ANA
Standpunkt

Datenqualität

Print-Ausgabe 7. Oktober 2016

Wie hast du‘s mit der Religion? So lautet Goethes Gretchenfrage in „Der Tragödie erster Teil“ seines Dr. Faust. Das war vor 208 Jahren. Schriebe der geschätzte Herr Geheimrat heute an seinem Monumentalwerk – er hat immerhin 60 Jahre daran gearbeitet – würde die Frage wohl „Wie hast du‘s mit der Datenqualität“ lauten. Faust 4.0 sozusagen.

Die Antwort bliebe, zumindest was Österreichs Tourismus betrifft, die gleiche. Ausweichend. Denn die Angelegenheit ist, wie bei Gretchenfragen üblich, dem Betroffenen unangenehm. Im Falle der Datenqualität und Österreichs Tourismus hat dies einen tieferen Grund: Sie ist trotz aller Lippenbekenntnisse zum Trotz mehr als enden wollend. Das ist unerfreulich, aber Tatsache.

Ein paar Beispiele gefällig? Bezüglich Tirol weist die Statistik Austria für den Winter 2015/2016 rund 26,752 Millionen Nächtigungen aus. Super. Doch laut Tirol Statistik waren es 26,777 Millionen. Hm. Oder doch nicht? Zur Sicherheit wartet TourMIS mit einer dritten Version auf. 26,738 Millionen Tirol-Nächte sind es dort. Das ist eine Differenz von 39.000 Übernachtungen für das vergangene Winterhalbjahr zwischen beiden Extremwerten – nur in einem Bundesland.

Geduld, es geht noch weiter. Laut TourMIS erfreute sich Kärnten im Sommerhalbjahr 2015 eines Zuwachses von 0,8 Prozent auf 8,764 Millionen Nächtigungen. Nur die Kärntner wird’s nicht freuen, denn ihre Landesstatistik weist für denselben Zeitraum ein Plus von 1,3 Prozent auf 8,832 Millionen Übernachtungen aus. Lächerlich? Die Lücke zwischen beiden Zahlen beträgt immerhin 68.000 Nächte.

Da nehmen sich die 20.000 Differenz zwischen den 5,988 Millionen Deutschland-Nächten laut Statistik Austria im Juli 2016 und den für den selben Monat von TourMIS ausgewiesenen 6,008 Millionen schon richtig niedlich aus. Wen stört‘s da, ob es nun 11,7 Prozent oder 12,1 Prozent Zuwachs sind?

Drei willkürlich herausgesuchte Bespiele. Sie könnten beliebig ergänzt werden. „Unsere Datenqualität ist unser höchstes Gut, sonst könnten wir morgen zusperren“, betonte heuer im Sommer Christopher Sima, Österreich-Chef des Online-Vermarkters United Internet Media, bei einer Podiumsdiskussion. Wäre er im Tourismus tätig, müsste er seine Drohung wahr machen.

„Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon“, legte Goethe dem Gretchen seinerzeit gleich die Antwort auf die Frage nach der Religion in den Mund. Beim touristischen Faust 4.0 und der Datenqualität würde sich daran nichts ändern, erlaubt sich die ernüchternde Feststellung ein höchst erstaunter

                                                                                                                                                          Lupo

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