ANA
T.A.I. vor Ort in Prag

Goldene Stadt mit viel Lifestyle. Hipster & Hradschin als Traumpaar

Print-Ausgabe 16. März 2023

Wenn’s um Prag geht, drehen sich die Gedanken zunächst um Karlsbrücke, Franz Kafka oder die historische Altstadt – dabei hat Prag viel mehr zu bieten

Seit die UNESCO vor rund 30 Jahren den historischen Kern von Prag zum Weltkulturerbe ernannt hat, mit Hradschin, Prager Burg, Kleinseite, Altstadt einschließlich Karlsbrücke und Josefstadt sowie der Neustadt, gehören romanische Kirchen, gotische Dome, barocke Paläste und Gärten, mondäne Jugendstil-Bauten sowie die einzigartige kubistische Architektur zu den „Must-sees“ der tschechischen Hauptstadt. Die vielen hippen Hot­spots – die sich laufend entwickeln – hingegen befinden sich meist abseits dieser touristischen Pfade. Sie standen im Mittelpunkt einer von CzechTourism organisierten Medienreise.

Ein gutes Beispiel ist der 7. Prager Bezirk Holešovice, eines der Szeneviertel der Stadt. Die ursprüngliche Industriezone des einstigen Arbeitsbezirkes wurde von einer alternativen Kunstszene, modernen Wohnhäusern, Büros sowie Ateliers junger Künstler und Designer ersetzt. Dazu kommt eine Vielzahl an unkonventionellen Kaffeehäusern und Bistros, Galerien, Kulturräumen sowie Geschäften.

Ehemaliger Zentralschlachthof

So wurde am Areal des ehemaligen Zentralschlachthofes am Moldauufer im südlichen Teil von Holešovice die Anlage in Markthallen umgewandelt. Viele der ca. 30 Gebäude im Stil der Neorenaissance, wurden renoviert. Heute wird der denkmalgeschützte Komplex als „Prager Markthalle“ bezeichnet. Neben dem größten Obst- und Gemüsemarkt der Stadt werden dort auch u.a. Kleidung, Elektronik, Haushaltsgegenstände sowie Souvenirs angeboten. Ebenfalls haben sich einige Lokale und Kulturstätten angesiedelt, wie das „Jatka78“. Die Heimatbühne des Ensembles „Cirk La Putyka“, des größten zeitgenössischen Zirkus Tschechiens, mit Multifunktionsraum, Theatersaal, Galerie, Trainingshalle sowie einer trendigen Bar.

Ein paar Gehminuten entfernt, befindet sich der 2016 von zwei jungen Pragern Lukáš Žďárský und Jakub Zajíc aus einer alten Rohrfabrik gegründete „Vnitroblock“. Die Räumlichkeiten dieses Kultur- und Einkaufszentrums befinden sich in einem Innenhof hinter Wohnhäusern – ein unscheinbarer Eingang in der Tusarova 31 führt in einen multifunktionalen Saal mit freiliegenden Ziegeln und Stahlträgern, Betonböden und hohen Decken mit Fabrikfenstern. Das Hauptgeschoss wird vom offenen Signature Store & Café dominiert. Abgerundet wird dies durch eine Bar, ein kleines Kino, jede Menge Ausstellungsfläche und individuelle Produkte junger Designer. Der Außenbereich des „Vnitroblocks“ ist mit Picknicktischen, Imbisswagen, Geschäften und vielem mehr ausgestattet.

„Schwebender“ Zeppelin

Ebenfalls im 7. Bezirk angesiedelt ist das DOX Centre for Contemporary Art. Es handelt sich um die größte unabhängige Institution für zeitgenössische Kunst Tschechiens, die dank einer Privatinitiative 2008 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Untergebracht ist DOX in einer ehemaligen Fabrik, die auch als Beispiel für innovative zeitgenössische Architektur gilt. Neben den Ausstellungsbereichen, der Multifunktionshalle DOX+, einem Designshop, einer Buchhandlung und dem Archiv für bildende Kunst, sticht vor allem der auf dem Dach „schwebende“ Zeppelin Gulliver gleich beim Eintritt ins Auge. Das 40 Meter lange und 10 Meter breite Luftschiff dient neben seiner Nutzung als Veranstaltungsort für Lesungen auch als Symbol für das Programm des DOX-Zentrums. Mittels Ausstellungen gegenwärtiger, internationaler und tschechischer Kunst sowie Diskussionen zu aktuellen Themen soll zum kritischen Nachdenken motiviert werden. Ergänzt wird dies durch Begleitprogramme, öffentliche Veranstaltungen, Filmvorführungen, interaktive Workshops und öffentliche Happenings.

