ANA
Standpunkt

Single License

Print-Ausgabe 30. Juni 2017

Mit dem Begriff „historisch“ sollte man vorsichtig umgehen. Allzu leicht erhält er sonst inflationären Charakter. Im Falle jener soeben erzielten All-Parteien-Einigung rund um den Konsens über das „Single License“-Modell (es handelt sich um eine Idee der NEOS, wie deren Wirtschafts- und Tourismussprecher Sepp Schellhorn betont, siehe Interview "Schreiben ein Programm, wie man Österreich reformieren kann") im Zuge der geplanten Gewerbeordnungsnovelle ist dies anders: Sie kann definitiv als historisch bezeichnet werden. Dabei schien der Zug längst abgefahren.

Die Vorgeschichte: nachdem Mitte Mai die halbherzige Gewerbeordnungsnovelle an den Wirtschaftsausschuss zurückverwiesen worden war, kam es Anfang Juni bei einem Sechs-Parteien-Gespräch scheinbar zu einem Durchbruch. Alle Parlaments-Parteien hatten der Forderung nach einem Gewerbeschein für alle zugestimmt. Wenig später war dies wieder vom Tisch. Die ÖVP hatte kalte Füße bekommen.

Ende voriger Woche kam wieder Bewegung in die Angelegenheit. Wirtschaftsminister Mahrer gab im Wirtschaftsausschuss seine Zusage, dass seine Partei dem Grundsatz der „Single License“ doch noch zustimmen werde. Seither ging es Schlag auf Schlag: bereits am Montag dieser Woche lag der geänderte Gesetzestext vor, am Dienstag wurde noch eine Sechs-Parteien-Runde eingeschoben und – wenn alles lief, wie geplant – gestern Donnerstag im Plenum des Nationalrates die Neuerung per Abänderungsantrag beschlossen.

Konkret bedeutet das „Single License“-Modell, dass mit einer Berechtigung für ein freies Gewerbe künftig auch jedes andere der insgesamt 440 freien Gewerbe ausgeübt werden kann. Kleine Einschränkung: sobald mit einem dieser weiteren freien Gewerbe mehr als 30 Prozent des Jahresumsatzes erzielt werden, muss dessen Ausübung in einem einfachen Online-Verfahren der Gewerbebehörde mitgeteilt werden. Bei Nebentätigkeiten aus den künftig weiterhin 70 bis 75 reglementierten Gewerben ist eine Grenze von maximal 15 Prozent pro Auftrag vorgesehen.

Vor allem für den Tourismus bringt „Single License“ eine Erleichterung: um als Manager der Freizeitgesellschaft tätig sein zu können, – von Wanderführungen über Veranstaltungen bis hin zum Verleih von Sportausrüstung –, waren bisher mehrere Gewerbescheine notwendig.

Zu Redaktionsschluss noch offen war, ob es in letzter Sekunde nicht auch bezüglich One-Stop-Shop-Lösung im Betriebsanlagenrecht zu einer Einigung gekommen ist. Doch selbst wenn die dafür notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht erreicht wurde: wer Österreichs Polit- und Sozialpartner-Landschaft kennt, wird nicht umhin kommen, die wider allen Erwartungen erfolgte Absegnung des „Single License“-Modells als „historisch“ zu bezeichnen. Mehr davon wünscht sich nicht alleine der

Lupo

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