Standpunkt

Welt steht Kopf

Print-Ausgabe 23. Februar 2018

Sie findet in denkbar verrückten Zeiten statt, die ITB 2018. Nicht, dass die zurückliegenden Jahre weniger kurios gewesen wären, aber diesmal sind sie es besonders. Seit rund einem halben Jahr steht das Gastgeberland ohne neue Bundesregierung da, ein in der deutschen Nachkriegsgeschichte einmaliger Rekord. Der lag bisher bei 86 Tagen. Mit Erscheinen der heutigen T.A.I. sind es bereits 153.

Die Wirtschaft brummt trotzdem. Und mit ihr die Reiselust. Nicht nur in der Bundesrepublik, sondern weltweit. Unter jenen Ländern, die am kräftigsten davon profitieren, befinden sich einige in Ausnahmezustand. Tunesien, die Türkei, Ägypten, die Malediven … und niemanden stört’s. Die Reisenden nicht, am wenigsten die Reiseveranstalter und auch nicht den Vertrieb, egal ob on- oder offline. Es wird in einer erfrischenden Intensität gebucht und es spielt nicht einmal mehr eine Rolle, ob das Reiseziel an seinen Grenzen in kriegerische Handlungen verwickelt ist, oder nicht.

Die Welt steht nicht nur scheinbar Kopf. Sie tut es wirklich. Trump twittert, Xi dominiert, Putin hofiert, in Pyeong-
chang fallen sich die Spielerinnen des gemeinsamen Eishockey-Teams der verfeindeten Koreas von Nord und Süd nach ihrem Ausscheiden schluchzend in die Arme, in München sprechen derweil auf der „Sicherheitskonferenz“ alle unverhohlen von Krieg in Nahost, und bei den Alpinen fährt eine Snowboarderin der Super-G Weltelite um die Ohren und holt Olympia-Gold. Jeder Holly- oder Bollywood-Regisseur würde für derart hanebüchene Handlungen ausgebuht und davongejagt werden.

Zurück zur ITB. „Die Reisenden von heute lassen sich wohl durch gar nichts mehr aus der Ruhe bringen“, sinnierte dieser Tage einer der Big-Player von Österreichs Reisebranche über den unverändert erfrischenden Buchungsboom. Warum sollten sie auch? Zuviel ist in den zurückliegenden Jahren geschehen, sodass das Abnorme längst zur Norm und nichts so sicher wie die Unsicherheit geworden ist. Und wenn wieder einmal etwas passiert, weisen die daraus resultierenden Schockwellen in Form von Buchungsflauten gegenüber früher nur noch eine extrem kurze Halbwertszeit auf.

Einem geschäftigen Treiben auf der weltgrößten Reisemesse steht damit nichts im Wege. Flughafenstreik zeichnet sich anders als im Vorjahr diesmal auch keiner ab, ebenso wenig die Eröffnung des neuen Hauptstadt-Airports. Im Oktober 2020 soll’s bei ihm soweit sein, rechtzeitigt für die ITB 2021. Abwarten. Bis dahin wird sich mit absoluter Sicherheit noch einiges an Verrücktheiten tun, doch auch das wird die diesbezüglich bestens abgehärtete Tourismusbranche mit Bravour meistern, freut sich vorerst einmal auf die diesjährige ITB und eine neue deutsche Bundesregierung der

Lupo

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