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Vereinsfeste werden zum Politikum

Print-Ausgabe 6. Mai 2016

Eines der ältesten Probleme des Gastgewerbes, das schon in den Nachkriegsjahren – wir reden vom e r s t e n Weltkrieg – bei kaum einer Tagung der Interessenvertretung fehlte, hat neue Aktualität gefunden: Die zunehmende Konkurrenzierung der Gastronomie durch Vereinsveranstaltungen, die unter Umgehung von Steuern und Abgaben und der meisten anderen Auflagen, die dem Gastgewerbe das Leben schwer machen, abgefeiert werden. Generationen von Funktionären haben sich daran abgearbeitet, hier einen Zustand von Belastungs- bzw. Chancengleichheit zu erreichen.

Gastronomie diskriminiert

Tatsächlich ist einiges geschehen: Begünstigungen bei der Steuer und den Sozialabgaben gibt es nur für „gemeinnützige“ Vereine und auch nur dann, wenn es sich um „kleine“ Vereinsfeste handelt. Geändert hat sich trotzdem wenig, schon deshalb, weil die Definition von Gemeinnützigkeit und die Unterscheidung von „kleinen“ und „großen“ Festen in Spitzfindigkeiten endet. In einem Punkt sieht die Gastronomie eine klare Diskriminierung: Wenn ein Verein bei einem Fest den korrekten Weg wählt und mit einem Gastwirt zusammen arbeitet, wird aus der „kleinen“ eine „große“ Veranstaltung und die Gemeinnützigkeit samt Steuerprivilegien sind weg.

Außerdem konnte man sich weitgehend darauf verlassen, dass nicht kontrolliert wird. Oberste Vereinsbehörde ist die Gemeinde und welcher Bürgermeister will sich mit seinen Wählern anlegen? Und die Empörung von Gastwirten reicht auch kaum für eine Anzeige – Vereine und Festbesucher sind auch ihre Gäste.

Anders wurde es erst, als die Konkurrenz für kleinere Gastronomiebetriebe am Land existenzbedrohende Formen annahm. Neben der Kammer, die sogar mit Privatdetektiven Verstöße sucht und anzeigt, entstand der Verein „Bündnis der Gastronomie Österreich“. Er erstattet gnadenlos Anzeigen, alleine im Vorjahr über 500, die tatsächlich zu beachtlichen Steuernachzahlungen und vielen Absagen von Veranstaltungen führten. Im Visier stehen vor allem Jugend- und andere Vorfeldorganisationen der politischen Parteien. Damit erhielt das Problem eine politische Dimension: Sascha Krikler, ein Spitzenfunktionär der „Jungen ÖVP“, gründete die Initiative „Rettet die Vereinsfeste“, die ein Ende des gesellschaftlich relevanten Vereinslebens im ländlichen Raum und der ehrenamtlichen Tätigkeiten beschwor. Der Versuch, im Rahmen der Steuerreform eine Gleichstellung der politischen Organisationen mit echten gemeinnützigen einzuschleusen, konnte vom Gastgewerbe mit heftigen Protesten gegen eine „Parteienfinanzierung durch die Hintertüre“ knapp verhindert werden. Als Gegenstrategie präsentierte der Fachverband Gastronomie eine Studie von Prof. Friedrich Schneider, in der erstmalig der Versuch gemacht wurde, den tatsächlichen Umfang der gastronomischen Aktivitäten der Vereine zu erfassen. In den vor allem betroffenen fünf östlichen Bundesländern hat sich die Zahl der Vereine seit 2000 um 55 Prozent auf 71.200 erhöht, während die Zahl der gastronomischen Kleinbetriebe (bis 9 Mitarbeitern) um neun Prozent auf 24.600 zurückgegangen ist. Der gastronomische Vereinsumsatz liegt mit rund 900 Mio. Euro bei etwa der Hälfte des Umsatzes der kleinen Gastronomiebetriebe, dem Staat entgehen rund 130 Mio. Euro Steuereinnahmen. „Die Zahlen belegen, dass nicht die Vereine, sondern die Dorfwirtshäuser in ihrer Existenz gefährdet sind,“ stellte Gastronomie-Obmann Mario Pulker gegenüber der Presse klar. In einem Forderungsprogramm ist die Ablehnung einer Aufweichung der Vorgaben für die Gemeinnützigkeit ein Schwerpunkt.

Politik unterstützt Vereine

Der Verein „Rettet die Vereinsfeste“ konterte ebenfalls mit einem Forderungsprogramm. Neben einer neuen Definition der Gemeinnützigkeit und Wünschen für eine Stärkung der Position der Vereine gibt es auch Übereinstimmungen mit dem Gastgewerbe, vor allem die Neuordnung der Zusammenarbeit mit Gastwirten und die Einführung eines dem Dienstleistungsscheck ähnlichen Systems zur Bezahlung fallweiser Aushilfskräfte. Bemerkenswert: An der Pressekonferenz nahmen Vertreter von 15 Verbänden quer durch alle politischen Lager teil und die Reaktionen zeigen, dass die Vereinsinitiative breite Unterstützung der Politik findet. Die Strategie des Gastgewerbes formulierte Mario Pulker: „Wenn die Politik ernsthaft Rettungsboote für Vereine bauen möchte, muss sichergestellt werden, dass die Wirte ebenso darin Platz finden.“

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