Standpunkt

KV-Ritual aus der Steinzeit

Print-Ausgabe 16. November 2018

Sie gelten als Leitlinie für alle anderen Branchen: die KV-Verhandlungen der Metaller. Derzeit sind sie festgefahren. Nach 3 Prozent im Vorjahr werden für 2019 von der Gewerkschaft 5 Prozent verlangt. Für den Politologen Ferdinand Karlhofer ist es der „härteste Arbeitskampf seit langem“. Denn es geht nicht nur um 5 Prozent, sondern vor allem um offene Rechnungen. Jenen zwischen der aus der Regierung geflogenen roten Reichshälfte des Landes und der türkis-blauen Koalition.

Der Rest darf ob der Streiks staunen. Etwa jene rund 2,48 Millionen unselbständig Beschäftigten, für die 5 Prozent Gehaltserhöhung der knapp 110.000 ArbeitnehmerInnen in der Metaller-Branche wie aus einem Märchen in 1001 Nacht klingen. Oder jene der Leykam Druckereien im Burgenland und in NÖ, bei denen sich soeben Betriebsrat und Arbeitgeber auf 2 Prozent mehr Lohn ab 2019 und nochmals 2 Prozent ab 2020 geeinigt haben. Oder jene in Hotellerie, Gastronomie und Reisebüros.

Wie gesagt. Bei den 5 Prozent geht’s um mehr als nur eine Lohnerhöhung. Wobei für die Metaller saftige KV-Abschlüsse kein großes Problem darstellen: Der Personalkostenanteil gemessen am Umsatz liegt bei ihnen im Schnitt bei 21,1 Prozent. In der Hotellerie sind es 32,7 Prozent.

Noch markanter ist der Unterschied bei der Bruttowertschöpfung. In Reisebüros und Hotellerie bewegt sie sich zwischen 49.000 und 50.000 Euro pro Jahr und MitarbeiterIn. In der Gastronomie sind’s knappe 30.000 Euro. Die Metaller bringen es mit 90.000 Euro auf den dreifachen Wert, zum Teil sogar auf 160.000 Euro. Nicht, weil sie besser sind, sondern weil Dienstleistung und Produktion zwei verschiedene Paar Schuhe sind.

Das wirft die Frage auf, ob nicht endlich ein komplettes Umdenken bezüglich Löhnen und Gehältern angebracht wäre. In die Richtung, dass der Netto-Betrag zum entscheidenden Kriterium wird. Alles, was drauf aufbaut – allen voran die Dienstgeberabgaben – wäre nach Branchen-spezifischen Kriterien zu gestalten.

Geht nicht? Doch! Der Gesetzgeber hat’s bewiesen, etwa als er 2010 die Energieabgabenvergütung für Dienstleistungsbetriebe abschaffte und seither nur noch dem produzierenden Bereich gewährt (damals wurde allerdings vergessen, den Sanctus der EU dafür einzuholen).

„Die Lohnnebenkosten erschlagen uns“, klagt die Spartenobfrau Tourismus, Petra Nocker-Schwarzenbacher, im Interview mit T.A.I. Den produzierenden Bereich der Wirtschaft kratzen sie nicht im Geringsten.

Metaller-Streiks hin, offene Rechnungen her. Ein Umdenken ist überfällig. In dem Sinn, die plumpen, althergebrachten KV-Rituale endlich über Bord zu werfen, um gemeinsam mit innovativen, zukunftsweisenden Ansätzen der sich immer weiter öffnenden Schere zwischen privilegierten und benachteiligten Branchen gegenzusteuern, erlaubt sich anzuregen der

Lupo

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