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Technologie

Sensation auf der Travel Expo: Ein Roboter für die Reiseberatung!

Print-Ausgabe 23. September 2016

Hinter dem Projekt, das sich noch im Versuchsstadium befindet, stehen IBM und Peakwork – auch sonst tat sich auf der diesjährigen Travel Expo einiges

Es geht eher beschaulich zu. Das war der erste Eindruck auf der diesjährigen „Travel Expo“, die von der deutschen Fachzeitschrift fvw in Essen als Begleitung zum fvw-Kongress veranstaltet wird und auf der traditionell die Elite der Travel IT Unternehmen versammelt ist. Doch der erste Eindruck täuschte, wie Wilfried Kropp (Kropp Kommunikation) in seinem zusammenfassenden Bericht für T.A.I. feststellte. Denn ein Kooperationsprojekt durchbrach die übliche „Travel Expo“-Routine: IBM und Peakwork versuchen sich an einer sprachgesteuerten Reiseberatung, dem „Kollege Roboter“. Der chattet mit dem Kunden und sucht passende Reiseangebote.

Der „Kollege Roboter“

Das Projekt ist noch im Versuchsstadium, nimmt aber einen branchenübergreifenden Trend (Stichwort: Apple „Siri“ und „Amazon Echo“) auf: Sprachgesteuerte Interaktion. Basis für den „Kollege Roboter“ ist das IBM System „Watson“. Es extrahiert bei einem sprachlichen Dialog mit dem Kunden die relevanten Begriffe wie „Strand“, „Winter“, „Golf spielen“ in einem offenen Dialog, setzt Filter entsprechend den Antworten des Kunden ein und greift dabei im Hintergrund auf die in den Peakwork-Playern vorhandenen Reiseangebote zu. Große technische Herausforderung für den „Kollege Roboter“ ist es, die Absicht des Kunden genau zu ermitteln. Dabei spielt auch die Tonalität eine Rolle – also in welcher Stimmung, mit welcher Intensität der Kunde seine Vorstellungen vom Urlaub äußert. Eine der ersten Erkenntnisse: Gut gelaunte Kunden akzeptieren eher höhere Preise.

Die Technik des „Kollege Roboter“ ist selbstverständlich nicht nur in der Reiseberatung einsetzbar, sondern beispielsweise auch in Call Centern. Kropp: „Man braucht nur wenig Phantasie, um hier ‚the next big thing‘ zu sehen, das die Verkaufsprozesse nicht nur in der Reisebranche verändern wird.“

Als Travel Expert qualifizieren

Neben dem „Kollege Roboter“ gab es weitere interessante News und Trends auf der „Travel Expo“, so z. B. das neue Beratungstool „Travel Expert“, das von der fvw Mediengruppe speziell für Reisebüros konzipiert wurde. Zielsetzung ist es, Wissen aus unterschiedlichen Quellen zu sammeln, Reiseanregungen zu geben und Expertentipps zu vermitteln. Etwas vereinfacht gesagt handelt es sich um eine Kombination von Google und Wikipedia, angereichert durch Bewertungen und Blogs – und natürlich vielen Bildern.

Die vom „Travel Expert“ gebotenen Informationen gehen weit über Katalogtexte hinaus, weil sie Informationen aus unterschiedlichsten Quellen zusammenstellen – das können auch Berichte von den eigenen Reisebüro-MitarbeiterInnen sein. Hotels werden nur dann dargestellt, wenn die Weiterempfehlungsrate über 80 Prozent liegt.

Das Tool ist intuitiv zu bedienen. Besonders geeignet erscheint es für Reisearten und Destinationen, mit denen sich Reisebüro-MitarbeiterInnen oftmals etwas schwer tun, wie zum Beispiel Urlaub an der Ostsee. Mit dem gesammelten Expertenwissen, das auch als individuelles PDF ausgedruckt und dem Kunden geschickt werden kann, können sich Reisebüros als Experten qualifizieren. Dennis Conrads, Leiter Vertrieb Digitale Produkte der FVW Medien GmbH, der den österreichischen Touristikmarkt sehr gut kennt, sagt: „Bei Travel Expert geht es nicht um den niedrigsten Preis, sondern um die Inspiration für eine Urlaubsreise.“

Berater und Kunde im Team

Dass auch bei bereits eingeführten Lösungen noch große Verbesserungen möglich sind, beweist die „Bistro Live Beratung“, die auch in Österreich bereits sehr gut verbreitet ist. Bisher wurde bei der Live Beratung nach einem Beratungsgespräch eine individuelle Website erzeugt, die der Kunde (wann und wo er will) aufrufen konnte. Jetzt kommt ein zeitgleiches Zusammenschalten des Kundenbildschirms und des Beraterbildschirms hinzu.

