ANA
Tourismus-Prognosen für 2022

Es geht aufwärts, aber langsam: Ausblicke mit vielen Fragezeichen

Print-Ausgabe 17. Dezember 2021

„Einige große Reiseziele werden die Zahl ihrer Tagesbesucher*innen begrenzen“, so EIU-Branchenmanager Swarup Gupta


 

Die Economist Intelligence Unit (EIU) hat einen Branchenausblick versucht – Fliegen wird teurer, Geschäftsreisen brauchen länger, Kreuzfahrt wird rascher auf Kurs kommen

Wie wird das Jahr 2022 aus touristischer Sicht? Aussagen dazu sind derzeit kaum möglich, zu groß ist die Unsicherheit seit dem Auftreten der Omikron-Variante, auch wenn es zuletzt von der EMA (European Medicines Agency) aufgrund des leichten Verlaufes der meisten bisher aufgetretenen Fälle eine vorsichtige Entwarnung gab. Wie also lassen sich Wachstumsaussichten, die größten Risiken und die wichtigsten Trends, mit denen die Tourismusbranche 2022 konfrontiert sein dürfte, abschätzen? Die Forschungs- und Analyse­abteilung der Economist Group, die EIU (Economist Intelligence Unit), ein Schwesterunternehmen der Zeitung The Economist, hat unter Leitung ihres Branchenmanagers Swarup Gupta eben das versucht und einen Branchenausblick gewagt.

Auf globaler Ebene werden sich laut EIU die internationalen Ankünfte im kommenden Jahr etwas erholen, aber immer noch rund 30 % unter dem Niveau von 2019 liegen, als sie den Rekordwert von 1,499 Milliarden Reisenden erreichten. 2020 waren davon nur noch 402,1 Millionen internatio­nale Ankünfte übriggeblieben, was dem Niveau von 1988/89 entsprach. Auf welchem Niveau die weltweiten Zahlen 2022 landen könnten, darüber traut sich noch niemand konkretere Zahlen zu äußern.

Der diesjährige Nachfrageanstieg ist auf das gestiegene Vertrauen der Reisenden zurückzuführen, das durch die raschen Fortschritte bei den Impfungen und die Lockerung der Einreisebeschränkungen in vielen Reisezielen entsteht. In Europa hat der EU-Green Pass – eine Initiative, die von Österreich ausgegangen ist – dazu beigetragen, die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union zu erleichtern, was nach vielen Monaten der Reisebeschränkungen einen erheblichen Nachholbedarf ausgelöst hat.

In Süd- und Mitteleuropa, in der Karibik sowie in Nord- und Mittel­amerika stiegen die Ankünfte in den ersten neun Monaten des Jahres 2021 sogar über das Niveau von 2020. Einige Inseln in der Karibik und in Südasien sowie einzelne kleine Reiseziele in Südeuropa verzeichneten im dritten Quartal 2021 sogar Ankünfte, die sich dem Niveau vor der Pandemie annäherten oder es sogar übertrafen.

In Asien und im Pazifikraum gingen die Ankünfte im Vergleich zu 2019 um -95 % zurück, da viele Reiseziele für nicht unbedingt notwendige Reisen weiterhin geschlossen blieben. Afrika und der Nahe Osten verzeichneten im dritten Quartal einen Rückgang von -74 % bzw. -81 % im Vergleich zu 2019.

Der Geschäftsreiseverkehr steht hingegen weiterhin besonders unter Druck. Die weltweiten Ausgaben im Bereich Business Travel dürften zwar im nächsten Jahr voraussichtlich wieder um mehr als 37 % auf über 1.000 Mrd. US-Dollar ansteigen (2019 waren es 1.400 Mrd. Dollar), aber mit einer vollständigen Erholung rechnet niemand vor 2024. Für heuer wird von einem globalen Geschäftsreisevolumen in Höhe von 754 Mrd. Dollar ausgegangen, um +14 % gegenüber 2020. Anfang dieses Jahres rechnete man noch mit einem Anstieg um 21 %.

Positiv ist, dass die Grenzen zwar wieder geöffnet werden, der internationale Reiseverkehr wird aber aufgrund unterschiedlicher Einreisebestimmungen weiterhin schwierig sein. Auch die Gültigkeit von Impfungen, die von Staat zu Staat anders geregelt sind (so ist z. B. in Österreich die Sputnik-Impfung nicht anerkannt, ebenso wenig wie jene mit Sinovac und Sinopharm), wird den internatio­nalen Reiseverkehr weiterhin erschweren.

Im Bereich der Luftfahrt geht die EIU laut Swarup Gupta von Airline-­Fusionen aus, ebenso von Flughafenschließungen. Zusammen mit der Einhaltung von Klimaschutzvorschriften, höheren Treibstoffpreisen und Gehältern werde dies die Kosten für Flug­reisen 2022 in die Höhe treiben. Für steigende Reisekosten werden auch Touristensteuern sorgen. Sie stehen im Zusammenhang mit den Bemühungen zu mehr Nachhaltigkeit. Swarup Gupta: „Einige große Reiseziele werden die Zahl ihrer Tagesbesucher*innen begrenzen, vor allem Venedig.“ Auch Thailand wird 2022 eine Steuer in Höhe von 15 US-Dollar einführen, Neuseeland dürfte wahrscheinlich einen ähnlichen Ansatz wählen.

Nochmals zu Thailand: Das Land in Südostasien hofft, dass die zuletzt erfolgte Abschaffung der Quarantäne­vorschriften, die den Tourismus zum Erliegen gebracht haben, 2022 zu einem starken Anstieg der internationalen Ankünfte führt. Bei der EIU geht Swarup Gupta allerdings davon aus, dass die Erholung bescheiden ausfallen und deutlich unter dem Niveau vor der Pandemie liegen wird. Zu kompliziert sind nach wie vor die Einreisehürden.

Aus ihrer Flaute herauskommen sollte hingegen die Kreuzfahrt­industrie. Deren Passagierzahlen sind von 27,51 Millionen in 2019 auf 7,09 Millionen im Vorjahr gefallen. Heuer dürften es 13,91 Millionen werden. Swarup Gupta: „Nach einem Rückgang in den beiden letzten Jahren haben die Kreuzfahrtbuchungen für 2022 wieder zugenommen, da Impf- und Gesundheitspässe die Wiederaufnahme von Auslandsreisen ermöglichen, wenn auch mit einem erhöhten Dokumentationsaufwand.“

Kommentar schreiben

Bitte die Netiquette einhalten. * Pflichtfelder

Nach oben