Standpunkt

Schwere Kost

Print-Ausgabe 6. Mai 2016

Zum Schluss kam die Frage: „Gibt’s auch irgendetwas Positives?“ Gestellt hat sie ÖRV-Präsident Josef Peterleithner. Er sprach damit dem mucksmäuschenstillen Auditorium des vorangegangen Vortrags von Gert Polli auf dem ÖRV-Kongress Ende letzter Woche im Congress Casino Baden aus dem Herzen. Eine starke halbe Stunde lang hatte der ehemalige Leiter des österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) emotionslos und mit knallharten Fakten jene Bedrohungsszenarien geschildert, denen sich Europa gegenübersieht und mit denen sich die Nachrichten- und Geheimdienste derzeit intensiv beschäftigen; und die der Reisebranche schwerste Kopfzerbrechen bereiten.

Nur ein paar Details: es steht eine Migrationswelle aus Nord- und Zentralafrika bevor, deren Dimension jene aus Syrien zum kleinen Vorspiel degradiert; darüber hinaus ist mit einer Flüchtlingswelle aus Russland zu rechnen; der Rechts/Link-Extremismus in Europa wird zur immer stärkeren Gefahr, die Verunsicherung der Bevölkerungen wird dadurch weiter zunehmen. All dies führe, so Polli, zu einer Abnahme der Bereitschaft für Bewegungsfreiheit und wird nicht ohne Konsequenzen auf das Buchungsverhalten bleiben. Und das nicht nur kurz- oder mittelfristig: „Es ist eine Herausforderung für die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Wir werden mit dieser Gefährdungslage leben müssen.“

Terrorismus, zu dessen Verlagerung in europäische Städte es „keine Gegenstrategie“ gibt, Verteilungskämpfe und Polarisierung prägen demnach die Zukunft des Kontinents. Die Konsequenz all dessen wird, so Gert Polli weiter, zu einer „wesentlichen Erweiterung der Befugnisse zur Terror-Bekämpfung“ führen.

„Die Tourismusbranche wird’s nicht leichter haben“, betonte Polli, um die wenig tröstenden Worte nachzureichen: „Er steht aber damit nicht alleine da.“

Das ging unter die Haut und war schwer verdauliche Kost. Neu, so meinten später die meisten Zuhörer, war es indes nicht. Nur in überaus komprimierter und ungeschönter Form bewusst gemacht, was gerne verdrängt wird.

Nicht nur die Outgoing-Touristik ist davon betroffen, sondern der gesamte Tourismus. Pollis Vortrag wäre so gesehen auch eine Bereicherung für ÖHV, BÖTM, abta und viele weitere Branchen-Veranstaltungen. Denn es wurde auch eine Quintessenz des Ganzen nachgereicht. Die lautet: „Geschäfts-Modelle optimieren und auf die geänderten Verhältnisse einstellen, anstatt an alten Sichtweisen festzuhalten.“ Und: „Nicht auf Besserung warten: die kommt nicht.“

Ob Letzteres als Antwort auf die Frage: „Gibt’s auch irgendetwas Positives?“, angesehen werden kann, das zu entscheiden bleibt jedem anheimgestellt, bedauert diesmal nichts Erquickenderes schreiben zu können der

Lupo

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