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Zollfreie Gedanken

Traditionspflege

Print-Ausgabe 10. März 2017

Tradition wurde im Land Tirol immer schon hochgehalten. Zusammen mit der grandiosen alpinen Landschaft und der gepflegten Gastlichkeit macht sie seine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Was nun die Landschaft betrifft, hat gerade das weltweit größte Forschungszentrum für die lateinische Literatur der Frühen Neuzeit in Innsbruck sowohl mit einer Tradition aufgeräumt als auch eine neue geschaffen. Bisher war es unwidersprochen anerkannte Tatsache, die Entdeckung der Bergwelt als malerische Kulisse mit dem Beginn der Romantik im zu Ende gehenden achtzehnten Jahrhundert anzusetzen. Doch nun hat der am Innsbrucker Institut tätige britische Kunsthistoriker William Barton nachgewiesen, dass alles ganz anders war: Schon zu Zeiten der Renaissance, also mehr als 200 Jahre davor, habe sich die Einstellung zu den Alpen grundlegend geändert. Hatten sie bis dahin als bedrohlich und hässlich gegolten, so waren sie auf einmal von Dichtern und Forschern als ästhetisch reizvolle Region mit prächtiger Fauna und Flora entdeckt worden. Bartons Werk wurde von der Tirol Werbung bei der Ski-WM in St. Moritz präsentiert – als Zeichen von Traditionspflege besonderer Art im führenden Tourismusland Österreichs.

Auch sonst wird Tradition in Tirol gerade wieder neu belebt. Die zweimalige Olympiastadt Innsbruck soll sich nach der Vorstellung des Österreichischen Olympischen Komitees für die Olympischen Winterspiele 2026 bewerben. Eine Idee, die von Bösartigen als Symptom des von Sigmund Freud beschriebenen Wiederholungszwanges gedeutet werden könnte: Als der unwiderstehliche Antrieb immer wieder das Gleiche zu tun und trotzdem ein anderes Resultat zu erwarten. Denn schon in zwei Volksabstimmungen 1993 und 1997 ist eine derartige Bewerbung von den Bewohnern der Tiroler Hauptstadt abgelehnt worden. So wie es auch in anderen Regionen im Alpenraum ein deutliches Nein der Bevölkerung zur Abhaltung von Olympischen Spielen gegeben hat. Es bezeugt also großen Mut, einen neuerlichen Anlauf zu nehmen. Gelten doch in der breiten Öffentlichkeit sportliche Megaveranstaltungen mittlerweile als Geld verschlingende Spielwiesen von geltungssüchtigen Autokraten und dem eigenen pekuniären Vorteil nicht immer abholden Funktionären. Doch mit der Bewerbung Innsbrucks soll sich das jetzt vollkommen ändern. Mit einem neuen Konzept, das die skeptischen Bewohner Tirols – und der ganzen Welt – davon überzeugt, dass Spiele im Zeichen der fünf Ringe auch für den verantwortungsvollen Umgang mit Gästen, Gastgebern und der sie beherbergenden Landschaft stehen können. Der hier gezeigte Optimismus gehört anerkannt. Ob er zum Erfolg führt, wird nicht zuletzt eine weitere Volksabstimmung zeigen. Denn die kommt so sicher wie die liebevoll gesteckte Haarnadel in jedem olympischen Slalomhang.

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