und deren rund 1.000 Jahre alten Turm zu besteigen: „So eine Aussicht auf Stadt und Umgebung hat man nicht alle Tage.“ Reid erzählt auch von Alice Kyteler, die im 14. Jh. mit etwas Gift vier wohlhabende Ehemänner unter die Erde brachte und sich rechtzeitig aus dem Staub machte. Ihre Magd Petronella musste dafür büßen (sie wurde am 3. November 1324 hingerichtet, was die erste Hexenverbrennung auf irischem Boden und in Europa markierte).
Es gibt also Geschichten über Geschichten, hier im „Ancient East“ der Insel (im geschichtsträchtigen Osten, wie die Iren zu sagen pflegen, obwohl sich Kilkenny in deren Südwesten befindet). Und doch bilden sie nur eine von vielen Denkwürdigkeiten einer Gegend, in der es mehr Schafe gibt als Menschen und wo selbst auf Rolltreppen Linksverkehr herrscht. Heute ist Kilkenny eher bekannt für seine mittelalterlichen Bauwerke und für seine lebendige Musikszene. An manchen Abenden ist es praktisch unmöglich, ein „Pint“ des Smithwicks-Biers zu trinken, ohne der Live-Musik zu lauschen.
Wer den Kopf wieder klar bekommen möchte, sollte sich in die Natur hinauswagen. Nicht zuletzt in jene der Gärten: In „Mount Congreve Gardens“ nahe Waterford verwirklichte Ambrose Congreve seinen Traum. Als enger Freund des Schriftstellers Ian Fleming diente er, so heißt es, als Vorbild zu James Bond. Angeblich findet man in der 48 ha großen Gartenanlage des Sammlers 58 % aller Pflanzenarten dieser Erde.
Wer noch etwas mehr irische Luft schnuppern will, tut das am besten bei einem Spaziergang an der Küste. Oder man besucht den ältesten Leuchtturm der Insel in Wexford (im Südosten), dessen Grundmauern immerhin auf besorgte Mönche und das Jahr 442 zurückgehen. Der Blick von oben herab auf die Bucht verzaubert: Auf einer Seite die tiefblaue Irische See, auf der anderen das Grün irischer Wiesen, auf denen so manche Reste alter Kirchenmauern die Zeit überdauern. Und mit etwas Glück scheint sogar die Sonne. www.ireland.com
Erstellt am: 18. Juli 2025
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