T.A.I. vor Ort in Flandern

Kein Platz für Angst. In Flandern regieren Genuss und Lebensfreude

Print-Ausgabe 26. August 2016

Infolge der Anschläge auf den Brüsseler Flughafen und die Metro im März erlebte Belgien, wie nicht anders zu erwarten, einen Besucherrückgang. Die touristischen Reize und das Image einer Genussdestination blieben jedoch unangetastet. T.A.I. konnte sich Ende Juli auf Einladung von Visit Flanders ein Bild des Städtedreiecks Brüssel, Antwerpen und Brügge machen.

Friedensbotschaften, Kränze und Kerzen verzierten den Platz vor der alten Brüsseler Börse fast zwei Monate lang. Im Mai versetzte ihn die Stadt schließlich wieder in den ursprünglichen Zustand zurück. „Der Börseplatz wurde dank der Bürger eine Gedenkstätte und ein Erinnerungsplatz“, erklärte damals der Brüsseler Bürgermeister Yvan Mayeur anlässlich einer Zeremonie zu den Aufräumarbeiten. Dieser Festakt sollte der Transformation des Platzes in einen Ort des Gedenkens Respekt zollen. „Aber“, so der Bürgermeister weiter, „dieser Platz war auch immer ein Platz, auf dem gefeiert wurde.“

Er sollte rechtbehalten. Tatsächlich hat die Kombination aus Gedenkstätte und urbanem Veranstaltungsort den ursprünglich stark befahrenen Platz zu einem einzigartigen Ort in Brüssel gemacht. Fahnen und Transparente mit Solidaritätsbekundungen und Friedenszeichen verzieren das Börse-Gebäude, während davor Straßenkonzerte gegeben werden und Menschen auf dem heute verkehrsberuhigten Areal flanieren und dem bunten Treiben folgen.

Das Gassenwerk rund um die Börse lädt zu ausgiebigen Erkundungstouren ein. Im Rahmen eines geführten Rundgangs lässt sich Wissenswertes zu den Sehenswürdigkeiten der Altstadt und der Geschichte Brüssels mit Verkostungen typischer Leckereien verbinden – dabei handelt es sich mal um die berühmten Pralinen, mal um würzigen Käse, mal um Salzwasserschnecken. Als Beifang waren diese ursprünglich den Händlern am Fischmarkt vorbehalten. Im Laufe der Zeit etablierten sich die Schnecken, serviert in einer pfeffrigen Suppe, zu einer lokalen Spezialität. BesucherInnen – abgesehen von wenigen Mutigen – stellen sich zumeist lieber bei den Austernständen an.

Überhaupt ist Brüssel ein Paradies für Feinschmecker, sei es in und rund um die Galeries Roya-les Saint-Hubert, wo sich die Chocolatiers und Konditoren bei der Schaufenster-Dekoration gegenseitig übertreffen oder in einem der vielen ausgezeichneten Restaurants (u.a über 200 Michelin-Restaurants).

Ein wichtiger Teil des Straßenbildes in fast allen Städten Flanderns sind die unzähligen Terrassen-Cafés, auf denen zu jeder Tages- und auch Jahreszeit reger Betrieb herrscht. Kaffee wird jedoch weniger getrunken, „ins Café“ geht man für ein Bier. Qualität geht dabei über Quantität. Biertrinken ist in Flandern etwas für Genießer und Feinschmecker. Der Sortenreichtum gehört zu den größten der Welt. Abteibiere, Trappistenbiere, Fruchtbiere, hell oder dunkel, leicht oder stark, fruchtig oder herb – Auswahl und Ideenreichtum sind riesig. Die Vielfalt geht auf die mittelalterliche Brautradition zurück, als vor allem Mönche in den vielen Klöstern des Landes begannen, Bier zu brauen. Im Laufe der Zeit kamen etliche Familienbetriebe sowie auch industrielle Anbieter dazu. In jüngster Vergangenheit bringt die Nachfrage nach Craft-Beer neue Impulse.

Einen spannenden Einblick in die flämische Braukunst liefert die Mikrobraurei „Bourgogne des Flandres“. Nach 60 Jahren in Brüssel siedelte sich der Betrieb vor kurzem wieder in seiner Herkunftsstadt Brügge an. Eine abwechslungsreiche Führung bringt Gästen die fast 200 Jahre alte Geschichte des Traditionsbetriebs näher. Auf interaktive Weise werden die einzelnen Produktionsschritte erklärt und mit dem richtigen Timing des Besuchs kann auch der Brauprozess live mitverfolgt werden. Von diesem rotbraunen, süß-sauren Bier werden täglich nur 1.000 Liter hergestellt. Genossen wird dieses am besten direkt auf der gemütlichen Terrasse der Brauerei bei herrlicher Aussicht direkt am Kanal.
 
