Rottenbergs Roadbook

Trainspotting

Print-Ausgabe 29. Juni 2018

Es liegt am Älterwerden: Irgendwann kommt der Moment, in dem Veränderungen einen übertölpeln. Wenn über Jahre Gewohntes nicht mehr gilt.

Ich – zum Beispiel – bin jahrelang zwischen Wien und Salzburg gependelt. Das bringt Bahn-Expertise: Am schnellsten ist der Railjet – weil der nur zweimal hält. Züge die OIC, IC, EC oder Westbahn heißen, halten öfter. Ein sinnvolles, leicht zu verstehendes System.

Der „Railjet“ schenkte mir 20 Minuten pro Fahrt. Und mehr Ruhe. Weil da – eh klar – weniger Kurzstreckenpendler und Schüler mitfuhren.

Was ich außerdem lernte: ÖBB und Westbahn bespielen die lukrative West-Achse so intensiv, dass man erst am Bahnhof – mit Blick auf die Tafel – planen musste: Oft zahlte sich das Warten auf ein „RJ“ aus, weil der die früher abgefahrenen Kollegen irgendwo auch ein- und überholte. Stand beim ersten Zug auf der Tafel „RJ“, brauchte man nicht zu taktieren.

Nur: Früher war früher – und heute ist heute. Das lernte ich unlängst, als ich von Linz nach Wien wollte. Ich erwischte den Railjet punktgenau. Vier Minuten später wäre die Westbahn gefahren. Doch, ach: Wo heute „Railjet“ drauf steht, ist eben nimmer zwingend der „Jet“ drin. Der Zug hielt – gefühlt – in jedem Dorf. Irgendwann (war es Amstetten?) zog die Westbahn vorbei: Die App verriet: Sie fuhr so, wie einst der Zug in dem ich gerade saß.

Daheim, in Wien, wurde ich verhöhnt: „‚Railjet‘ steht doch nur für Farbe & Interieur, nicht für Streckenführung und Tempo: Das ist ein Marketingvokabel – also das Gegenteil von Service oder Kundennähe: Wer wissen will, ob ein Zug schnell und direkt fährt, muss halt den Fahrplan lesen.“ Dann kam der Gnadenstoß: „Aber ihr alten Leute fallt eben auf alles rein.“

Kommentar schreiben

Bitte die Netiquette einhalten. * Pflichtfelder

Nach oben