Zukunftsreise Dublin

Die optimale AR & VR-Strategie: Am Ball bleiben, nicht gleich losschießen

Print-Ausgabe 31. Jänner 2020

Die „Zukunftsreisenden im Hauptquartier von Failte Ireland“, ganz links hinten steht Josef Treml (WKO Dublin), Initiator der Tour. Ganz rechts vorne ist „Zukunftsreiseleiter“ Conor Gibbons (WKO Dublin) zu sehen, neben ihm Prof. Alex Gibson von der TU Dublin.


 

Initiative „Advantage Austria“ zeigte mit der Touristik-Zukunftsreise nach Dublin, wie Erwartung und Realität von Virtual und Augmented Reality noch auseinanderklaffen 

Das totale Eintauchen in eine nicht reale, sondern virtuelle Welt der Illusion per Headset, ergänzende virtuelle Bilder und Töne in realen Situationen, z.B. bei einem Museumsbesuch – kurz: Virtual Reality/VR und Augmented Reality/AR – sind Techniken, die im Tourismus mehr und mehr Eingang finden. Grund genug für das AußenwirtschaftsCenter Dublin und seinen Leiter Josef Treml im Rahmen der Initiative „Advantage Austria“ eine „Zukunftsreise“ zu diesem Thema in das „Silicon Valley Europas“, wie Irlands Hauptstadt gerne genannt wird, auszuschreiben. T.A.I. war mit Helmut Zolles als einziges Fachmedium mit dabei.

Das gut gewählte Motto „Do we have to travel in order to get there?” und ein dichtes, interessantes Programm lockten eine Gruppe von Hoteliers, VertreterInnen von offiziellen Werbestellen, Dienstleistern und wissenschaftlichen Institutionen nach Dublin. Sie wurden nicht enttäuscht: Der Ausflug in die virtuelle Welt startete mit einer praxisbezogenen akademischen Einführung durch Prof. Alex Gibson von der TU Dublin, der die Gruppe durch das gesamte Programm wissenschaftlich begleitete, als erstes in das VR- und AR-Laboratorium der Universität. Eindrucksvoll wurde hier veranschaulicht, wie VR vor allem bei vielen Lernsituationen eingesetzt werden kann – letztlich ist ja auch das bereits seit langem im Einsatz befindliche Simulator-Training verschiedener Fluggesellschaften ein Prototyp dieser Methode.

Danach ging es in die europäischen Hauptquartiere von zwei Big Playern, Facebook und Google, die in Irland beide um die 5.000 MitarbeiterInnen aus der ganzen Welt beschäftigen. Zu Facebook gehört das Start-up Oculus (vor fünf Jahren um 2 Mrd. US-Dollar gekauft), das sich u.a. auf die virtuelle Wiedergabe kulturhistorischer Plätze, wie das Abbey Theater, das mittelalterliche Dublin oder das antike Rom spezialisiert. Google wiederum hat auf seiner App „Art & Culture Institute“ über 1.800 Museen digital erfasst und rekonstruiert aus alten Fotos zerstörte Kunstwerke in digitaler Form. Mit der App „Google Lens“ können zudem per Handy zahlreiche Informationen über Plätze und Objekte aufgerufen werden.

Hologramme, die mit Microsoft „Hololens“ wiedergegeben werden, präsentierte am zweiten Tag das Start-up „Volograms“ in der Biererlebniswelt von Guiness Storehouse (mit zwei Millionen BesucherInnen pro Jahr Dublins größte Sehenswürdigkeit). Beim anschließenden Besuch von „Failte Ireland“, der touristischen Entwicklungsagentur des Landes, kamen Probleme der digitalen Aufbereitung kultureller Sehenswürdigkeiten und Museen zur Sprache, was bei den TeilnehmerInnen aus Österreich auf größtes Interesse stieß.

Den Schlusspunkt setzte der Besuch bei Microsoft. Mit „Hololens“ hat der aktuell 1,27 Mrd. US-Dollar Börsenwert schwere Gigant seit 2016 ein „Mixed Reality Tool“ auf dem Markt, das virtuelle Präsentationen ohne völliges Ausblenden der realen Umgebung ermöglicht. Microsoft präsentierte sich der Touristik-Gruppe aus Österreich auch als höchst progressive Arbeitswelt für 4.000 Beschäftigte: sie haben keine fixen Arbeitsplätze mehr, sind an keinerlei Arbeitszeiten gebunden und lukrieren, wie auch ihre Kolleg­Innen bei Facebook und Google, überdurchschnittliche Bezahlung sowie reichliche Zusatzleistungen seitens des Unternehmens (Bemerkung einer Teilnehmerin: „Das ist ja mehr Wellness-Oase als ein Büro!“).

  • Die Zukunftsreisenden zeigten sich von Inhalt und Abwicklung des Trips begeistert. Das Programm erfüllte alle Erwartungen und die Side-Events boten Gelegenheit zu wertvollen Kontakten. Die wichtigsten Erkenntnisse aus Sicht der TouristikerInnen:
  • AR und VR haben sich nicht so schnell entwickelt, wie vorhergesagt, und sind zurzeit vielfach erst in Entwicklung.
  • Die einschlägige Forschung ist, was den Tourismus betrifft, hinter anderen Sektoren zurück (so werden in der Medizin bereits Operationen mit Unterstützung tausende Kilometer entfernter Experten-Teams durchgeführt).
  • Die virtuellen und interaktiven Techniken sind oft nur Werbegag und nicht in der Unternehmenskultur verankert.
  • Die größten Zukunftschancen von VR und AR im Tourismus liegen im Marketing (z.B. virtueller Besuch von Hotels und Destinationen, Verkaufsbesuche), in der Besucher-Information und -Lenkung, in der Aufwertung der Präsentation von Sehenswürdigkeiten und Museen sowie bei Ausbildung und Training.
  • Die Probleme liegen nicht unbedingt in der Hardware (die kann auch gemietet werden), sondern bei der Content-Erstellung.


Somit kann die als Motto formulierte Frage am Anfang der Zukunftsreise vorläufig so beantwortet werden: die virtuelle Reise stellt (noch) keinen Ersatz für den realen Ortswechsel dar (wer weiß – vielleicht kommt demnächst ein grünbewegter Milliardär auf die Idee, ein Angebot unter dem Titel „Erlebe die Welt ohne zu reisen und rette sie damit“ zu lancieren; doch auch dann scheint der Erfolg eher fraglich). Somit heißt es, alle Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen, aber nicht sofort auf jede aufzuspringen. Dazu hat die Initiative von „Advantage Austria“ in dankenswerter Weise beigetragen. 

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