Ein Rundgang durch die von Wasseradern durchzogene Brügger Altstadt zählt vermutlich seit Jahrhunderten zum Pflichtprogramm von Flandernreisen. Mittelalterliches Pflaster, Kutschen, Backsteinfassaden und pittoreske, von Schwänen bevölkerte Grachten (hier „Reien“ genannt) versprühen eine zeitlose Anziehungskraft. Für Kunstinteressierte lohnt ein Blick in die Liebfrauenkirche, eines der größten Backsteingebäude weltweit. Ganzer Stolz der Kirche ist Michelangelos Marmorstatue „Madonna mit Kind“, eines der wenigen Werke des Künstlers, das Italien verlassen hat.

Aufgrund seiner überschaubaren Größe ist Brügge trotz der vielen Sehenswürdigkeiten in erster Linie als Tagesziel beliebt. Für längere Aufenthalte ideal ist hingegen die dritte Stadt im flämischen Dreieck – das vielseitige, lebendige Antwerpen. Die Hafenstadt versprüht einen weltoffenen, modernen Charme. Es handelt sich zugleich um die Heimatstadt des flämischen Meisters Peter Paul Rubens, dessen Haus bzw. Atelier hier besucht werden kann. Vier seiner Malereien sind permanent in der imposanten Liebfrauenkathedrale zu bestaunen (nicht zu verwechseln mit der Liebfrauenkirche in Brügge).

In jüngster Vergangenheit hat sich Antwerpen vor allem mit seiner florierenden Modeszene einen Namen gemacht. Von Kleinstboutiquen in verschachtelten Gässchen bis hin zu Stores internationaler Großmarken ist hier alles zu finden, was Shopping-Urlauber glücklich macht. Im Modemuseum (MoMu) finden regelmäßig Ausstellungen rund um Designer, Trends und Modegeschichte statt. Eine eigene Fashion App führt Gäste auf den Spuren der Mode durch die Stadt.

Antwerpen ist zudem eine Stadt des Genusses. Einer der dazu beiträgt ist Frederic Van Tricht. In dritter Generation führt der so genannte „Käseaffineur“ einen Betrieb, der auf die Reifung von Käse spezialisiert ist. In laborartigen Räumlichkeiten im Areal der „De Koninck“-Brauerei sorgt Van Tricht für die perfekten Bedingungen, um Rohkäse, der direkt von Bauern eingekauft wird, so lange reifen zu lassen bis er seinen vollen Geschmack entfaltet. „Unser Job ist es den Käse zum Kunden zu bringen, wenn er perfekt ist“, erklärt Van Tricht. Was kurz umschrieben einfach klingt, entwickelte sich hier zur Kunstform. Ergebnisse, wie mit Vanille oder Asche versetzter Schimmel-Ziegenkäse, sind faszinierend und schmackhaft zugleich. Neben einem Exportanteil zählt vor allem die Spitzen-Gastronomie zu Van Trichts Hauptabnehmern. Feinschmecker sollten sich eine Verkostung keinesfalls entgehen lassen.

Trotz seiner vielseitigen Reize sieht sich auch Flandern seit den Anschlägen vom 22. März mit Fragen bezüglich der Reisesicherheit konfrontiert. Als Reaktion darauf hat Visit Flanders die „Shareoursmile“-Kampagne ins Leben gerufen. Diese soll ein gast- und lebensfreudiges Image vermitteln und BesucherInnen einen „herzlichen Empfang bereiten“. Gäste werden gebeten, Selfies mit touristischen Dienstleistern, sei es dem freundlichen Kellner oder der bemühten Hotel ManagerIn, zu schießen und mit dem Hashtag #shareoursmile auf Instagram, Facebook oder Twitter zu posten. Für die 50 besten Fotos winken Überraschungspakete. Postings bis zum 30. September nehmen teil.

Und wie sieht es nun bezüglich der Reisesicherheit aus? Die Antwort lautet: nicht anders, als in anderen westeuropäischen Destinationen. Dafür trumpft Flandern mit einer der besten Küchen der Welt, romantischen Städten, einer lebendigen Kunst- und Modeszene sowie großem Genießertum auf.

Straßenkonzert auf dem Börseplatz, Brüssel

Café in der Galeries Royales Saint-Hubert, Brüssel

Schaufenster einer Konditorei, Brüssel

Seit der Renovierung 2007 erstrahlt das Atomium in neuem Glanz, Brüssel

Selfie vor den Gildenhäusern am Grand Place, Brüssel

Straßencafés sind aus dem Stadtbild nicht wegzudenken, Brüssel

Käseverkostung bei Frédéric Van Tricht, Antwerpen

Bierverkostung in der Brauerei De Koninck, Antwerpen

Das Rathaus von Antwerpen

Brauerei Bourgogne de Flandre, Brügge

Blick auf die so genannten "Reien" oder Grachten, Brügge

Michelangelos Madonna in der Liebfrauenkirche, Brügge

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Erstellt am: 26. August 2016

Fotos: © T.A.I. / V.Sufiyan

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