T.A.I. vor Ort in Flandern

„Unforgettable“ in Reinkultur! MSK Gent zeigt Frauen in der Kunst

Print-Ausgabe 19. September 2025

Sie ist – neben der Wallonie und Brüssel – eine der drei Regionen des Königreichs Belgien, umgibt vollständig die Hauptstadt und wird dem niederländischsprachigen Gebiet zufolge Vlaanderen genannt: Flandern. Ende August organisierte das für die touristische Vermarktung verantwortliche Visit Flanders, das seit 1994 ein Büro unter Direktorin Liesbet Vandebroek betreibt, einen internationalen Fam-Trip. Aktueller Anlass war die Ausstellung „Unforgettable“, die im kommenden Frühjahr (7. März bis 31. Mai 2026) im Genter Museum van de Schoone Kunsten (MSK) zu sehen sein wird. Sie widmet sich ganz dem Thema Frauen in der Kunst. T.A.I. war bei dem Fam-Trip mit dabei.

Den Teilnehmenden des Fam-Trips wurde das ganze „Making of“ und die Ausstellung selbst von Frederica van Dam (sie ist Kuratorin für Alte Meister am MSK Gent) persönlich präsentiert. Konkret werden Kunstwerke aus den Jahren 1600 bis 1750 von weit über 40 Künstlerinnen aus den Regionen von Antwerpen im Norden Belgiens bis Amsterdam im Westen der Niederlande zu sehen sein.

Präsentation der Ausstellung "Unforgettable" von Frederica van Dam, Kuratorin für Alte Meister am MSK Gent

„In Belgien und den Niederlanden spielten Frauen zu dieser Zeit eine zentrale Rolle im künstlerischen Leben, was von der klassischen Kunstgeschichte jedoch weitgehend ignoriert wurde“, so Frederica van Dam. Mit der Ausstellung „Unforgettable“ rückt das MSK diese Künstlerinnen nun ins Rampenlicht.

Die beeindruckende Liste der ausgestellten Kunstwerke beweist, dass kunstschaffende Frauen alles andere als selten oder unbekannt waren. Ihr Einfluss auf die visuelle Kultur ist bis heute spürbar. Das Besondere an „Unforgettable“: Es handelt sich um die erste große Retrospektive, die sich ausschließlich der Rolle und Bedeutung von Frauen in der Kunst im 17. Jahrhundert, insbesondere in Belgien und den Niederlanden, widmet. Frederica van Dam: „Nach mehr als zweijähriger Recherche konnten Werke zusammengetragen werden, die das gesamte Spektrum visueller Medien von Gemälden, Drucken und Skulpturen bis hin zu Textilien und Scherenschnitten abdecken.“

Links: „Ein Junge bietet einer Frau Weintrauben an“ von Maria Schalcken, Mitte: „Ein Mann bietet einem jungen Mädchen Geld“ von Judith Leyster, rechts: „Selbstporträt“ von Prinzessin Luise Hollandine von der Pfalz

Für „Unforgettable“ kooperiert das MSK mit dem National Museum of Women in the Arts (NMWA) in Washington D.C., einer Pionierin in der Erforschung und Ausstellung historischer Künstlerinnen. Die Schau wird deshalb auch erstmals im Herbst 2025 in Washington gezeigt (26. September 2025 bis 11. Jänner 2026), doch beide Orte erzählen ihre eigene Geschichte und zeigen teilweise unterschiedliche Werke.

So werden in der „Unforgettable“-Ausstellung im MSK auch Werke der flämischen Malerin Michaelina Wautier gezeigt. Ihr ist übrigens vom 30. September 2025 bis 22. Februar 2026 im Kunsthistorischen Museum (KHM) in Wien eine Sonderausstellung gewidmet. Michaelina Wautier gilt als eine der faszinierendsten Künstlerinnen des 17. Jahrhunderts und war eine der bedeutendsten Malerinnen ihrer Zeit. In einer Epoche, in der sich Künstlerinnen vorwiegend mit Stillleben- oder Genremalerei beschäftigten, fand Michaelina Wautier selbstbewusst auch mit anspruchsvoller Historienmalerei Anerkennung.

Doch den Reiseexpert:innen des internationalen Fam-Trips (mit dabei waren Teilnehmer:innen aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Österreich, wie Brigitte Liphart von Raiffeisen Reisen, Barbara Rosner von Elite Tours und Brigitte Reutner-Doneus von Mader Reisen/Lentos Museum Linz) wurde neben dem Besuch der Ausstellung noch vieles mehr geboten.

