ANA
Zollfreie Gedanken

Die Chance

Print-Ausgabe 26. August 2016

Im Großen gesehen, etwa von der Warte der UN-Welttourismusorganisation aus, bewegt sich der Tourismus im globalen Maßstab unbeirrt weiter auf seinem Wachstumspfad. Diese erfreuliche Prognose kann ohne größeres Risiko getroffen werden, denn die Weltbevölkerung wächst, immer größere Teile sind in den letzten Jahrzehnten der Armut entkommen und damit ist auch der Mittelstand gewachsen. Jene Bevölkerungsschicht, die den Konsum auf breiter Basis ankurbelt, und damit auch das Reisen. Von Luxusgästen allein können nur einige wenige Plätze wirklich gut leben, alle anderen sind auf möglichst viele Besucher mit durchschnittlicher Spendierfreudigkeit angewiesen.

Weit gespannte Voraussagen haben jedoch für den Einzelfall keine Bedeutung. So passiert es eben, dass vor kurzem noch trendige Reiseziele auf einmal wegen politischer Unruhen, wiederholter Anschläge auf Einheimische und Touristen oder schlicht wegen eines sich ständig verschlechternden Preis-Leistungsverhältnisses beim Reisevolk in Ungnade fallen; während andere, die in der letzten Zeit ein wenig aus dem Fokus gerückt sind, plötzlich mit Überfüllungs- sprich Luxusproblemen zu kämpfen haben. Etwa der Art, die Reservierung von Liegeplätzen am Strand per Handtuch einer polizeilich überwachten Regelung unterwerfen zu müssen. Und selbst in ein und demselben Land kann es sein, dass in manchen ländlichen Gegenden die Nachfrage vor sich hin dümpelt,  während bei einigen Stadtbewohnern schon Unmut über die hereinbrechenden Gästescharen laut wird.

Österreich liegt, wie allgemein zu hören ist, im heurigen Sommer gut im Rennen. Die Buchungssituation ist in Stadt und Land zufriedenstellend, die Lage inmitten großer Märkte, auf denen die Nachfrage nach bewährten und als sicher empfundenen Reisezielen sprunghaft ansteigt, macht sich bezahlt. Unklug wäre es freilich, darüber in satte Selbstzufriedenheit zu verfallen. Ein Sommer wie dieser ist DIE große Chance, mit gutem Service zu fairen Preisen (für Gäste und Gastgeber) zu punkten. Dabei ist, wie die Vergangenheit zeigt, auf die Gästebranche und ihre Reaktionsschnelligkeit sowieso immer Verlass gewesen. Schön wäre es allerdings, würde sie bei ihrem Bemühen unterstützt, die geradezu einmalige Gelegenheit, aus neuen Gästen Stammgäste zu machen, optimal zu nützen. Durch Förderung ihrer Internet-Kompetenz beispielsweise. Die ist bei den Spitzenbetrieben ganz hervorragend, in der Breite ist aber durchaus noch Raum für Verbesserung. Auch für eine namhafte Aufwertung des ÖW-Budgets ist jetzt der beste Zeitpunkt. Da kann dann die viel beschworene Internationalisierung mit Nachdruck und Konsequenz betrieben werden, ohne die wieder ganz wichtig gewordenen Nahmärkte zu vernachlässigen. Wie gesagt: die Chancen, eine neue Erfolgsstory zu schreiben, waren schon lange nicht mehr so gut.

Helmut Zolles

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