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Polen

Zeit des Erwachens für Katowice. „Mein größter Erfolg in 23 Jahren“

Print-Ausgabe 9. August 2019

„Urlaub in Polen hat man in Österreich noch nicht wirklich entdeckt“, so Wlodzimierz Szelag

Die einst schmutzige Industriestadt hat sich zu einer grünen Oase gemausert – jetzt entdecken Österreichs Reiseveranstalter das Kleinod – es ist nicht der einzige Geheimtipp

Er steht seit bald einem Vierteljahrhundert an der Spitze des Polnischen Fremdenverkehrsamts in Wien, das er selbst aufgebaut hat: Wlodzimierz Szelag, einer der am längsten dienenden Direktoren eines ausländischen Tourismusbüros in Österreich. T.A.I. traf ihn zum Interview, bei dem es neben der aktuellen Entwicklung vor allem auch um Geheimtipps ging.

T.A.I.: Wie ist das Standing des Polnischen Fremdenverkehrs­amts in Österreich?
Szelag: „Wir leben ganz gut. Die KollegInnen aus der Branche wollen Infos, neue Tipps für Hotels. Wir haben in Polen gute Erfahrungen mit vier Reiseveranstaltern. Es machen zwar dreißig Incoming nach Polen, aber diese vier funktionieren perfekt: Jan-Pol Incoming in Kraków speziell für Südpolen, Travel Projekt in Warsaw – die sind gut für die Masuren und Zentralpolen und machen mit Sabtours Seniorenreisen –, Aktiv Tours in Gdańsk für Nordpolen und – ein wenig kleiner – Simply Poland in Kraków. Die waren früher bei Jan-Pol und haben sich dann selbständig gemacht. Mit diesen vier hat man gute Partner in Polen.“

T.A.I.: Wie sieht es mit Österreichs Reisebüros aus?

Szelag: „Die sind wichtig, weil sie die Kundschaft haben und Leute nach Polen bringen. Auch PrivatkundInnen sind wichtig für uns, Seniorenverbände und Schulen. Busreisen sind aber die Nummer 1! Sabtours, Ruefa, Gegg Reisen bei Graz – die bringen jedes Jahr mindestens eine Gruppe nach Polen, mit den besten Setra-­Bussen und Sesseln wie im Flugzeug –, Kneissl, Elite Tours, Wiesinger, Weiermair Reisen … es ist eine lange Liste. Es gibt 104 Reisebüros in Österreich, die Polen im Programm haben. 26 waren es, als ich angefangen habe.“

T.A.I.: Ist es für Busunternehmer nicht einfacher, bei Paketveranstaltern fixe Packages zu kaufen?

Szelag: „Viele Busunternehmer kaufen Programme in Deutschland über Paketreiseveranstalter. Die setzen die Busunternehmer unter Druck: ‚Willst du Polen direkt machen? Okay. Aber dann musst du Tunesien auch direkt machen.‘ Mein Ziel ist, dass Österreichs Reisebüros Polen direkt kaufen. Die erwähnten Incoming-Partner bieten dafür die besten Möglichkeiten.“

T.A.I.: Wie viele ÖsterreicherInnen reisen pro Jahr nach Polen?

Szelag: „Rund 60 Prozent des Aufkommens sind Geschäftsreisen – Österreich hat hohe Investitionen in Polen – ca. 398.000 sind TouristInnen und davon 65 Prozent Busreisen. Ganz stark ist Oberösterreich, dann Niederösterreich und die Steiermark. Auch aus dem Burgenland kommen viele. In Vorarlberg arbeiten wir mit zwei bis drei Büros.“

T.A.I.: Welche Regionen empfehlen Sie – abgesehen von den üblichen Zielen – besonders?

Szelag: „Katowice. Das ist mein größter Erfolg in 23 Jahren. Ich wollte immer etwas Unentdecktes auf den Markt bringen. Ich bin dort in der Nähe aufgewachsen und es war eine schmutzige Industriestadt. Heute ist es eine grüne Oase! Überall gibt es Parks, Schaubergwerke, Brauereien, Musiktheater, eine Bergbausiedlung aus dem 18. Jahrhundert und rundherum Wälder. Und ein riesiges Hotelangebot. In fünf Stunden ist man von Österreich dort, mit dem Zug oder mit dem Auto. Gemeinsam mit Yvette Polasek von Czech Tourism haben wir eine Pressereise nach Ostrava und Katowice organisiert. Mit den ÖBB nach Ostrava, wo wir einen Tag und eine Nacht blieben, dann mit dem Bus nach Katowice und wieder mit dem Zug zurück. Ich habe dann überall erzählt, wie toll es dort ist. Drei Jahre hat es gedauert, dann hat sich Sabtours für Katowice interessiert. Im August kommt die erste Gruppe, mit einem Bus, der ganz mit Polen gebrandet ist.“

T.A.I.: Welche Tipps außer Katowice haben Sie noch? Wie sieht es z. B. mit Kraków aus?

Szelag: „Kraków ist ausgebucht wie Barcelona. Meine Tipps sind deshalb Breslau/Wroclaw und Niederschlesien mit seinen Schlössern und Palästen. In dreieinhalb Stunden ist man mit dem Auto dort. Oder die kleinen Masuren mit dem Lebuser Land/Ziemia Lubuska an der Grenze zu Deutschland. Die deutsche Sprache ist in dieser Region kein Problem. Dort kann man auf Urlaub gehen und zwei Wochen bleiben, mit Natur pur, Seen und Wäldern. Es gibt auch Spuren vom Zweiten Weltkrieg mit zahlreichen Bunkeranlagen. Wohnen kann man vom 4-Sterne Schloss bis zur kleinen Pension oder in Agrotourismus-Betrieben. Mit dem Auto ist man in vereinhalb bis fünfeinhalb Stunden dort oder mit der Bahn im Nightjet. Auch die Masuren insgesamt und Ostpommern sind tolle Plätze. Urlaub in Polen hat man in Österreich noch nicht wirklich entdeckt.“

T.A.I.: Was ist Ihr persönlicher Geheimtipp?

Szelag: „Rogów in der Nähe von Kolberg/Kołobrzeg in Westpommern an der Ostseeküste. Es handelt sich um ein ehemaliges kleines Fischerdorf. Später wurde es zum Militärgebiet. Heute kann man dort in einer ehemaligen Kaserne übernachten, deren Gebäude zu Hotels umgebaut wurden, mit vielen Sport- und Freizeitaktivitäten. Es gibt einen 12 Kilometer langen Strand – es ist Polen, das man gesehen haben muss!“ 

Kurzportrait Wlodzimierz Szelag

Wlodzimierz Szelag ist in Czestochowa (ca. 80 km von Katowice entfernt) geboren, studierte an der „Szkoła Główna Handlowa w Warszawie“ mit Schwerpunkt Außenhandel sowie an der Internationalen Hochschule für Wirtschaft in Moskau. Seine berufliche Karriere startete Szelag in der Lebensmittelbranche (Verkauf von 10.000 Tonnen Pilzen aus Polen nach Österreich, in die Schweiz und nach Deutschland). 1991 wurde er Handelsattaché an der Polnischen Botschaft in Österreich, 1996 Direktor des neu aufzubauenden Polnischen Fremdenverkehrsamtes in Wien. Wlodzimierz Szelag ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Töchtern. Er ist Mitglied des Vorstands im Corps Touristique Austria und der Internationalen Chopin Gesellschaft.

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