Print-Ausgabe 15. Juli 2022
Das Projekt „Poland Soul Travel“ rückt polnische Regionen und Attraktionen ins Rampenlicht, die abseits von typischen Touristenpfaden liegen
Das Reiseland Polen ist groß. Sehr groß sogar. Österreich passt viermal hinein, die Schweiz sogar achtmal. Es ist also nicht schwer, weniger bekannte Orte zu bereisen und darauf hat sich „Poland Soul Travel“ spezialisiert, das jüngste Projekt des polnischen Fremdenverkehrsamts. Es geht darum, Polen authentisch, nachhaltig und ohne Hektik zu erleben. Vorgestellt und beworben werden die Regionen Niskie Beskidy (Niedere Beskiden, gleich hinter der Grenze zur Slowakei), Sudety (Sudeten) und Górny Śląsk (Oberschlesien; beides nördlich von Tschechien), die Woiwodschaft Podlasie (Podlachien; nordöstlich von Warschau), Kaszuby (Kaschubei, westlich von Danzig) sowie ausgewählte Attraktionen in großen Städten wie Kraków (Krakau), Wrocław (Breslau), Gdańsk (Danzig) und Katowice (Kattowitz). Um das Projekt vorzustellen, lud das polnische Fremdenverkehrsamt Ende Juni zu einer Medienreise nach Kraków und in die Region Niskie Beskidy ein.
Mit Ryanair ging es am frühen Morgen in einer Stunde Flugzeit ab Wien in Polens „ewige Stadt“, wie Krakòw aufgrund seiner 1.000-jährigen Geschichte genannt wird. Dort wartete schon das erste Highlight der Reise: ein Frühstück im Klezmer-Hois im jüdischen Viertel Kazimierz, wo die Mediengruppe während ihres Aufenthalts untergebracht war. Das Haus beherbergte schon im 15. Jhd. die Mikwe, das rituelle Tauchbad der jüdischen Gemeinde von Kraków. Einige Überreste dieses Badehauses sind bis heute erhalten, etwa die Steinsäulen im Hauptraum des Erdgeschosses. Seit 1999 wird in dem Gebäude das Restaurant, Café und Hotel Klezmer-Hois betrieben. Gäste können hier traditionelle jüdische Gerichte genießen und abends den Klängen von Klezmer-Musik lauschen. Auch das Ambiente ist einzigartig: Alle Speiseräume und Hotelzimmer sind mit Möbeln und Dekor aus den 1920er-Jahren ausgestattet, so dass man sich in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zurückversetzt fühlt. Wer auf der Suche nach einem besonderen Souvenir aus Krakòw ist, muss ebenfalls nicht lang suchen: Im Klezmer-Hois untergebracht ist eine Buchhandlung des Verlags Austeria, wo neben Lesestoff auch Notizbücher, Poster, Postkarten und Schreibwaren verkauft werden.
Zu empfehlen ist eine Führung in der ehemaligen Fabrik von Oskar Schindler, die heute als Museum betrieben wird. Gemeinsam mit Reiseleiterin Sylwia tauchte die Gruppe ein in die Zeit der deutschen Besatzung von Kraków in den Jahren 1939 bis 1945. Beleuchtet wurde nicht nur die Geschichte des deutschen Industriellen Oskar Schindlers, der während des Zweiten Weltkrieges das Leben von 1.200 Juden rettete und Steven Spielberg als Inspiration für den Film „Schindlers Liste“ diente, sondern auch das Schicksal der Juden im Krakauer Ghetto und im Zwangsarbeitslager Plaszow.
Ein Hit ist das ebenfalls am Fabriksgelände gelegene Museum für Zeitgenössische Kunst MOCAK. Im Zuge der Medienreise wurde ein Einblick in die Ausstellung „Politics in Art“ gewährt, die die kritische Auseinandersetzung von zeitgenössischen Künstler*innen mit ihrem politischen Umfeld in den Fokus rückt. Dabei werden auch viele aktuelle Konflikte beleuchtet, wie etwa die Klimakrise, Proteste für Frauenrechte und der Ukraine-Krieg.
Den erlebnisreichen Tag lässt man am besten mit einem Abendessen in der Hamsa hummus & happiness restobar gleich neben dem Klezmer-Hois und einem Spaziergang im Stadtteil Kazimierz ausklingen. Natürlich sollte auch genug Zeit für den ein oder anderen Drink in einer der vielen hippen Bars des Viertels bleiben.
Nicht weniger spannend ist eine Erkundungstour durch die Krakauer Innenstadt. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten wie der Schlossberg Wawel oder der Markplatz mit der Marienkirche sind zu Fuß gut erreichbar. Wer sich zwischendurch entspannen möchte, kann in einem der vielen Cafès oder Lokale einkehren, die die Straßen säumen. Nicht fehlen darf auch ein Besuch im ehemaligen Stahlwek Nowa Huta im östlichen Teil von Krakòw, das 1949 unter kommunistischer Herrschaft errichtet wurde und heute im Rahmen von Führungen besichtigt werden kann. Beim Wandeln durch unterirdische Schutzbunker und Kommandozentralen ließ sich die Gruppe in die Zeit des Kalten Krieges zurückversetzen. Auch die Gelegenheit Krakòw aus einer neuen Perspektive kennenzulernen, sollte man nicht versäumen: Bei einer Kajaktour auf der Weichsel in Richtung Zentrum kann nochmals ein Blick auf den Wawel erhascht werden.
Einen Kontrast zum mondänen Krakòw bieten die Niederen Beskiden (ca. 3 Stunden Autostunden von Krakòw und 7 Autostunden von Wien entfernt). Dort empfiehlt sich ein Stopp im Dorf Ropki mit dem Gästehaus Swystowy Sad (dt. Swysts Obstgarten), das von dem Ehepaar Grażyna und Michał betrieben wird. Umgeben von sanften Bergen und grünen Feldern ist das Haus der ideale Ort für alle, die sich nach Ruhe, Abgeschiedenheit und Natur sehnen. Gastgeberin Grażyna verwöhnt Gäste morgens und abends mit für die Region typischen vegetarischen Speisen, die mit Produkten aus dem eigenen Anbau bzw. von benachbarten Bauernhöfen zubereitet werden.
Zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt die Holzkirche in Kwiaton, rund 9 km von Ropki entfernt. Sie wurde von den Lemken errichtet, einer russinischen Volksgruppe, die dem griechisch-katholischen oder -orthodoxen Glauben angehört und bis zu ihrer Vertreibung 1947 in den Niederen Beskiden lebte. Im 4,4 km entfernten Regietów wartet der weltweit größte Huzulenpferdestall. Die zähen, flinken und trittsicheren Gebirgspferde können auf einem Wanderritt persönlich kennengelernt werden.
18,5 km nordwestlich liegt das Dorf Łosie, in dem man im Schmiere-Gehöft (es ist Teil des PTTK-Regionalmuseums) mehr über die Erdölgewinnung in der Region erfahren kann. Die Schmierstoffhersteller aus Łosie waren in ganz Polen bekannt. Mehr zum Projekt „Poland Soul Travel“ unter www.polandsoultravel.com
Erstellt am: 15. Juli 2022
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