Zollfreie Gedanken

Mehr oder weniger Überraschendes

Print-Ausgabe 11. März 2015

Wer es bis jetzt nicht schon gewusst haben sollte, kann es nun in bunt illustrierten Tabellen sehen: den Germknödel-Index von snowplaza. Danach schwankt der Preis für die Lieblingssüßspeise auf Berghütten im winterlichen Österreich zwischen 14 € und etwas mehr als 5 €. Ähnliche Spannen zeigen sich beim Apfelstrudel. Da nun nicht anzunehmen ist, irgendwer würde seinen Winterurlaub danach ausrichten, wo es gerade die günstigsten Kalorienbomben zu haben gibt und es außerdem ohnehin erwartet wird, das höchste Preisniveau dort anzutreffen, wo die Skigebiete am größten, die Lifte am komfortabelsten und die Schneesicherheit am höchsten ist, darf dieser Index getrost in der Datei „Unnützes Wissen“ abgelegt werden. Der Nutzen ist eher bescheiden, der Überraschungswert gering.

Überraschender ist da schon ein Vergleich, der jüngst von der internationalen Beratungsfirma Deloitte angestellt wurde: Laut ihrem Standort-Radar punktet Österreich erfreulicher Weise mit weniger Korruption und dafür mehr Innovation als im Vorjahr. Jedoch: Wenn es auch an Ideen im Lande nicht mangle, so doch am Zugang zu Kapital für deren Umsetzung. Gründer würden außerdem zu viele Hindernisse auf dem Weg vom Prototyp zur industriellen Produktion überwinden müssen. Da hat sich offensichtlich seit den Zeiten nichts geändert, als Madersberger die Schreibmaschine und Ressel die Schiffsschraube erfunden hat. Mangels Interesse gerieten ihre Erfindungen bald in Vergessenheit, wurden im Ausland dann nochmals gemacht und dort auch zum Welterfolg. Die gegenwärtige Finanzverwaltung, der im Deloitte-Report – Überraschung! – hohe Effizienz beim Steuereintreiben zugesprochen wird, hätte da ein reiches Betätigungsfeld. Eine höhere Wertschätzung unternehmerischen Handelns und deutlich bessere steuerliche Behandlung der privaten Finanzierung von Start-Up Firmen als bisher würden dann vielleicht doch einmal einen österreichischen Bill Gates hervorbringen.

Um jetzt aber nicht in einen naiven Optimismus zu verfallen – bei einigen ganz wesentlichen Punkten im Standortranking Österreichs schaut es finsterer denn je aus: Österreichs Wirtschaft leide unter einer überbordenden Bürokratie und einem eklatanten Mangel an Fachkräften, was einen notwendigen Konjunkturaufschwung nachhaltig hemme. Das wiederum ist für niemanden eine wirkliche Überraschung. Muss doch die schulische Ausbildung in einem Land zu kurz kommen, wo Bildungsreform sich in der Frage erschöpft, ob Bund oder Länder Lehrer und Lehrerinnen anstellen dürfen. Und wo das Aufbrechen lähmender Regulierungen ein zähes Unterfangen darstellt, wenn ernsthaft darüber diskutiert wird, ob Gastronomen in Eigenregie ihre Tische und Sessel das ganze Jahr über oder nur zwischen März und November vors Lokal stellen dürfen.

Helmut Zolles

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