Gastronomische Vielfalt

Gleich ums Eck des DOX besteht die Möglichkeit, sich von der gastronomischen Vielfalt in Holešovice zu überzeugen. Das Restaurant „The Eatery“ (mit dem Michelin „Bib Gourmand“ ausgezeichnet, der für das beste Preis-Leistungs-Verhältnis des Guide Michelin steht) bietet traditionelle tschechische Küche, die von Sternekoch und Miteigentümer Pavel Býček modern interpretiert wird. Das von außen unscheinbare, nur durch ein leuchtendes „E“ erkennbare Lokal, wartet auch im Innenraum mit unverkleideten Wänden und schlichten Möbeln auf. Der Fokus wird aufs Essen gelegt. Zubereitet wird es in einer offenen Küche. Verwendet werden regionale Zutaten von ausgewählten Lieferanten und, so steht es auf der Website, eine große Portion Liebe.

Ausstellungen im Messepalast

Ein weiteres kulturelles Highlight im 7. Bezirk stellt der Messepalast der Nationalgalerie Prag dar. Der Palast wurde zwischen 1925 und 1928 errichtet und war seinerzeit das größte Gebäude dieses Typs weltweit. Auf vier Stockwerken und einer Fläche von 13.500 m² sind hier mehr als 2.000 Exponate ausgestellt. Die Ausstellung „1796–1918: Kunst des verlängerten Jahrhunderts“ umfasst an die vierhundertfünfzig Werke von 150 tschechischen und internationalen Künstler:innen wie Alfons Mucha, Picasso, Monet, van Gogh, Georges Braque, Renoir und Klimt.

Die zweite Dauerausstellung „1918–1938: Erste Republik“ wurde 2018 zum 100. Jubiläum der Gründung der Tschechoslowakischen Republik eröffnet. Neben Gemälden und Plastiken berühmter tschechischer, slowakischer, tschechisch-deutscher und karpatenrussischer Künstler sind Werke aus der französischen Sammlung ausgestellt, die in den 1920er und 1930er Jahren erworben wurden. Darüber hinaus werden Ausstellungen aus den Bereichen Architektur und Möbel und in kleinerem Umfang auch Fotografie, Design und Szenografie präsentiert.

Bis Anfang Mai 2023 etwa kann die Ausstellung „Flower Union“ noch besucht werden. Neun junge tschechische Künstler und Designer schufen im Rahmen der letztjährigen tschechischen EU-Ratspräsidentschaft Dekorationen für zwei Gebäude des Rates der EU in Brüssel. Die Exposition „My Body Is Not an Island“ von Eva Koťátková wird noch bis Anfang Juni im Messepalast zu sehen sein. Die Künstlerin kombiniert in ihrem Werk Objekte, Collagen, Kostüme und Texte zu weitläufigen, spielerischen, poetischen und oft performativen Installationen, um anzudeuten, wie sehr unser persönliches Leben von unserem sozialen Umfeld mit seinen Codes und Normen beeinflusst wird.

Kochschule und Food-Hub

Von der bildenden Kunst zur Kochkunst: Im Nationalen Landwirtschaftsmuseum, das auch in Holešovice zu finden ist, werden von der Kochschule Chefparade seit 2007 Kochkurse angeboten. T.A.I. hatte die Gelegenheit im Kurs „Czech specials“ die Zubereitung eines 3-Gänge-Menüs der klassischen tschechischen Küche bei den prominenten Köchen Tomáš Kalina und Lukáš Vegricht zu absolvieren. Nach der Zubereitung wurden die Speisen, gemeinsam mit dem tschechischen Botschafter in Wien, S.E. Jiří Šitler, verkostet, die Teilnehmenden erhielten ein Zertifikat sowie ein Kochbuch mit weiteren Rezepten traditioneller tschechischer Gerichte.