Der große Vorteil: Wenn Kunde und Berater telefonieren, sieht jeder das Gleiche und jede Änderung wird auf beiden Bildschirmen gleichzeitig angezeigt. Nach dem Ende eines Beratungsgesprächs hat der Kunde immer den letzten Stand des Angebots auf seinem Bildschirm und kann dann unter zwei Optionen wählen: „selbst online buchen“ oder „das Reisebüro beauftragen.“

Für Ulrich Klostermann, Geschäftsführer der Traveltainment-Tochter pixell, die das Tool entwickelt hat, handelt es sich nicht nur um eine schlichte Funktionserweiterung: „Der Verkaufsprozess wird sich ändern; die Kommunikation zwischen Kunde und Reisebüro-Mitarbeiter wird anders ablaufen.“

Deep Link für CETS

TraviAustria (künftig Travelport Austria), durch die Geschäftsführer Rudolf Mertl und Hans Wildauer auf der Messe vertreten, zeigte eine interessante Verknüpfung zwischen dem Touristikverfahren CETS und dem Internet. Für Reiseanbieter, die in CETS buchbar sind, gibt es die Option eines „deep links“. Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine speziell für CETS entwickelte Website des Anbieters, der damit viel detaillierter als in CETS seine Angebote darstellen kann, also beispielsweise alle Optionen bei Mietwagen.

Für Reiseberater ergibt sich damit eine bessere Grundlage für Beratungen. Der Anbieter hat noch einen Zusatznutzen: „Er kann seine Angebote so viel er will ändern und erweitern,“ sagt Rudolf Mertl, „und zwar sehr viel schneller und einfacher als in CETS.“ Wenn es dann ums Buchen geht, werden die bereits erfassten Daten in CETS übernommen.

Wachstumsmarkt für Sabre

Mit Marti Reisen (9 Reisebüros in Wien, Wr. Neustadt, St. Pölten und Graz) ist dem GDS Sabre der Einstieg in den österreichischen Markt gelungen. Rainer Schäfer, Direktor für Deutschland und Österreich, sieht die Alpen- und Donaurepublik als Wachstumsmarkt. „Wir gehen sehr gründlich vor und wollen die Prozesse bei interessierten Reisebüros genau verstehen.“ Erst wenn aus der Analyse hervorgehe, dass Sabre konkrete Verbesserungen liefern könne, mache man ein kommerzielles Angebot.

Auf der Produktseite konzentriert sich Sabre auf die Weiterentwicklung seiner zentralen Arbeitsplattform „Red Work Space“. Die Verbesserungen liegen im Detail: Übersichtliche Fare Rules, Darstellung eines Tariftrends, deutliche Darstellung der Ancillary Services, klare Darstellung der Gepäckbestimmungen.

Radar für touristische Nachfrage

TrevoTrend, ein kleines Start-up-Unternehmen aus Köln, richtet sich mit seinen Big-Data-Analysen an Reiseveranstalter und Destinationen. Ein mittelständischer österreichischer Reiseveranstalter arbeitet bereits mit einem TrevoTrend-Produkt.

TrevoTrend wertet Daten aus dem Speicher von Traveltainment aus – online und tagesaktuell. Daraus kann ein Veranstalter u. a. ableiten, welche Zielgebiete und Hotels aktuell stärker nachgefragt werden, und kann sein eigenes Angebot anpassen. Stichwort: Auf der Nachfrage-Welle mitschwimmen. TrevoTrend kann ebenfalls analysieren, aus welchen Postleitzahl-Bereichen die Nachfrage kommt. Veranstalter und auch Destinationen können darauf ihre Werbe-Maßnahmen oder ihren Außendienst fokussieren. 

Die Travel Expo in Stichworten

Im Mittelpunkt der „Travel Expo“, die parallel zum seit 2003 erstmals abgehaltenen fvw Kongress veranstaltet wird, stehen Erweiterungen bereits bekannter Lösungen, die von ca. 80 Ausstellern präsentiert werden. Das Interesse der rund 1.250 Travel Expo-BesucherInnen (zum Vergleich: der fvw Kongress zählt 950 TeilnehmerInnen) ist anhaltend groß, weil die Travel Expo im Unterschied zur ITB stark auf IT fokussiert ist und somit einen kompakten Überblick über alle relevanten Unternehmen und ihre Neuerungen ermöglicht.

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Erstellt am: 23. September 2016

Blicken mit großen Erwartungen in die Zukunft: Dennis Conrads (l.), FVW Medien GmbH und Ulrich Klostermann, pixell

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