ÖRV Kongress 2019

Schweinezyklen, Klima und eine nicht zu Ende geführte Diskussion

Print-Ausgabe 3. Mai 2019

Handelte bei seinem Vortrag am ÖRV-Kongress ein breites Themen­spektrum ab: Austrian Airlines CEO Alexis von Hoensbroech

Ende voriger Woche hatte der neue CEO von Austrian Airlines, Alexis von Hoensbroech, seinen Premierenauftritt vor versammelter Vertriebsprominenz

Anlass war der Vortrag „Airlinemarkt in Bewegung“ im Rahmen des ÖRV-Kongresses. Alexis von Hoensbroech handelte eloquent das breite Themenspektrum ab, bis er gegen Ende zu jenem Punkt kam, der die Zuhörerschaft am meisten interessierte: Weltweit setzt Austrian Airlines 59 Prozent aller Coupons über den stationären Vertrieb (Agenten und Verkaufsstellen) ab, die aber für 71 Prozent der Umsätze sorgen (= ca. ein Fünftel höherer Yield). Dafür gab’s von ihm ein mit Applaus bedachtes Dankeschön an den Vertrieb. Online sei das Verhältnis nämlich umgekehrt (34 Prozent der Coupons, 26 Prozent Umsatz); der „sonstige“ Vertrieb bringe es bei 7 Prozent der Coupons auf gar nur 3 Prozent Umsatz.

Als junger Berater bei der Boston Consulting Group (BCG) hatte von Hoensbroech, wie er vor dem Auditorium eingestand, 2000 bei einer Lufthansa-Präsentation noch angekündigt, dass es bis 2010 keine Reisebüros mehr geben werde. Davon könne nun keine Rede mehr sein, aber „die Kooperation (mit dem stationären Vertrieb) unterliegt einem technischen Wandel“, so von Hoensbroech. Als Stichwort nannte er NDC (New Distribution Capability), „aber dafür werde ich von Ihnen nicht so großen Applaus bekommen“.

Den erhielt stattdessen die frühere ÖRV-Präsidentin Annemarie Richard (Columbus), die angesichts der genannten Coupon-­Umsatz-Relation vom Austrian CEO einforderte: „Wenn Sie über die Kooperation mit Reisebüros reden, wäre es nett, wenn Sie darüber mehr nachdenken als nur Dankeschön zu sagen.“ Gemeint waren damit natürlich höhere Incentives. Einer weiteren Diskussion darüber wich von Hoensbroech allerdings aus.

Dafür versicherte er: „Unser Geschäft bleibt analog.“ Zunehmend digital würden aber die Schnittstellen zu den KundInnen, wobei die Digitalisierung einen guten Teil der mehr als 80 aktiven Innovations-Projekte von Austrian Airlines einnimmt.

Für Austrian sei die Ausgangsposition generell schwieriger als für die anderen Netzwerk-Carrier der Lufthansa Group, denn „Wien hat das kleineste Catchment aller Lufthansa-Hubs“. Umgekehrt habe kein anderer Hub „so viele Incoming-Passagiere“. Ergebnis sei „eine riesige Saisonalität“. All dies sind Gründe, weshalb der Durchschnitts-Yield der LH-Group Airlines in Wien um 20 Prozent niedriger liegt als in München und noch deutlicher unter Frankfurt und Zürich (siehe Grafik). Die „extreme Low Cost Schlacht“ am Standort Wien werde dies noch verschärfen.

Generell werde die Weltluftfahrt weiter extrem wachsen (alle 15 Jahre Verdoppelung seit 1970). Aus den rund 4 Mrd. Passagieren 2018 würden demnach bis 2050 rund 12 Mrd. werden. „Da wird’s eng“, meinte von Hoensbroech angesichts der begrenzten Infrastruktur, die schon jetzt an ihre Grenzen stößt. Auch heuer werde „ein Sommer der Verspätungen“, obwohl von den Airlines viele Vorbereitungen getroffen wurden (die LH Group hält 35 Reserveflugzeuge bereit, Austrian davon zwei).

Für Europa rechnet Alexis von Hoensbroech mit einer weiteren Fusionswelle: In Nordamerika beherrschen die „Big 5“ rund 78 Prozent des Marktes und kommen auf eine Rendite von 13,2 Prozent, während in Europa 250 Airlines um die Gunst der Passagiere kämpfen, mit nur 51 Prozent Anteil der größten 5, die es auf lediglich 6,3 Prozent Rendite bringen.

Interessant sei der noch junge Trend, dass es keinen branchenweiten „Schweinezyklus“ mehr gebe: „Großen Airlines geht es gut, während kleinere tendenziell pleite gegangen sind.“ Diese Entwicklung „wird weitergehen, auch wenn sie unangenehme Begleiterscheinungen“ mit sich bringe.

Parallel dazu bekommen Klima- und Umweltdebatte einen hohen Stellenwert: „Die Luftfahrt steht am Pranger“, so Alexis von Hoensbroech. Das festgelegt Ziel, den CO2-Ausstoß trotz Wachstums bis 2050 zu halbieren, könne nur durch synthetische Treibstoffe erreicht werden: „Der letzte Tropfen Öl wird wahrscheinlich im Flugzeug verblasen.“ 

Kommentar schreiben

Bitte die Netiquette einhalten. * Pflichtfelder

Nach oben