Die Teilnehmenden des Fam-Trips (v.l.): Karin Holzhauser (Holzhauser Reiseorganisation GmbH), Selma Jacq (Intermèdes), Clara Lundershausen (Art Agentur), Brigitte Liphart (Raiffeisen Reisen), Issam Khayati (VISITFLANDERS), Henriette Rueegg-Joubert (Twerenbold Reisen Gruppe/RB Mittelthurgau/Excellence), Lene Hermes (VISITFLANDERS), Barbara Rosner (Elite Tours), Ruth Kungl (Art Cities Reisen), Margot Lecluyse (Bikeguide, Toerisme Leiestreek), Brigitte Viktoria Reutner-Doneus (Mader Reisen / Lentos Museum Linz) und Ann de Beir (Museumsguide Vlaanderen Statsgids Gent en Leiestreek)

So etwa ein Stadtspaziergang durch Gent mit Besuch der St.-Bavo-Kathedrale im Herzen der Altstadt: Im 10. Jahrhundert als bescheidene Kapelle errichtet, wurde sie zur gotischen Prachtkathedrale und schließlich zum Bischofssitz ausgebaut. Die Kathedrale gilt sowohl als archi­tektonische als auch kulturelle Besonderheit und beherbergt das vielleicht bedeutendste Kunstwerk der Frührenaissance: den Genter Altar der Brüder van Eyck. Dieses Meisterwerk – es überlebte Diebstahl, zweiten Weltkrieg und Intrigen – ist berühmt für seine Farben, Details und Geheimnisse und zieht bis heute Kunstliebhaber:innen aus aller Welt in seinen Bann.

In der St.-Bavo-Kathedrale, der Genter Altar der Brüder van Eyck

Besucht wurde auch der Klein-Begijnhof: Versteckt in der belebten Lange Violettestraat, eröffnet er eine Tür in eine andere Welt und bietet einen stillen Rückzugsort mitten in Gent. Hinter den Mauern liegt ein rechteckiger Innenhof, umgeben von weißen Häusern mit grünen Toren und verwunschenen Gärten. Hier lebten im 13. Jahrhundert Beginen – Frauen, die ein einfaches, aber selbstbestimmtes Leben führten.

„Klein-Begijnhof“, v.l.: Brigitte Liphart, Barbara Rosner und Brigitte Reutner-Doneus

Die ruhige Atmosphäre des Klein-Begijnhof (er ist einer von mehr als einem Dutzend flämischen Beginenhöfen und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe) erinnert an vergangene Zeiten, als Glauben, Zusammenhalt und Beschaulichkeit den Alltag bestimmten. Die integrierte barocke Kirche, errichtet zwischen 1654 und 1658, zeigt über der Fassade ein Bild der Apokalypse – ein Hauch mystischer Symbolik.

Wenige Schritte weiter erhebt sich robust wie eine Festung die St. Jakob Kirche. Pilger auf dem Jakobsweg hielten hier inne, legten ihre Hand auf den kalten Stein und baten den Apostel Jakobus um Schutz (er wurde als erster der zwölf Apostel Jesu um 44 n. Chr. in Jerusalem enthauptet und gilt seither als Märtyrer). Der Spaziergang der Fam-Trip-Gruppe endete bei der St. Michaels Kirche, einem barocken Juwel mit einer Fassade, die fast wie ein Theaterstück wirkt. Im Inneren der Kirche strahlen Gold, Kunst und Licht in purer Pracht.

Der Fam-Trip führte auch in die Künstlerregion der sanften Leie-Landschaft, benannt nach dem Fluss, der in Frankreich entspringt, durch Flandern über Kortrijk bis nach Gent fließt und dort in die Schelde mündet. Zwischen der Gemeinde Sint Martens Latem und der Stadt Deinze – beide an der Leie gelegen – befindet sich eine wahre Künstleroase, mit malerischen Ufern, weitem Himmel und einem „goldenen Fluss“ (die Leie wird so genannt, weil ihr Wasser durch die Leinenherstellung einen goldenen Schimmer erhielt). All das zog zahllose Künstler:innen an.

