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Zwischen „großem Wurf“ und „Entsetzen“

Print-Ausgabe 18. November 2016

Die Novelle des Gewerberechtes liegt vor, wenige Details sollen noch im Begutachtungsverfahren geklärt werden. Die Beurteilung reicht von „guter Lösung bis großer Wurf“ von WKO Präsident Leitl bis zum „gemeinsamen Entsetzen über die Mutlosigkeit, mit der eine große Reform zu Grabe getragen wurde“, das die Wirtschaftssprecher der Grünen und der Neos in einem „offenen Brief“ zum Ausdruck brachten.

Was ist also das Positive der Reform? Nach übereinstimmender Meinung die drastische Reduktion von Behördenverfahren, vor allem die „Entrümpelung“ des Betriebsanlagenrechtes, dessen langwierige Vorgänge den unternehmerischen Alltag besonders belasten. Künftig wird das Prinzip des „One-Stop-Shop“ wirksam werden, nach dem Motto „ein Verfahren – ein Bescheid“. Bau-, Naturschutz-, Wasser- und gewerberechtliche Genehmigungen werden von der Kammer koordiniert und erfolgen aus einer Hand. Das reduziert die Verfahrensdauer und verhindert widersprüchliche Auflagen. Noch einfacher soll es bei Betriebsanlagen mit geringem „Gefährdungspotential“ werden, etwa bei Imbissstuben, Gasthäusern und kleinen Hotels. Ganz aus dem Betriebsanlagenrecht sollen „vorübergehende“ Tätigkeiten herausfallen, etwa von Gastwirten bei Veranstaltungen wie Zeltfesten. Auf behördliche Bescheide wird man nur vier Monate warten müssen, bei vereinfachten Verfahren nur mehr zwei.

Erweiterte Nebenrechte

Der zweite (fast) allgemein positiv beurteilte Bereich der Reform ist die Ausweitung der unternehmerischen Freiräume durch eine Erweiterung der Nebenrechte: Derzeit darf ein Unternehmer rund zehn Prozent seines Umsatzes mit Tätigkeiten machen, die in die Berechtigung anderer Gewerbe fallen. Künftig werden in konzessionspflichtigen (reglementierten) Gewerben 15 Prozent des Jahresumsatzes zulässig sein, in den freien 30 Prozent. Ein Installateur könnte also – sofern ein sinnvoller Zusammenhang besteht – 15 Prozent seines Umsatzes mit Fliesenlegerarbeiten lukrieren. Im Laufe der Begutachtung können noch Änderungen erfolgen. Äusserungen von Wirtschaftsminister Mitterlehner lassen erwarten, dass Hoteliers keine Konzession für das „Hotelwagengewerbe“ brauchen, wenn sie ihre Gäste zum Bahnhof bringen, und keine Reisebürokonzession, wenn sie Ausflugsfahrten organisieren. Insgesamt ist die Gewerberechtsreform der bisher größte Schritt in Richtung einer von allen Seiten geforderten „Verwaltungsreform“.

Und woran entzündet sich die bis zum „Entsetzen“ reichende Kritik an der Reform? Im Mittelpunkt stehen die Zugangsbedingungen zu den einzelnen Gewerben. Nicht, weil diese gar so wichtig wären, sie sind längst kaum mehr ein ernsthaftes Hindernis auf dem Weg zur Selbständigkeit. Die historisch gewachsenen Berechtigungsbegrenzungen sind aber zum Teil skurril und geradezu eine Einladung zu hämischer, wenig sachlicher Kritik, wie sie etwa konsequent vom Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn praktiziert wird. In einem „trend“-Beitrag behauptete er, für den Betrieb seines Hotels seien sechs Gewerbeberechtigungen nötig: Hotel, Bar, Café-Restaurant, Hotelwagen, Reisebüro und Tour Operator. Der von den permanenten „Falschmeldungen“ genervte Gastronomie-Fachverbandsobmann Mario Pulker stellte fest, dass Schellhorn in keinem seiner Betriebe mehr als drei Gewerbeberechtigungen hat, dass es das Gewerbe „Tour Operator“ gar nicht gibt und dass ihn die Kammer gerne beraten würde, wie er vermutlich mit nur einer Berechtigung auskommen könnte.

GewO nicht reformierbar?

Im Zuge der Reformdiskussion war angedacht, dass die Zahl der 80 reglementierten Gewerbe halbiert wird und für die über 400 freien Gewerbe nur mehr ein Gewerbeschein nötig sein soll. Die Kammer hat dies im Gleichklang mit der Gewerkschaft verhindert. Ihr Argument, dass damit die Qualität der Leistungen und vor allem der Nachwuchsausbildung gefährdet würde, ist schlüssig: Genau das ist in Deutschland passiert, wo überlegt wird, die „Liberalisierung“ in dieser Form zum Teil wieder zurückzunehmen. Darüber hinaus sollte man aber schon bedenken, dass die Kammer die Interessen ihrer Mitglieder – und zwar nur dieser – zu vertreten hat. Vermutlich hat Schellhorn Recht, dass die Gewerbeordnung nicht reformiert, sondern nur vollkommen neu geschrieben werden kann. Die „Sozialpartner“ sind dafür die falsche Adresse: Die Trockenlegung eines Sumpfes den Fröschen zu übertragen hat noch nie funktioniert.

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