Wer nicht selbst den Kochlöffel schwingen möchte, hat im 5. Bezirk im Manifesto Market Anděl die Qual der Wahl: Das bargeldlose Food-Hub-Konzept von Manifesto wurde 2018 vom amerikanischen Architekten und Unternehmer Martin Barry in Prag ins Leben gerufen. Nach den beiden Manifesto Popups Prag Florenc und Prag Smíchov ist Anděl der dritte Standort für das innovative Projekt, bei dem sich in renovierten Baucontainern aktuell 12 verschiedene Gastronomiebetriebe (plus der Manifesto-eigenen SOOT Bar und der Pilsner Bierbar) eingemietet haben. Sie fungieren entweder als Startups oder werden von renommierten Köch:innen sowie als Filialen von bereits in Prag geführten Restaurants betrieben.

Plastikverbot und begrünte Wände

Im Angebot finden sich u.a. französische, asiatische, mexikanische, koreanische und ukrainische Spezialitäten. Durch den Standort in der Foodhall können die Küchenchefs ihre Anfangskosten senken und durch die niedrigeren Betriebskosten ihre Gewinnspannen erhöhen. Außerdem werden sie von Manifesto mit Marketing und einer gemeinsamen Plattform für die Lieferung von Lebensmitteln unterstützt.

In nur 60 Tagen wurde der Manifesto Market Anděl errichtet, der durch sein flexibles und hochfunktionales Design ganzjährig geöffnet und an die saisonalen Veränderungen angepasst werden kann. Versorgt wird der Food-Hub zu 100 % mit Energie aus erneuerbaren Quellen, es herrscht Plastikverbot (Porzellangeschirr) und es wurden begrünte Wände, eine Hydrokultur sowie ein Kompostierungs- und Regenwassersammelsystem eingeführt. Wichtiger Bestandteil des Konzepts sind die begleitenden Veranstaltungen: Angeboten werden u.a. Live-Konzerte, Auftritte von DJs, Karaoke- und Quizabende sowie zweimal pro Monat Sonntagsbrunch inklusive Kinderprogramm.

Bistro-Stil und hipper Bauernmarkt

Ein weiterer kulinarischer Tipp ist das neue Lokal des tschechischen Star- und Fernseh-Kochs Zdeňek Pohlreich – Next Door by Imperial – in der Prager Altstadt (1. Bezirk). Das im Hotel Cosmopolitan beheimatete Restaurant (gegenüber dem Hotel Imperial) besticht durch seine einzigartige Kombination von offener Küche, tollem Service und köstlicher moderner tschechischer Küche aus hochwertigen Zutaten. Unterstrichen wird der Pariser Bistro-Stil durch die außergewöhnliche Inneneinrichtung des renommierten italienischen Architekten Luciano Belcapo.

Eine absolutes „must-see“ ist der hippe Bauernmarkt am Moldauufer, der seit 2010 jeden Samstag von Mitte Februar bis Weihnachten stattfindet. An den ca. 100 Ständen werden sowohl Produkte von regionalen Bauern und Produzenten – von Gemüse und Obst, über süße und pikante Bäckereien, bis hin zu verschiedenen Käse, Wurst- und Fleischsorten – als auch nationale und internationale kulinarische Spezialitäten angeboten. Die große Auswahl an hochwertigen Lebensmitteln und frisch zubereiteten Speisen, die entspannte Atmosphäre und die Lage an der Moldau machen aus dem Markt am Ufer „Náplavka“ einen beliebten Ort zum Bummeln, Essen, Trinken und Einkaufen für Einheimische und Tourist:innen. Mit einer kleinen Bootsfähre gelangen Interessierte auch an das gegenüberliegende Ufer, wo ebenfalls an „Streetfood“‑
Ständen tschechische und internationale Gerichte verkostet werden können.

Fazit: Die „Goldene Stadt“ hat unbeschreiblich viele hippe Highlights zu bieten, die zu entdecken ein absolutes Muss für alle Besucher:innen darstellt.

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