In Sint Martens Latem gründeten verschiedene Generationen – von Mystikern über Expressionisten bis zur „vierten Gruppe“, also den Kritikern und Modernen – kreative Gemeinschaften, welche die flämische Kunstszene nachhaltig prägten. Hier fanden herausragende Künstler:innen wie Valerius De Saedeleer (1867 bis 1941), George Minne (1866 bis 1941), Albert Servaes (1883 bis 1966), Gustave Van de Woestyne (1881 bis 1947) und Albijn Van den Abeele (1835 bis 1918) ein Zuhause. Sie suchten in Natur, Licht­räumen und Symbolik nach mystischer Tiefe.

Die späteren Expressionisten– ursprünglich beeinflusst vom Luminismus (Kunststil des Postimpressionismus) – gingen frei mit Farbe sowie Form um und sahen ihre Werke nicht als wirklichkeitsgetreue Abbildungen, sondern als Ausdruck ihrer persönlichen Gefühlswelt. Zu ihnen zählten Constant Permeke (1886 bis 1952), Gustave (1877 bis 1943) und Léon De Smet (1881 bis 1966) sowie Frits Van den Berghe (1883 bis 1939). Gustave De Smet lebte ab 1908 in Sint Martens Latem und malte symbolistische Flusslandschaften voller lyrischer Stimmung.

Links: „Kruisdraging (Kreuztragung)“ von Hieronymus Bosch (MSK), rechts: „De Veestal (Der Viehstall)“ von Jenny Montigny (MSK)

Die sogenannte „vierte Generation“ (spätes 20. Jahrhundert), zu der auch Luc Peter Crombé (1920 bis 2005) zählte, lebte ebenfalls in Sint Martens Latem und prägte die künstlerische Szene in der Region weiter. Crombé war bekannt für seine Temperatechnik, religiöse Themen und stilistische Vielfalt. Vor Ort zeigt das Museum Gevaert Minne im ehemaligen Haus von Edgar Gevaert (der belgische Künstler lebte von 1891 bis 1965) die Werke bedeutender Künstler:innen der ersten beiden Generationen. Das Gust De Smet Museum (benannt nach Gustave De Smet) bewahrt das Originalheim des Künstlers inklusive Atelier, Schlafzimmer und Wohn­zimmer mit rund hundert Werken und bietet so einen beeindruckenden Einblick in sein Leben und Schaffen.

Links: „Perspective II. Manet's Balcony“ von René Magritte (MSK), rechts: „Mercury“ von Marcel Lempereur-Haut (MSK)

Links: „Het echtpaar (Das Ehepaar)“ von Constant Permeke (Museum Gevaert Minne), rechts: „De papeter (Der Breiesser)“ von Gustave Van de Woestyne (Museum Gevaert Minne)

Der Fam-Trip hatte auch sportlich etwas zu bieten: Auf E-Bikes wurde durch herrliche Wald- und Wiesenlandschaften an eine Schleife der Leie geradelt, wo sich das märchenhafte Schloss Ooidonk, eine der schönsten Wasserburgen Belgiens, erhebt. Ursprünglich im 13. Jahrhundert als Festung erbaut, wurde es im 16. Jahrhundert während der Religionskriege zerstört und später im spanisch-flämischen Renaissancestil prachtvoll wieder aufgebaut. Über Jahrhunderte war Ooidonk Sitz mächtiger Adelsfamilien. Seit dem 19. Jahrhundert gehört es der Familie della Faille d’Huysse, die das Schloss liebevoll pflegt und teils öffentlich zugänglich macht.

Schloss Ooidonk

Anschließend ging es mit dem Bike weiter zum Museum van Deinze en de Leiestreek (Mudel), wo die Künstlergeschichte der Region durch Gemälde, Skulpturen und Grafiken in einem modernen Kontext erlebbar wird.

Während des Trips waren die Reiseexpert:innen jede Nacht in einer anderen perfekten Unterkunft untergebracht: inmitten der Genter Altstadt gelegen im B&B Hotel (www.hotel-bb.com), in Sint-Martens-Latem im ehemaligen Haus des Malers Albert Servaes, dem Hotel Torenhof (https://torenhof.be) in idyllischer Lage am Rande eines Naturgebiets sowie im stilvollen Hotel Auberge du Pêcheur (www.auberge-du-­pecheur.be), das direkt am Ufer des Flusses Lys in Sint-Martens-Latem liegt. Für die sehr harmonische Gruppe war die Tour ein wohl langanhaltender, kultureller Hochgenuss mit idealen Bedingungen, begleitet von Spaß und schönen Erlebnissen.

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